Vom Wirtshaus auf den Mont Blanc
Natur pur statt Wein gespritzt. Andreas Ropin (37) hat seine zweite Chance genützt. Vom Alkoholiker wandelte sich der Steirer zum Extremsportler. Warum er noch immer nicht genug hat, hat er Gabriel Egger erzählt.
Andreas’ gerötete Augen öffnen sich nur langsam. Die Sonnenstrahlen, die durch die Fenster der Erdgeschoßwohnung brechen, verstärken das Dröhnen in seinem Kopf. Es ist bereits nach Mittag. Für Andreas der Weckruf, weiterzuschlafen. Aber zuerst der Griff zum Tetrapak. Es ist der dritte Liter Wein, den er heute mit Wasser mischt. Andreas nimmt einen kräftigen Schluck, leert den halben Karton. Er wartet, bis ihm das, was er tut, wieder normal erscheint. Dann beginnt das Spiel von vorne.
Das Glück der zweiten Chance
15 Jahre lang prägte dieser Ablauf das Leben von Andreas Ropin. Mit 13 Jahren begann der Steirer in seinem Heimatort Bruck an der Mur zu trinken. Sieben Flaschen Bier und 60 Zigaretten am Tag. Das war die übliche Dosis, auch während seiner Ausbildung zum Stahlbauschlosser. Mit 25 Jahren hatte er seinen persönlichen Tiefpunkt erreicht: arbeitslos, dauerbetrunken, ohne Perspektive. Drei Jahre später brach er aus dem Teufelskreis aus. "Den 7. Februar 2007 werd’ ich nie vergessen. Es war der Beginn meines zweiten Lebens", erzählt er.
Dass es ein kaputtes Rad war, das den Steirer schließlich in Richtung Extremsport trug, wirkt vorerst wenig heroisch, hat aber den speziellen Charme, den Andreas versprüht. Mit dem Mountainbike erkundete er die Hügel rund um seinen Wohnort. "Du musst als Alkoholiker mit deinen ganzen Gewohnheiten brechen. Ich habe mir eingestanden, dass ich ein Problem habe und dass ich es lösen will", sagt er. Die Berge spielten dabei eine immere größere Rolle. Für Andreas waren sie ein Ort der Inspiration, fernab von der belastenden Situation des "trockenen" Alltags. Es folgten 24-Stunden-Läufe, Siege bei Wettkämpfen und immer kuriosere Ideen, seine eigenen Grenzen zu überwinden. Eine davon endete mit Laufschuhen auf dem Gipfel des Mont Blanc, mit 4810 Metern der höchste Berg der Alpen. Sechs Stunden benötigte der 37-Jährige dafür, der sich damit einen Lebenstraum erfüllte. Dass Ropin von einem Extrem ins andere gefallen ist, lässt er so nicht gelten: "Es wirkt so, als hätte ich nur die Sucht gewechselt. Mir geht es aber um das Erlebnis und nicht um das, was andere von mir denken oder um einen Rekord."
Sieben Alpengipfel in 30 Tagen
Für seine Frau Julia und für die beiden Töchter Jennifer (17) und Anna (2) sind seine Abenteuer nicht immer ein Vergnügen. Julia unterstütze ihn, seine Hirngespinste müsse sie aber nicht immer verstehen. Für den gemeinsamen Urlaub im kroatischen Medulin reiste sie mit dem Auto an, ihr Mann bevorzugte die Fußmaschine. Von Bruck an der Mur lief er täglich bis zu 80 Kilometer Richtung Istrien, um sich am sechsten Tag neben seine Frau an den Strand legen zu können. In dieser Tonart soll es auch heuer weiter- gehen. Von der Haustüre möchte er über die sieben höchsten Alpengipfel laufen – in 30 Tagen. Andreas Ropin spricht in Vorträgen über seine Wandlung, möchte aber niemanden belehren. Er will motivieren, will Vorbild sein für Menschen, die keinen Ausweg mehr sehen. "Jeder kann sich selbst aus dem Schlamassel ziehen. Schaut einfach mich an."
Zur Person
Name: Andreas Ropin, 37 Jahre alt
Beruf: Technischer Angestellter
Familie: Frau Julia, Töchter Jennifer (17) und Anna (2)
Internet: www.ropin-andreas.at