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Einmal Gletscherspalte und retour

Von Ines Klima, 19. Juli 2014, 00:04 Uhr
Einmal Gletscherspalte und retour
Der erste Sprung über eine Gletscherspalte erfordert ordentlich Überwindung. Aber mit der Zeit wächst das Vertrauen, vor allem, wenn man mit einem guten Bergführer geht. Bild: Klima

In einer Gletscherspalte hängen ist nicht jedermanns Sache. "Kalser Gletscherreise" nennt sich eine Tour am Großglockner, bei der man die Eiswelten erkundet, und dabei auch etwas von der eigenen Persönlichkeit entdeckt.

Der Toni kommt zum Frühstück zu uns auf die Stüdlhütte. Locker und gut gelaunt nach 900 Höhenmetern Aufstieg vom Lucknerhaus. "Griaß enk, i bin da Toni." Toni ist unser Bergführer und wird uns zusammen mit Magda ins ewige Eis begleiten.

Unsere Gruppe hat bereits auf der legendären silbernen Stüdlhütte am Fuße des Glockners übernachtet. Zum Akklimatisieren auf 2800 Meter Höhe, mit gemütlichem Hüttenabend und mehrgängigem Menü vom Feinsten. Das Zanderfilet und die Nougatknödel als Nachtisch werden uns in Erinnerung bleiben. Mit Magda, Nationalpark-Rangerin und Bergführerin, sind wir schon am Vortag vom Lucknerhaus zur Stüdlhütte aufgestiegen – über weite alpine Graslandschaften, durch Lärchenbestand und schließlich durch Gletschermoränen bis auf 2800 Meter Höhe.

Hier, in der Kernzone des Nationalparks Hohe Tauern in Osttirol, ist man der Natur ganz nah. Die Warnrufe des Murmeltieres, der Steinbock im Sonnenhang, der Bartgeier hoch über uns – Magda ist mit ihrem Ranger-Wissen und mit dem Fernglas zur Stelle, und der Aufstieg ist auch ein informativer Gang durch die Fauna und Flora des Nationalparks. Dass der Bartgeier eine Flügelspannweite von drei Metern vorweisen kann und der Steinadler nicht kleine Kinder frisst (wie man sich früher erzählte), sondern Aas, weiß unsere Rangerin ebenso wie die Namen der vielen Blumen: Alpenmannschild, Gletscher-Hahnenfuß, Schusternagele, Enzian oder Eisenhut.

Um sieben Uhr ist unsere Gruppe versammelt, der Blick nach der Nacht im 18-Betten-Lager bei manchen noch etwas trüb. Dafür ist das Wetter gut und die Sicht klar. "Dann pack mas glei." Toni und Magda haben die Wetterprognose im Kopf und das Ziel vor Augen. Für den Gletscher und die Spalten ist gute Sicht die beste Voraussetzung – ab Mittag ist ein Wetterumschwung angesagt. Knöchelhohe Bergschuhe, Sonnencreme im Gesicht, die Steigeisen (noch) im Rucksack, eine wetterfeste Jacke, Handschuhe sowie Sonnenbrille, Helm und Klettergurt sind ein Muss für die Gletschertour. Eine Spur Aufregung liegt beim Festzurren in der Luft, der Klettergurt muss richtig sitzen für das Unterfangen. Von der Stüdlhütte geht es rund 250 Höhenmeter steil über Schiefergestein bergan.

Der Weg von der Hütte Richtung Teischnitzkees ist auf der ersten halben Stunde ident mit der Aufstiegsroute zum Glockner. Und der zeigt sich an diesem Morgen in seiner ganzen Pracht. 3798 imposante Meter ragt er vor uns auf. "Des Wichtigschte beim Berggehen isch was?" Toni blickt in unsere leicht angespannten Gesichter. Wir lauschen, um nichts von seinen lebenswichtigen Instruktionen zu versäumen. "Einatmen und auch wieder ausatmen!" Mit seinen Schmähs sollte uns der Toni noch öfter zum Schmunzeln bringen.

Seit 10 Jahren zählt Toni zu den 19 Bergführern im Bergsteigerdorf Kals, 60 Mal pro Jahr steht er am Großglockner. Als Einsatzleiter der örtlichen Bergrettung hat er viel Erfahrung gesammelt, rund 190 Touren führt er pro Jahr. "Sicherheit muss immer oberstes Gebot sein, nicht der Gipfel oder das Ziel."

Der Gang übers Eis

Sein Wort in Gottes Ohr! Nach der Kuppe blicken wir dem Teischnitzkees (Kees heißt Gletscher) ins Auge. Vor der schneebedeckten Hochfläche heißt es Steigeisen anziehen und anseilen. Ungefähr fünf Meter beträgt der Abstand zwischen uns, das Seil darf nicht durchhängen und sollte locker gespannt sein, um im Notfall Halt geben zu können. In zwei Gruppen zu drei und vier Personen stapfen wir hinter dem Toni und der Magda über die Gletscherfläche.

