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In der Spur des Weltmeisters

Von Valentina Dirmaier, 06. Februar 2017, 00:04 Uhr
In der Spur des Weltmeisters
Serfaus-Fiss-Ladis ist bei Skiurlaubern für die familienfreundlichen Angebote bekannt. Inzwischen entdecken Freerider die Gegend im Oberland für sich. Bild: Valentina Dirmaier

Ein Tag mit Marc Girardelli im Tiefschnee von Serfaus-Fiss-Ladis: Das Tiroler Skigebiet zieht nicht nur Familien an, sondern neuerdings auch Freerider. Valentina Dirmaier war mit einem der weltbesten Skifahrer abseits der Pisten unterwegs.

Jessas, der Marc Girardelli! Noch bevor sich der fünffache Gesamtweltcupsieger mit der Gefolgschaft per Gondel auf den 2351 Meter hohen Lazid im Tiroler Skigebiet Serfaus tragen lässt, ruft ihm ein rüstiger Pensionist in der Warteschlange vor der Drehkreuzanlage zu. Girardelli zögert keine Sekunde, macht kehrt, begrüßt den 70-jährigen Salzburger, gesellt sich zur Skifahrerrunde, nimmt Komplimente lachend entgegen, scherzt und posiert für Erinnerungsaufnahmen.

Momente, die der 53-Jährige in vollen Zügen genießt. "Für so was nehme ich mir gerne Zeit. Ist doch schön, wenn sich die Leute freuen." Sagt er, der in seiner aktiven Karriere als Skirennläufer statt Anerkennung Spott und Hohn erntete.

Als Vaterlandsverräter wurde er beschimpft, weil er, der Vorarlberger, fürs Großherzogtum Luxemburg Siege in Serie einfuhr, vier Weltmeistertitel, zwei Mal Silber bei Olympischen Winterspielen, fünf Gesamtweltcupsiege holte, in 46 Einzelrennen auf Platz eins und in jeder der fünf Disziplinen siegreich war. Die stolze Skifahrernation Österreich war jahrelang schwer gekränkt.

Die Schmach ist längst vorbei. Wie auch die wilden Zeiten, in denen der vierfache Vater kühn über Pistenkanten zog, die Gesundheit für Hundertstelsekunden riskierte. Skifahren ist für ihn zum Genuss und zum lukrativen Geschäft geworden. Laien bietet er exklusive Skitage an, die Preise sind variabel. Kitzbühel, St. Anton am Arlberg sind seine Hoheitsgebiete.

Serfaus-Fiss-Ladis ist Neuland

Serfaus-Fiss-Ladis ist Neuland. Bei der Erkundungstour weichen ihm die Freeride-Lehrer Max und Andi nicht von der Seite. Girardelli schnallt seine Latten der Südtiroler Skimarke Bomber an, die durch Bode Miller jüngst häufig in den Schlagzeilen auftauchte. Die Lawinensuchgeräte werden ausgeteilt. Reine Sicherheitsmaßnahme.

Schon die erste Abfahrt von der Spitze des 2828 Meter hohen Masnerkopfs, quasi das letzte Eck der Familiendestination, überzeugt den Schwungkünstler. "Mir gefällt’s hier. Die Pisten sind schön, das Gebiet großflächig." Nach einem kurzen Aufstieg, den so mancher Flachländler hechelnd meistert, zieht er lässig seine Spur durch den Tiefschnee. Mit dem weißen Pulver hat der Wettergott im Oberland im Jänner gegeizt.

Dann folgen seine Tourbegleiter. Die breiten Bretteln gleiten durch den Schnee wie ein Messer durch weiche Butter. Ein Verschneider, und der Pulverschnee wird trotz sanfter Landung ungewollt verkostet. Der Skigroßmeister wartet geduldig. Er analysiert Schwungansatz und Körperhaltung genau. Wie ein Skilehrer, obwohl er eigentlich keiner ist.

In der Spur des Weltmeisters
Kurzer Boxenstopp: Girardelli repariert die lädierte Skibindung im Eiltempo. Bild: Valentina Dirmaier

Besserwisser will er keiner sein. Wird er gefragt, gibt er gerne Tipps. "Mehr mit dem Gelände mitgehen. Dein Schwerpunkt muss weiter nach unten, du bewegst dich zu statisch", wird ein Mitfahrer aus Deutschland aufgeklärt. Sein betrübter Blick weicht, als Girardelli auf der Fahrt zur Oberen Scheid (2600 Meter) seine Lieblingswitze vom Stapel lässt. In Bottrop, wo der umtriebige Geschäftsmann jahrelang eine Skihalle betrieb, jährlich 40.000 Kindern das Fahren auf zwei Brettern beibrachte, aber die Anlage mangels Erfolg vor mehr als einem Jahrzehnt verkaufte, kamen seine Schmähs nicht besonders gut an. "Die haben gebraucht, bis sie aufgetaut sind. Aber ich hab’ sie immer gerne provoziert." Das tut er auch heute noch gerne.

