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Telefon für Häuptling Johnson

Von Manfred Lädtke, 16. Juni 2018, 00:04 Uhr
Telefon für Häuptling Johnson
Je nach Wassertiefe fährt das Boot eine bis zwei Stunden bis zum Indio-Dorf. Bild: Lädtke

In Janoschs Kindergeschichte steigen Bär und Tiger hurtig auf einen Baum und halten Ausschau nach dem Land ihrer Träume. Da die Welt von oben so ganz anders aussieht, wähnen sie sich prompt am Ziel und staunen: "Oh, wie schön ist Panama." Ob sich im 10.000 Kilometer entfernten Land dieser scheinbare Eindruck trotzdem bestätigt, erfahren Reisende, wenn sie im wirklichen Panama ein Indianer-Kanu, eine Urwaldgondel und einen alten Zug besteigen.

Sechs Uhr früh in Panama-City: Letzte Chance, auf dem Weg zu den Emberá-Indianern der allmorgendlichen Rush-Hour davonzufahren. Die Morgensonne malt Panamas markante Skyline gelb-orange an. Allmählich schrumpfen die Wolkenkratzer und Finanztürme der 1,6-Millionen-Stadt im Rückspiegel. Von einer Landstraße biegt der Bus in einen staubigen Seitenweg und holpert über Schlaglöcher hinunter zum Alajuela-See am Rio Chagres. Als er ankommt, hat die Sonne die Morgennebel bereits aufgelöst. Teakholz-, Mango- und Papayabäume säumen eine schmale Bucht, Wellen wabern gemächlich gegen ein paar bunte Blech- und Holzboote.

Lebensquell und Fluchtoase

Jenseits dieser Flussidylle spült der Strom täglich über eine Million Dollar in die Staatskassen. Ohne den gewaltigen Wassernachschub aus dem Rio Chagres wäre der als Speicher für den Panama-Kanal gebaute künstliche Gatún-See bald leergepumpt. Die Schleusung eines einzigen Schiffes verbraucht 197 Millionen Liter. Damit schluckt der Kanal mehr als die Hälfte des Süßwasserverbrauchs von Panama. Der große Fluss ist aber auch Le-bensquell und Fluchtoase für das Emberá-Volk. Als Guerillas, Drogenbanden und Waffenhändler über die kolumbianische Grenze kamen, zogen sich viele Familien in Panamas größtes Naturschutzgebiet zurück.

Zwei mit Lendenschurzen bekleidete Indianer winken die Besucher heran. Mit Schwimmwesten ausgerüstet, balancieren die Passagiere in einem schwankenden Langbaum-Boot zu ihren Sitzbrettern. Steuerbord stemmt der Vordermann das Boot mit einem Stab vom Ufer, backbord taucht der Hintermann den knatternden 15-PS-Motor ins Wasser. Langsam gleitet das Boot durch das grüne Naturparadies. Libellen stehen wie funkelnde Diamanten im Licht. Große, schillernde Schmetterlinge flattern zwischen Palmen und Bananenbäumen. Es ist Trockenzeit. Auf der Bugspitze manövriert der Indio das Flusstaxi geschickt an Steinbrocken und Geäst vorbei durch die flachen Stromschnellen. Plötzlich springt der kleine drahtige Mann ins Wasser. Mit der Stake und vollem Körpereinsatz versucht er das Boot gegen die Strömung auf Kurs zu halten. Zu spät. Die Piroge schrammt auf eine Kieselbank und steckt fest. Da hilft nur aussteigen und schieben. Nach vier, fünf kräftigen Haurucks taucht die Motorschraube wieder heulend ins Wasser.

An einer Flussbiegung steigt Rauch in den Himmel. Affen lugen neugierig aus dem Dickicht. Manchmal schreit ein Vogel herüber, als beschwere er sich über die Störung seines Urwaldalltags. Mit lautem Hallo rennen Kinder einen Abhang zum Ufer hinunter und weisen den Ankömmlingen den steilen Pfad ins Indianerland.

Auf einem Hügel stehen verstreut um eine Lichtung ein Dutzend Hütten. Zum Schutz vor Hochwasser und Tieren sind die Unterkünfte auf Stelzen gebaut. 90 Menschen leben in den mit Palmenblättern gedeckten Pfahlbauten. An diesem Tag bestimmen junge Frauen in bestickten Gewändern das dörfliche Bild.

Trugen 1974 die ersten Siedler nur Schmuck und Farben auf der Haut, streifen sich ihre Nachfahren für die Weißen eine bunte "Arbeitskleidung" über. Für die Männer, die am Fluss mit Pfeil und Bogen reichlich Fischbeute machen oder Kanus bauen, reicht ein Schurz. Andere arbeiten als Tagelöhner in Panama-City. Kehren sie am Wochenende in Shorts und Sandalen zurück, entspricht deren Erscheinung so gar nicht fotogenen folkloristischen Klischees vom Ureinwohner.

Motive finden Touristenkameras jedoch in der guten Stube des Dorfes, einer Versammlungshütte. Mädchen servieren zu Tilapia-Fisch in Palmenblätter gewickelte Kochbananen. Dann herrscht Stille. Häuptling Johnson ergreift das Wort, berichtet vom Leben und der Kultur seiner Gemeinschaft. Den athletischen Körper des 38-Jährigen zieren lila-schwarze Schlangenmuster und gemalte Motive aus Träumen. In einer Ecke lassen sich Touristinnen mit geheimnisvollen Zeichen schmücken. Die Farbe wird aus der Frucht des Jagua-Baums gewonnen und verblasst nach sieben Tagen wieder.

