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Der Mythos um den dreigeteilten Berg

Von Gabriel Egger, 01. August 2015, 00:04 Uhr
Der Mythos um den dreigeteilten Berg
Eine Besteigung wie damals: Bergführer aus den Regionen rund um den Piz Buin haben sich im Stile der Erstbesteiger auf den Berg gewagt. Bild: TVB Paznaun-Ischgl

Am 14. Juli 1865 war drei Österreichern und einem Schweizer in der Silvretta die Erstbesteigung des 3.312 Meter hohen Piz Buin gelungen. 150 Jahre später folgte Gabriel Egger ihren Spuren.

Ein Ort versinkt im Chaos. Alles ist eintönig und weiß. Längst hat sich der Schnee über alle Regeln und Gesetze hinweggesetzt. Plötzlich wird es laut. So laut, dass man die eigene Stimme nicht mehr hört. Minuten vergehen, dem ohrenbetäubenden Tosen folgt Grabesstille. Eine Lawine hat sich im Februar 1999 von den steilen Südhängen des Sonnbergs gelöst und mehr als 50 Menschen verschüttet. Nicht alle konnten lebend aus den Schneemassen befreit werden. Die Lawine löschte Existenzen aus, zerstörte Strukturen und begrub Hoffnungen und Ziele unter sich.

Vorarlberg, Schweiz oder doch Tirol?

An diese Geschichte wird man unweigerlich erinnert, wenn man den Ortsnamen "Galtür" hört. Doch die 800-Seelen-Gemeinde im hinteren Paznaun, im Bezirk Landeck in Tirol hat einen Weg gefunden, einen großen Schritt in die Zukunft zu setzen und die Vergangenheit dennoch nicht zu vergessen: Im Alpinarium wird an die Tragödie erinnert; gleichzeitig dient es als Schutz vor einer weiteren Jahrhundert-Lawine.

Die Luft in Galtür auf 1.600 Metern Höhe ist frisch und sauber, der Verkehr überschaubar.

Der Mythos um den dreigeteilten Berg
Das Gebirgsdorf Galtür bei Sonnenaufgang mit seinem Hausberg, der Gorfenspitze. Bild: Egger

Nur die Busse, die die Touristen zu Wanderungen und anderen Freizeitaktivitäten bringen, stören für kurze Zeit. Wäre Tirol eine Zipfelmütze, Galtür wäre der Bommel.

"Wir haben so viel mehr zu bieten. Schließlich gehört uns auch der Piz Buin", sagt Bürgermeister Anton Mattle. Der Piz Buin, für viele mehr Sonnencreme als Berg, ist der höchste Punkt Vorarlbergs, liegt zur Hälfte auch im Schweizer Kanton Graubünden. Wie darf man das verstehen? Ein Berg, der zwischen Vorarlberg und der Schweiz liegt, aber Tirol gehört? Richtig! Mit dem Kauf der Alpe Vermunt im Jahr 1900 von der Engadiner Gemeinde Ardez wurde Galtür einer der größten Grundbesitzer in Vorarlberg, ist bis heute Eigentümer des Piz Buin.

Der Berg und die Creme

Der quasi dreigeteilte Berg ist auch ein Identifikationssymbol, das der Umgebung goldene Zeiten gebracht hat. Nicht nur Tirol und Vorarlberg, auch der Haut. Zumindest wenn es nach Franz Greiter geht. Der Chemiestudent entwickelte nach einer heißen Tour auf den 3.312 Meter hohen Berg eine der ersten Sonnencremes der Welt. Das haben wir indirekt auch Joseph Anton Specht, Jakob Pfitscher, Franz Poll und Johann Jakob Weilemann zu verdanken; drei Österreicher und ein Schweizer aus St. Gallen.

Diese Pioniere standen am 14. Juli 1865 als erste Menschen am Gipfel des Piz Buin, hatten dabei nicht nur einiges an Selbstvertrauen, sondern auch an Schnaps getankt. Das geht aus den detaillierten Aufzeichnungen der Alpinisten hervor. Der Schluck Mut hat sich bezahlt gemacht.

Dabei hatten sie noch nicht die Möglichkeit, über die Silvretta-Hochalpenstrasse zur Bielerhöhe zu gelangen, dem Ausgangspunkt für moderne Besteigungen des Piz Buin. Traumhaft schlängelt sich die breite Asphaltstraße durch die sattgrüne Umgebung über die Landesgrenze. Das Wasser des Silvretta- Stausees glänzt im Sonnenlicht, das immer wieder durch dicke Wolken bricht.