Ein bisserl anecken. Das hat er von seinem Vater, der ihn mit eiserner Disziplin und Hartnäckigkeit zur Skiweltelite trieb. Seinen Kindern würde er das nicht antun. Ab und zu geht er mit ihnen Ski fahren. Intensiver kümmert er sich um den Nachwuchs Bulgariens.

Bansko ist seit vielen Jahren sein Projekt. Dort investiert er Zeit und Geld, um den Skitourismus anzukurbeln, erzählt er beim Mittagessen im Monte Mare, einem schicken Restaurant am Fuße der angezuckerten Berghoheit Pezid (2770 Meter), Eldorado für Freerider.

Das Gebiet auf dem Hochplateau über dem oberen Inntal ist eine Spielwiese für Adrenalinsüchtige. Sie können die Widerstandsfähigkeit der Magennerven aber auch beim Skyswing auf dem Mittleren Sattelkopf testen. Nicht jeder Passagier verkraftet den mehrmaligen Überschlag auf der Riesenschaukel, so manchem wird schon beim Zusehen unwohl. Dann doch lieber ins nächste Tal carven.

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Hoch hinaus mit dem Skyswing: Wagemutige werden 30 Meter in die Bergluft und nach einem Überschlag wieder auf den Boden befördert. Bild: Valentina Dirmaier

 

Ersatzprogramm ist eine Fahrt mit dem Schneisenfeger bei der Mittelstation des Pansegg. Ähnlich wie beim genussvollen, aber rasanten Tiefschneegleiten wird auf der Rodelbahn ordentlich Tempo gemacht. Ohne Einsatz der Handbremse wird beinahe das Maximaltempo von 40 km/h erreicht. Das lässt auch einen Skiweltmeister im Ruhestand juchzen.

Ein solches Hochgefühl wünscht sich Girardelli auch für die Buchpräsentation seines Erstlingswerks "Abfahrt in den Tod" bei der Alpinen Skiweltmeisterschaft in St. Moritz kommende Woche. Bevor es so weit ist, geht es nach der Talfahrt mit der höchstgelegenen und kleinsten U-Bahn der Welt in die Mitte des autofreien Dorfes – mit Ausnahme der Skibusse.

Die 1985 erbaute Luftkissenbahn bringt zu Spitzenzeiten 2000 Personen – im Winter beinahe ausschließlich Skifahrer – von der Talstation Komperdell zu den drei weiteren Haltestellen.

Ausstieg Parkplatz. Nach einem kurzen Boxenstopp in der Bleibe geht es nach Madatschen, den letzten Fleck des Tals. Dort erwartet Lukas Geiger die Ankömmlinge mit seinem "Madatschengeischt", wie ihn die Einheimischen betiteln. Der selbstgebrannte Rachenputzer dürfte mehr Prozent haben als der steilste Hang im gesamten Skigebiet mit seinen 460 Hektar.

In der Spur des Weltmeisters
In der höchstgelegenen U-Bahn der Welt vom Hotel zur Gondel und retour. Bild: Valentina Dirmaier

Nachdem auch mit hochwertigem und hochprozentigem Lärchen- und Zirbenschnaps auf die Gesundheit angestoßen wurde, führt der Hausherr und Büchsenmacher in die Werkstatt im Keller. Zwischen ausgestopften Hirschen, Rebhühnern und Hasen fertigt er Schusswaffen. 20 Jahre hat er in Connecticut gelebt, dort sein Imperium aufgebaut und sich einen Namen gemacht. Seine "Buxn" nennt er Kunstwerke. Zu den bekanntesten Abnehmern zählen unter anderem "Magnum" Tom Selleck, Arnold Schwarzenegger und die Bush-Family. Das teuerste Kaliber ging für 353.000 Dollar über den Ladentisch, auf dem eine wahre Wunderwaffe gehortet wird.

Ein Fläschchen mit Murmliöl. Die harmlos und niedlich titulierte Substanz, die der Wirkung von Cortison gleichkommt, ist ein richtiger Schmerzkiller. Und lässt die Blessuren vom Purzelbaum im Tiefschnee schnell vergessen.

 

Zahlen, Daten, Fakten über Serfaus-Fiss-Ladis

 

214 Kilometer Pisten können in der Arena Serfaus-Fiss-Ladis befahren werden. Besonderes Augenmerk legt die Wintersportdestination in den drei Bergdörfern im Tiroler Oberland, unweit der Schweizer Samnaungruppe und der Ötztaler Alpen, auf Familien mit Kindern.

125.000 Quadratmeter sind in der Region für Aktivitäten für Kinder und Jugendliche ausgestattet. Neben Kinderrestaurants, einer Spiel- und Kletterwelt und dem eigens für Kinder angelegten Murmlipark sind auch die Skischulen auf den Nachwuchs auf zwei Brettern ausgerichtet. Es werden für die Profis unter den Kleinen sogar Tiefschneekurse angeboten.

490 Pferdestärken hat der Masner Express unter der Motorhaube. Mit dem Pisten-Bully werden Urlauber täglich gegen Anmeldung nach Betriebsschluss der Liftanlagen zu einer Pistentour mitgenommen.