Pro Woche kommen bis zu 40 Fremde ins Dorf. Die Tages- oder Übernachtungsbesucher seien gern gesehen, versichert der Häuptling. Weil es untersagt ist, im Naturschutzpark zu jagen und Felder anzulegen, verdient sein Stamm Geld mit dem Verkauf von handgefertigtem Schmuck, Stickereien, Masken und Figuren. Neben dem Holzverschlag mit Souvenirs hat die Regierung eine kleine Schule gebaut. Kinder lernen dort die Emberá-Sprache, Spanisch und Rechnen. Er selbst sei Medizinmann wie auch Lehrer, sagt Johnson stolz. Sein Vater habe ihm die uralten Heilkräfte des Urwalds verraten. Heute wisse er, bei welcher Krankheit oder Verletzung von welchen Pflanzen die Blätter und Säfte auf Stirn und Wunde gehören. Schrilles Klingeln unterbricht jäh die Schilderungen des Häuptlings. Johnson zeigt über den Dorfplatz zu einer Telefonzelle. Den heißen Draht habe auch die Regierung installiert. Für einen Besuch bei den Emberá rufen Touristen im Dorf an und werden mit dem Kanu abgeholt. Dann lächelt der Indianer weise. "Wir sind durch das Tor der Zivilisation getreten, hinter dem unsere Zukunft liegt."

Auf dem Fluss nähert sich langsam ein schwarzer Punkt. Bald wird eine Schar Japaner mit weißen Sonnenschirmen wie ein Tsunami das friedliche Dorf überfluten, Fotos machen, viele Andenken kaufen und wieder verschwinden. Wenn das keine gute Nachricht ist.

Gondeln im Regenwald

Weiter flussaufwärts befindet sich der Gamboa-Regenwald. Ein Drittel von Panama seien Nationalparks oder Schutzzonen für 220 Säugetier-, 220 Reptilien- und 900 Vogelarten, hatte ein Reiseleiter gesagt. Mit etwas Glück zeigen sich einige dieser Schätze bei einer Regenwald-Partie im Gatún-Gebiet. 1,2 Kilometer schnurren die offenen Gondeln der Aerial Tram durch Baumkronen einen Berg hinauf. Ab und zu hält der Lift. Ein Ranger zeigt auf ein Faultier, einen Brüllaffen oder Fischertukan. Unter der Seilbahn schlängelt sich der Rio Chagres durch sattes Grün, der Panama-Kanal glänzt in der Sonne. Aus nächster Nähe zieht dieses scheinbar endlose Wasserpanorama täglich an den Fenstern von Panamas einziger Eisenbahn vorbei. Um 7.15 Uhr fährt der historische Zug von der Corozal Passenger Station ab, rattert dem Sonnenaufgang entgegen, begegnet Ozeanriesen auf dem Canal Grande und passiert Inseln im Gatún-See. Endstation ist nach einer Stunde Colón. Weil der "Transcontinental" erst am Abend wieder diese gefährlichste Stadt des Landes verlässt, steigen Ausflügler schleunigst in einen Bus oder in ein Taxi, das sie bis Panama-Stadt, zu den nahen Kanalschleusen oder nach 45 Kilometern ins 400 Jahre alte spanische Festungsstädtchen Portobelo bringt.

Dort schweift der Blick von den klobigen Mauern der gewaltigen Festung Santiago über eine hügelige, wilde Karibiklandschaft bis zur Chagres-Mündung. Bär und Tiger waren zwar nie da, aber vielleicht hatten sie die richtige Nase: Panama ist schön.

Panama-Infos

Pauschalreise: Meier’s Weltreisen bietet eine sechstägige Rundreise mit Besuch bei den Emberá-Indianern ab/bis Panama-City ab 2280 Euro (DZ) an.
www.meiers-weltreisen.de

Unterkunft nach individueller Fluganreise: Hotel El Panama in Panama City
www.elpanama.com

Essen und Trinken: Panamas Nationalgericht ist Sanchoco de Galina, eine mit Gemüse, Koriander und viel Hühnerfleisch zubereitete kräftige Suppe. Erfrischend sind mit Wasser oder Milch zubereitete Säfte in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen. Gut und preiswert essen kann man in der Altstadt von Panama City. Einen Besuch wert ist das stimmungsvolle alte Café Coca Cola nahe der Plaza Santa Ana.

Eisenbahn: Ein One-Way-Ticket Panama-City bis Colón gibt es ab 6.45 Uhr an der Station in der Avenida Omar Torrijos für 25 Dollar. Der Zug fährt erst abends zurück. Tipp: Wegen der unsicheren Lage in Colón über einen Bus-/Taxitransfer zurück nach Panama-City oder über Gruppenfahrten informieren.

Sehenswert: Panama-Kanal mit Miraflores-Schleusen und Kanalmuseum. Von einer Plattform aus kann die Schleusung von Ozeanriesen beobachtet werden.
www.pancanal.com

Literatur mit vielen ausführlichen Detailinformationen: „Panama“, National Geographic Traveler, 16,99 Euro; kompakt, sehr übersichtlich mit allen Höhepunkten: „Panama“, Heller Verlag, 12,90 Euro.

Informationen:
www.visitpanama.com
www.travelpanama.eu
www.panarail.com
www.gamboaresort.com

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