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Krieger zwischen den Welten

Von Margit Kohl, 07. September 2015, 00:04 Uhr
Krieger zwischen den Welten
Spektakulär geschmückt Bild: Kohl

Die Goroka-Show ist so exotisch wie kaum ein anderes Folklore-Fest, selbst wenn sich unweigerlich immer mehr Modernismen in die Kostüme verirren. Zu diesem spektakulären Sing- und Tanzfestival treffen sich im Hochland von Papua Neuguinea einmal im Jahr mehr als hundert Clans aus allen Teilen des Landes.

Auf dem Rasen des Sportplatzes sitzen bereits die ersten im Gras, schütteln wild ihre bunten Federkronen und stoßen dazu einschüchternde Zischlaute aus. Rußgeschwärzte Gestalten haben riesige Blätter mit kleinen Sehschlitzen als Masken vors Gesicht gebunden und bringen ihre Trillerpfeifen bis zur Schmerzgrenze zum Schrillen.

Ein paar Betelnuss kauende Krieger tragen lediglich eine kürbisähnliche Frucht als Penisschutz. Als sie zum Kampfgesang anstimmen, sieht man ihre von Betelsaft geröteten Zähne in den dunklen Gesichtern aufleuchten. Andere marschieren in Reih und Glied, haben sich ein paar Eberzähne durch die Nasenwände gezogen und erheben drohend ihre Steinäxte, als möchten sie einem sofort den Schädel spalten. Was für ein Spektakel.

Stundenlange Anfahrten

Um die 200.000 Gäste kommen jedes Jahr Mitte September zum Goroka-Festival. Zu Fuß, in Bussen und auf Pickups sind viele Einheimische aus dem ganzen Land oft tagelang unterwegs, um bei dieser Sing- und Tanzshow dabei zu sein. Da sind die drei Stunden Fahrt, die Linna Joseph aus Bata Kompaun auf dem Pickup hierher gebraucht hat, fast schon ein Glücksfall. Jetzt muss sie sich nur noch schminken und holt dafür ein Fläschchen mit flüssigem Tipp-Ex und einen abgebrochenen Autospiegel aus ihrem Beutel. "Nach dem letzten Erdrutsch war der Kalk, den ich sonst dafür nehmen konnte, einfach futsch", sagt Linna, weil sie einige Fremde so verwundert ansehen.

Wertvoller Federschmuck

So wie Linna tragen viele der mehr als tausend Teilnehmer Federn prächtiger Paradiesvögel zu mächtigen Kronen gesteckt oder schmücken sich mit Muscheln so groß wie Kuchenteller. Die Federn der geschützten Paradiesvögel sind wertvoll, sodass bisweilen ein Aufsammler den Gruppen hinterher eilt. Auch die Muscheln sind kostbar, schließlich waren Muscheln die traditionelle Währung des Landes, die noch heute zum Einsatz kommt, wenn es gilt, Brautpreis oder Kompensationszahlungen zu leisten. Die Tolai Exchange Bank auf der Insel New Britain ist die einzige Bank der Welt, die Muschelgeld sogar in harte Währung wechselt.

Während man die üppigen Muschelketten der Hooks Ambe Frauen aus Bata Kompaun betrachtet und darüber nachsinnt, dass sie quasi einen Teil ihres Bankkontos zur Schau stellen, trommeln, tanzen und singen auf dem Gelände inzwischen mehr als 100 Gruppen, bis der Boden unter den Füßen bebt. Welch Dorado für all die weit angereisten Hobby- und Profi-Fotografen, möchte man meinen.

Ohne Sponsoren geht nichts

Doch die fluchen indes über die unübersehbaren Werbebanner der zahlreichen Sponsoren von Coca Cola bis Maggi Flüssigwürze, die aus den Aufnahmen herauszuhalten ihnen nur mit akrobatischen Verrenkungen glückt. Schließlich will zu Hause keiner sehen, was längst auch hier zum Festivalgeschäft gehört: Werbung.

Dabei ist nirgends der Kontrast zwischen grauer Vorzeit und 21. Jahrhundert schärfer als in diesem Land. Willkommen in der Zwischenzeit! Denn in wenigen Jahrzehnten haben die Hochlandvölker Papua Neuguineas Jahrtausende übersprungen und einen wachsenden Mittelstand etabliert, der sich nicht mehr damit zufrieden gibt, als Selbstversorger auf dem Land zu leben. Doch auch wenn sich neben Tipp-Ex-Schminke, Sonnenbrillen, Smartphones und Plastikblumen immer mehr Modernismen in die Kostüme verirren, ist die Goroka-Show noch immer so exotisch wie kaum ein anderes Folklore-Fest.