Hier beginnt unser Weg zu Fuß hinauf auf den Gipfel. Sanft steigend geht es neben dem kühlen Nass dahin. Bald lassen steile Serpentinen den Atem schwerer, die Beine müder werden. Nach knapp zwei Stunden erreichen wir die Wiesbadener-Hütte. Von dort sieht man ihn auch zum ersten Mal, den Gipfel der Träume, den Piz Buin.

Ein 3.312 Meter hoher Ochs

Die Hütte ist groß, dennoch ist sie bis zum letzten Platz gefüllt. Die Atmosphäre ist etwas ganz besonderes. Der Mythos, er kommt nicht von einer tragischen Besteigungsgeschichte oder einer Heldentat, er ist hausgemacht. Die Begeisterung der Menschen hier rund um den "Buin" ist ansteckend. Der Berg ist zum Wahrzeichen geworden.

Plötzlich geht ein Raunen durch die Anwesenden. Hoch oben am Himmel grelles Licht; Licht, am Gipfel des Berges. Zur Feier des 150-jährigen Jubiläums beleuchten Bergführer die schroffen Wände mit Lampen, stehen oben in der Kälte, in der Dunkelheit. Und der Buin? Der versteckt sich ungeniert in den Wolken, dieser Ochs! Das ist gar nicht so beleidigend, wie es klingt. Der rätoromanische Name des Berges lautet "Ochsenspitz". Auch der einst weitläufige Gletscher trägt den Namen "Ochsentalgletscher". Den gilt es für uns am kommenden Tag zu bezwingen, um den Gipfel zu erreichen.

Der Mythos um den dreigeteilten Berg
Über loses Gestein führt der Weg zum Ochsentalgletscher Bild: Dieter Wissekal

Die Zacken der Steigeisen bohren sich ins ewige Eis. Obwohl ewig, ist es bereits mehrere Meter zurückgegangen. Der Weg der Erstbegeher über das Wiesbadener Grätle ist deshalb nicht mehr ratsam. Wir erreichen die Buin-Lücke. Von hier aus sind es noch etwa 200 Höhenmeter bis zum Gipfel, der über den Nordwestgrat erklommen wird. Zeit, die Steigeisen abzulegen, die Freude bleibt. Der Weg führt nun über loses, blockiges Gestein bis sich die ersten Kletterstellen vor uns aufbauen. Noch ein Kamin muss überwunden werden. Ein Griff, ein Spreizschritt, schon ist der breite Gipfelhang in Sicht, nach vier Stunden Aufstieg. Der Hang gleicht einem Fußballfeld, mitten im Gebirge. Die Sicht über die Silvretta, über die weitläufigen Gletscher und Täler entschädigt für die Mühen.

Der Tag der Erstbegehung wird groß gefeiert: Das Galtür-Syndikat spielt den Bozner Bergsteigermarsch. Eine historische Seilschaft, bestehend aus Bergführern der Region, erklimmt in traditioneller Manier den Gipfel. Ganz im Sinne der Erstbegeher. Mit Hanfseilen und einer Portion Mut.

Zurück auf der Wiesbadener Hütte gilt die Aufmerksamkeit weiterhin Vorarlbergs höchster Erhebung. 3.312 - eine Zahl, dennoch beeinflusst sie eine Region. Über Jahrhunderte hinweg. Der Gletscher, der Grat, der Piz Buin. Wir Gipfelstürmer verlassen den Berg wieder. Die Begeisterung und der Mythos, die bleiben.

150 Jahre Piz Buin

3312 Meter ragt der höchste Gipfel Vorarlbergs in den Himmel. Diese Zahl hat Bernhard Tschofen als Titel seines Buches über den Piz Buin gewählt. Er präsentiert darin eine Auswahl an Texten, deren Autoren sich in den vergangenen 150 Jahren mit dem Piz Buin beschäftigt haben.

Ganz oben heißt die Ausstellung im Galtürer Alpinarium, die sich mit der Vergangenheit des Ortes und der Region beschäftigt. Die Rückseite des Museums kann erklettert werden. Es ist gleichzeitig eine Schutzmauer gegen Lawinen. Weitere Infomationen: www.alpinarium.at

Die Wiesbadener Hütte ist nicht nur für Alpinisten mit Gletschererfahrung einen Besuch wert. Die vom deutschen Alpenverein betreute Hütte ist von der Bielerhöhe auch für Familien mit Kindern leicht zu erreichen. Eine Wanderung auf den Radsattel mit einer Abkühlung im eiskalten Radsee ist genauso möglich, wie eine ernsthafte Tour auf die imposante Dreiländerspitze. Die gute Küche entschädigt für die Mühen. Informationen finden sich im Internet unter: wiesbadener-huette.com

 

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