1427 Meter über dem Meeresspiegel wurde die Dorfbahn unter der Erde von Serfaus gebaut. Sie ist die höchstgelegene Luftkissenbahn weltweit. Und die Kürzeste: die Streckenlänge beträgt nur 1280 Meter. Zum
Vergleich: Die U-Bahn von Peking erstreckt sich auf 550 Kilometern und ist damit die längste der Welt.

Mehr Infos über das Skigebiet, Preise und Buchungen erfahren Sie unter www.serfaus-fiss-ladis.at oder info@serfaus-fiss-ladis.at.

 

„Dann haben s’ beschissen“

Marc Girardelli über den Titel Vaterlandsverräter, Marcel Hirscher und die Medaillenchancen der Österreicher bei der Ski-WM

OÖN: Wir haben auf der Piste Skifahrer getroffen, die dich* begeistert begrüßt haben. Als Aktiver wurdest du* als Verräter beschimpft, weil du für Luxemburg Siege gehamstert hast. Bist du heute rehabilitiert?

Ja, die Leute sind viel sympathischer. Aber man vergisst nicht, dass man beschimpft wurde, von Leuten, die von Tuten und Blasen keine Ahnung hatten. Im Nachhinein betrachtet ist das für einen jungen Athleten nicht leicht.

Hat dich dein Vater, der dich trainierte, mental unterstützt?

Nein, das war nie Thema bei uns. Da kann dir kein Trainer helfen, das musst du selbst bewältigen.

Du hast mit zwölf Jahren den Verband gewechselt. Wer hat die Entscheidung getroffen?

Das war die Entscheidung meines Vaters, weil es Streitigkeiten mit dem Vorarlberger Verband gab. Die Geschichte war die, dass ich sämtliche Rennen gewonnen habe, obwohl ich nicht in die Skihauptschule Schruns ging. Es entstand eine riesige Polemik, dann haben s’ begonnen zu bescheißen.

In der Spur des Weltmeisters
Marc Girardelli (M.) wird heute von Skifans umgarnt – im Gegensatz zu früher. Bild: Valentina Dirmaier

Was ging damals vor sich?

Es wurde manipuliert. Ich kann mich noch an ein Jugendrennen erinnern, die Lautsprecher waren eingeschaltet, da sagte einer, dass ich die beste Zeit hatte. Dann wurde ich disqualifiziert. Grundlos.

Würdest du, müsstest du die Entscheidung noch einmal treffen, wieder für den Luxemburger Verband antreten?

Ja. Aber wir hätten uns damals genauso für Monaco oder San Marino entscheiden können. Wichtig war lediglich, dass die Struktur des Verbands ohne Funktionäre auskam.

Wenn man sich die Liste der Rennen der letzten Jahre anschaut, fällt auf, dass beinahe ausschließlich Skifahrer wie Marcel Hirscher, Lara Gut und Lindsey Vonn gewinnen, die individuell betreut werden. Können nur Athleten gewinnen, die sich von der Gruppe abkapseln?

Nein. Aber das Grundtraining in der Mannschaft reicht fürs Mittelmaß. Wenn du in die Weltspitze willst, musst du mehr machen. Die wirklich Guten sind Tag und Nacht dran. Jahrelang. Seriensieger sind kein Zufallsprodukt.

In wenigen Tagen beginnt in St. Moritz die 44. Alpine Ski-WM. Hältst du zu einer Mannschaft, oder drückst du den Österreichern die Daumen?

Im Fußball jedenfalls nicht (lacht). Im Ernst, ich bin kein Nationalist.

Wie werden die Österreicher deiner Meinung nach bei der Weltmeisterschaft abschneiden?

Bei den Mädls schaut’s etwas trüb aus. Die Herren holen zwei, maximal drei Medaillen. Eine in den schnellen, zwei in den technischen Disziplinen durch Hirscher.

Sein und dein Name fallen derzeit sehr häufig im selben Atemzug. Er ist drauf und dran, dich in sämtlichen Statistiken zu überholen. Wie geht es dir dabei, übertrumpft zu werden?

Ich bin der Erste, der ihm zu jedem Rekord gratuliert. Er ist ein unglaublich guter Sportler, seine Leistung ist großartig, seine Fahrweise ist schön zum Anschauen.

Was traust du ihm noch zu?

Marcel ist seit Jahren mit Abstand der Größte. Ich wünsche ihm, dass es so weitergeht. Er kann sich in der Ebene eines Alberto Tomba oder Ingemar Stenmark einreihen.

Du warst ursprünglich ein Technikspezialist, hast Siege in allen Disziplinen eingefahren. Kann das auch deinem Seriensieg-Nachfolger Hirscher gelingen?

Im Super-G ist Marcel relativ gut, er hat einen gewonnen. Aber die Abfahrt ist ein anderes Thema.

 

* In Tirol gilt, über 2000 Meter wird geduzt. Diese Regel übernehmen wir gerne auch fürs Interview

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