"Schön in meiner Spur bleiben", kommt die Ansage von vorne. Tonis Meldung, dass unter der Schneedecke Spalten sind, die man nicht sieht, lässt den Adrenalinpegel in die Höhe schnellen. Bei der ersten sichtbaren Gletscherspalte kommt der Blutdruck ebenfalls kräftig in Schwung. Die Spalte gibt den Blick frei auf bläulich schimmernde Untiefen. Wie tief ist die und wann bleib ich stecken, wenn ich hineinstürze? Etwas in dieser Art geht mir durch den Kopf, als die erste breite Spalte zum Überqueren dran ist. Leichtes Knieschlottern und ein Stoßseufzer begleiten den ersten Spalten-Sprung. Von vorne kommt die lapidare Toni-Meldung "Es seids ja eh anghängt".

Mit sicherem Schritt schreitet unser Bergführer durch den grau-weißen Gletscherbruch, und mit jedem Schritt fühle auch ich mich wohler. Jetzt wird die Tour so richtig zum Erlebnis. Die Steigeisen greifen knirschend in das grobkörnige Eis, die bizarren Formen und Farben im Gletscherbruch faszinieren. Wir schreiten auf den Abbruch und die Gletschertürme am Rand zum Teischnitztal zu. Dort wartet das Highlight, sprich eine "passende" Gletscherspalte auf uns – es wird ernst.

Magda und Toni sind zufrieden mit dem Standort, der Blick in die Tiefe sagt, hier sind wir richtig. Eine hineingedrehte Eisschraube und ein Seilrollenflaschenzug sichern unseren Abgang in die Tiefen des ewigen Eises. Zwischen 20 und 22 Meter tief ist "unsere" Spalte und etwa acht Meter breit. Nicht alle wagen den Blick in den Abgrund.

Als ich dann an Gurt und Seil langsam in die Spalte abgleite, weicht die anfängliche Skepsis mit jedem Meter, Euphorie macht sich breit. "Willsch no weiter obi?" Toni lässt mich behutsam hinab, an der blitzweißen Gletscherwand entlang. Auge in Auge mit dem glitzernden Farbenspiel der Sonne auf den Eiswänden, mit aufragenden Eistürmen, mit dem Gefühl des Entschwebens und dem wohligen Gedanken, dass ich jederzeit wieder nach oben kann.

Nach einer ganzen Weile in der Spalte schwebe ich wieder nach oben, inklusive einer großen Portion Glücksgefühl. Da steckt Überwindung drin, Freude und das Empfinden, der Natur und auch sich selbst ganz nah gekommen zu sein.

Am Weg zurück zur Stüdlhütte zieht Nebel auf, die Gletscherlandschaft wird in ein diffuses Licht getaucht. Der Glockner ist hinter einer Wolkenwand verschwunden. Gut, dass Toni den Weg kennt. Noch eine kurze Einkehr, und dann geht es zurück nach Kals über den Wandersteig durch das Teischnitztal. Hier leuchtet das satte Grün der Bergmähder, und der mäandernde Gletscherbach bahnt sich den Weg durch die Schotterflure.

1200 Kilometer

Nationalpark Hohe Tauern: Größter Nationalpark der Alpen und in Mitteleuropa, umfasst Flächen in Tirol, Salzburg, Kärnten. Anzutreffen sind Steinbock, Bartgeier, Adler, Gämse, Murmeltier und zahlreiche seltene Pflanzen. Das Wanderwegenetz in Tirol hat 1200 Kilometer. Ausgebildete Nationalpark-Ranger bzw. Bergführer begleiten und erklären auf den Touren. hohetauern.at
Kalser Gletscherreise: 2-tägige Tour zum Teischnitzkees, Führung durch Nationalparkranger und Bergführer, Halbpension auf der Stüdlhütte, Transfer von Kals zum Lucknerhaus sowie vom Teischnitztal nach Kals, Leihausrüstung mit Klettergurt, Seil und Steigeisen; 189 Euro; Infos und Termine auf bergfuehrer-kals.at

Übernachten: im Vital- und Wanderhotel Taurerwirt in Kals am Großglockner mit geführten Touren und der Kalser Gletscherreise taurerwirt.at

Osttirol mit der Bezirkshauptstadt Lienz hat 53.000 Einwohner. Die vier Urlaubsregionen sind die Nationalparkregion Hohe Tauern, das Defreggental, die Lienzer Dolomiten und das Hochpustertal. osttirol.com

 

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