Die kleinste deutsche Stadt
Dreihundert Menschen leben in Arnis auf einer nicht einmal einen halben Quadratkilometer großen Halbinsel – dank der denkmalgeschützten Linden ein Paradies für Hunde, hat Claudia Woitsch festgestellt.
Jede Gassi-Runde, die ich zu Hause drehe, dauert länger als die Stadtumrundung von Arnis. Nicht einmal eine halbe Stunde bin ich unterwegs. Also reine Gehzeit plus das eingehende Beschnüffeln der Linden, die die Lange Straße säumen, durch meinen Hund. Im Übrigen besteht Arnis quasi nur aus dieser Straße, die sich fast über die gesamte Länge der Halbinsel erstreckt und an deren Seiten dichtgedrängt die Häuser der fast dreihundert Bewohner stehen.
Außer den drei Yacht- und Bootswerften ist da noch die Fähre von Arnis nach Sundsacher, die aber jetzt gerade Winterschlaf hält. Zwei Wirtshäuser habe ich gesehen, den Badestrand und gleich daneben den kleinen Friedhof mit seiner alten Schifferkirche. Diese wurde Mitte des siebzehnten Jahrhunderts erbaut. Zu einer Zeit, als es noch eine große Flotte aus Handelsschiffen gab, die nach Skandinavien und auch nach Übersee segelte. Allein nach Kopenhagen exportierten die Arniser Mitte des 19. Jahrhunderts 58.000 Tonnen Mettwürste.
Klein wie eine "Perle"
Die "Perle an der Schlei", wie Arnis genannt wird, ist nicht nur einwohnermäßig die kleinste Stadt Deutschlands, sondern mit 0,45 Quadratkilometern auch flächenmäßig. Matthias Paulsen, Besitzer einer der Yacht- und Bootswerften, erzählt mir, dass man hier seine Nachbarn sehr gut kennt: "Was manches Mal ein Vorteil und hin und wieder auch ein Nachteil ist", bemerkt er lächelnd. Arbeit gibt es auch im Winter genug in seiner Werft. Heutzutage wird eher gepflegt und saniert. Früher hat Paulsen mit seinen vier Mitarbeitern auch Mahagoniyachten gebaut. Die letzte, stolze achtzehn Meter lang, wurde von einem Japaner gekauft.
Bernd Kugler, der Bürgermeister, wohnt schräg vis-à-vis vom Rathaus. Mit dick gefütterten Hausschuhen und einer Pfeife im Mundwinkel kommt er quer über die Straße, um mich in seinem Amtszimmer zu treffen. Jetzt werden es bald zehn Jahre, dass er die Geschicke von Arnis leitet. Eigentlich stammt er aus dem Harz. Dann das Studium in Flensburg, und da hat ihn die Liebe zum Segeln nach Arnis gebracht. Er ist sehr erfreut, dass ich "zu zweit" gekommen bin. Bernd Kugler liebt Hunde, und so dürfen wir nicht nur ins Amtszimmer, sondern auch in den Konferenzraum und ins Trauungszimmer. Der Bürgermeister ist zugleich Standesbeamter und könnte zur Hochzeit die Fanfaren blasen. Er muss aber gleich zu einem Termin. In der Schifferkirche trifft er sich mit der Organistin zur Musikprobe. Bürgermeister Bernd Kugler spielt auch noch Trompete.
Jetzt, im Winter, ist es ruhig in der kleinsten Stadt Deutschlands. Kein Wunder. Viele der Häuser werden als Sommerwohnsitz genützt oder wochenweise an Touristen vermietet. Man hat also Zeit, durch die Lange Straße zu bummeln und die Hinweistafeln an den Häusern zu lesen, die ihre jeweilige Geschichte erzählen. So erfährt man, welches als das älteste Haus gilt. Welches früher einmal eine Metzgerei war, oder dass hier Schuster Blender gelebt hat; und bei manchen Häusern steht auch, wer jetzt hier wohnt und vielleicht sogar arbeitet.
Wer die kleinste Stadt Deutschlands besucht, sollte trotzdem viel Zeit mitbringen. Denn man ist schnell rundherum gegangen, aber es dauert erstaunlich lange, bis man die 0,45 Quadratkilometer im Kern erkundet hat.
Info: Anreise am besten mit dem Auto, oder dem Segelschiff; nächster Flughafen ist Kiel Aktivitäten: Radfahren, Baden, Wassersport Unterkunft: Die Ferienhäuser und Wohnungen sind über Internetplattformen wie airbnb buchbar. Hotel gibt es keines.