Dabei ist die Entstehungsgeschichte des Festivals höchst aufschlussreich. Denn die Idee des ästhetischen Wettkampfs stammte ursprünglich von den ehemaligen australischen Verwaltern, um die Aggressionslust der Hochländer besser zu kanalisieren. Heute erhält jede Sing- und Tanzgruppe das gleiche Preisgeld von umgerechnet zwischen 600 und 900 Euro und kann damit zumindest die Reisekosten finanzieren. Ein Sieger wird nicht mehr gewählt. "Wir sind alle Sieger", sagt Linna. Was sie nicht sagt: Die Veranstalter prämieren heute keine Gruppe mehr, um erneute gewaltsame Auseinandersetzungen zu vermeiden. Denn schon so manches Festival fand sein unrühmliches Ende in einem polizeilichen Tränengaseinsatz.

Gelten die Bewohner der Inselprovinzen weitgehend als friedfertig und erinnern bisweilen mehr an sanftmütige Einheimische der Südsee, sind die Hochländer schon seit jeher in der Kriegsführung bewandert. Auf der Suche nach Gold waren australische Abenteurer erstmals 1933 bis ins Hochland von Papua Neuguinea vorgedrungen. Niemand hatte damals vermutet, dass dort noch mehr als eine Million Menschen lebten, die noch nie zuvor Weiße gesehen hatten.

Der erste Kontakt stürzte die sonst so kriegerischen Hochländer jedoch in völlige Verwirrung, hielten sie die Fremden doch zunächst für Ahnengeister. Der Glaube, ausgerechnet Weiße könnten Götter sein, war jedoch nur von kurzer Dauer, bis sie eines Tages beobachteten, wie die Weißen im Busch ihre Notdurft verrichteten.

"It looks like shit, ... it‘s shit"

"It looks like shit, it smells like shit, it’s shit", lautete der treffende Befund eines Einheimischen im Dokumentarfilm "First Contact", der Szenen dieser ersten Begegnung festhielt. Als die Weißen ihren Götterstatus regelrecht verschissen hatten, brach bald Streit unter den Hochländern darüber aus, woher der ganze Reichtum der Weißen kam, wenn sie denn schon keine Götter waren.

Seit drei Generationen

Drei Generationen ist das nun her. Heute bringen kleine Propellermaschinen neben begehrten Konsumgütern auch viele Besucher ins Hochland. Dabei ist es keineswegs sicher, ob man beim Blick aus dem Flugzeug nicht gelegentlich noch immer auf Regionen schaut, in die bis heute weder ein Forscher, Missionar noch ein Abenteurer seinen Fuß gesetzt hat.

Felsige, zerklüftete Gebirgsketten, bis zu den Gipfeln grün bewaldet, durchziehen einem Rückgrat gleich das zentrale Hochland. Ein Gleichmaß eines nahezu undurchdringlichen Regenwaldes tut sich auf, Flüsse mäandern in starken Schwüngen um die scharfen Kanten der bis zu 4000 Meter hohen Gebirge. Die 6,7 Millionen Einwohner des Landes sprechen mehr als 800 Sprachen und Dialekte, weshalb es passieren kann, dass schon im nächsten Tal ein Clan seine Nachbarn in unmittelbarer Nähe nicht versteht. Die Steinzeit ist jedoch selbst in Papua Neuguinea längst zu Ende, denn wenn die Tänzer am Ende jeder Show ihre Kostüme ablegen, ziehen auch sie Jeans und T-Shirts an.

 

Tipps & Informationen

Gesundheit: Vor Reiseantritt ist die Beratung eines Tropenarztes ratsam; Infos auf der Homepage des Außenministeriums: www.bmeia.gv.at

Einreise: Europäer erhalten direkt nach Ankunft ein Touristenvisum, das 60 Tage gültig ist.

Anreise: Flug nach Singapur, dann weitere 6,5 Stunden nach Port Moresby und schließlich eine weitere Stunde nach Goroka (Air Niugini).

Reisearrangement: Zu empfehlen sind organisierte Gruppenreisen, da weite Teile des Landes kaum
erschlossen sind. Reiseveranstalter wie z. B. Studiosus bieten zweiwöchige Rundreisen inkl. Goroka-Festival und Flug mit Singapore Airlines ab 7605 Euro p. P. an; www.studiosus.com

Nächstes Festival in Goroka: 18. bis 20. 9. 2015, www.gorokashow.com

Touristische Auskünfte: PNG Tourism Promotion Authority, c/o The Conjoint Marketing Group, Fraunhoferstraße 8, D-82152 Martinsried, Tel.: +49 (0)89-219 096 513, www.papuanewguinea.travel/europe

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