Luxus im Märchenschloss Zeitreise ins Jahr 1908
Das Waldhaus Sils im Engadin in der Schweiz hat sein eigenes Hotel-Orchester, einen 109 Jahre alten Steak-Grill und eine Familie, die es in fünfter Generation führt.
David Bowie, Marc Chagall, Joseph Beuys, Albert Einstein und Thomas Bernhard können nicht irren. Sie alle waren in Sils im Engadin im Kanton Graubünden in der Schweiz. Sie waren im Waldhaus Sils.
"Haus", oder "Huus" wie viele hier sagen, ist charmantes, schwyzerdütsches Understatement. Das Waldhaus Sils (unweit von St. Moritz) ist ein Luxushotel mit 140 Zimmern, 140 Mitarbeitern und einem eigenen Hotelorchester.
Die Familie ist überall
Einem Luxusdampfer gleich steht es, gestrandet in einem Märchenwald aus Lärchen, auf 1800 Metern Seehöhe nahe dem Malojapass. Seit seiner Gründung im Jahr 1908 ist das Hotel "ohne Hinterseite" im Aussehen unverändert von der Halle bis zur Bar, und den Klingelbrettern in den Gängen, mit denen früher Personal herbeigerufen wurde. Seit fünf Generationen wird es von Nachfahren der Gründerfamilie geführt.
"Ich erlaube mir, Hochdeutsch zu sprechen", sagt Maria Dietrich-Kienberger. Sie führt jeden Montag mit ihrem Mann Felix durch das Hotel und gibt Geschichten zum Besten. Etwa, wenn Stammgäste nach der zum Renovieren genützten "Zwischensaison" sagen: "Ah, frisch gestrichen." Doch die Halle, das Herzstück dieses Zeitreisehauses, wurde abgebaut, um ein Zwischenstück verlängert und originalgetreu wieder aufgebaut. Gleiches gilt für die Bar und die "Arvenstube", das À-la-carte-Restaurant, das 1929 dazukam und noch heute nach Zirbe duftet (die Schweizer sagen Arve). So wurde der Luxus Schritt für Schritt ins 21. Jahrhundert gebracht.
Kein Stilbruch ist das Hallenbad aus den 1970er Jahren. Es ist ein Monument aus Sichtbeton, das als Zeitzeuge ebenfalls denkmalschutzwürdig ist. Vielleicht schafft das auch der Ende 2016 eröffnete Waldhaus-Spa. Als milchigweiße Enklave ruht er tief in die Erde gesprengt und erweist den zahlreichen umliegenden Gletschern Reverenz.
Persönlicher Willkommensgruß
Im Waldhaus Sils zu wohnen, ist ein Spaß, der kostet. Im einfachsten Zimmer geht der Spaß pro Person mit Frühstück ab etwa 185 Euro los, wenn man Schnäppchen- und Termin-Glück hat. Mit Halbpension ist man ab 230 Euro pro Person dabei. Einen Aufenthalt nur mit Frühstück sollte man gar nicht erst erwägen. Denn das Dinner im Jugendstil-Saal oder Wintergarten ist den Aufpreis allemal wert. Koch Dennis Brunner, ein Vorarlberger, zaubert Köstlichkeiten wie Bergeller Fenchel-Kastanieneintopf mit Vanille und Cremesuppe von der Soglio-Taube. Das Angus-Rind aus dem unweiten Bondo brät auf einem holzbefeuerten Küchengrill, der 109 Jahre alt ist. Charmant ist die Usance, die Speisen auch in Französisch, wie damals üblich, anzuführen.
Da gibt es "langue de veau pochée" (pochierte Kalbszunge). Schön ist auch der Brauch, auf einer Tafel die Mitarbeiter in Küche und Service mit Nationalität und den Saisonen im Waldhaus anzuführen.
Der Bellini in der Bar (Champagner mit rosa Pfirsichmark) kostet 22 Euro. Das macht die Börse schlank. Doch den Canossagang zur Kassa tritt man erst am Ende an. Mit der sonst üblichen Unterschrift von Konsumations-Zwischenrechnungen wird man hier nicht behelligt. Apropos behelligen. Auch Handys sind außen vor. Läuten sollen sie gar nicht. Wer unbedingt ein Telefonat führen muss oder möchte, findet geschlossene Kabinen vor.
Fünf Tage ist der durchschnittliche Aufenthalt hier. Doch auch wer nur eine Nacht bleibt, kommt in den Genuss des "Familienpaketes". Denn ein eiserner Grundsatz der Gründer- und Eignerfamilien Dietrich und Kienberger ist es, jeden Gast persönlich zu begrüßen und zu verabschieden.
5-Sterne-Genuss
Dennis Brunner, Jahrgang 1982, war im Mandarin Oriental in Singapur und bei Sternekoch Gert de Mangeleer in Brügge. Er kommt aus Vorarlberg und ist seit 2005 im Waldhaus. Vor einem Jahr übernahm er die Küchenleitung. Das Dinner wird serviert. Der Dienstag ist die Ausnahme: Da gibt es ein Buffet „rund um Produkte und Produzenten der Region“, etwa Mousse von der Bergeller Gitzi (Kitz).
Oder etwa Carpaccio vom Fexer Yak, Roulade vom Puschlaver Bio-Kaninchen und Blätterteig-Pasteten mit Gitzi-Milki (Bries).
Beim Frühstück muss es ein Egg Benedict sein, ein „verlorenes Ei“ auf Toast mit Sauce hollandaise.