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Das Tor zum Meer

Von Andreas Thaler, 13. April 2014, 00:04 Uhr
Das Tor zum Meer
Ein typisches Haus in Ouessant Bild: A.Thaler

Sie hat die Form einer Krabbe, ist maximal 61 Meter hoch und der westlichste Teil des französischen Mutterlandes, die Île d'Ouessant.

Übelkeit steht den meisten Menschen ins Gesicht geschrieben, viele halten sich krampfhaft an den Geländern fest, blicken starr auf einen Punkt und hoffen auf das Ende der Überfahrt.

Maurice, Matrose auf der "Fromveur", der gleichzeitig auch die kleine Bar betreut, stellt derweil eine große Plastikflasche, gefüllt mit weißem Pulver, auf den Tisch. "Eine raue See heute?", fragt er mit breitem Grinsen. Er erntet nur entgeisterte Blicke und keine Antwort. Stattdessen ertönt eine schwache, aber hoffnungsfrohe Frage: "Ist das ein Mittel gegen Seekrankheit?" Maurice lacht herzlich und meint nur: "Nein, es erleichtert das Putzen danach."

Die Erheiterung der Reisenden hält sich in Grenzen, aber spätestens jetzt wird das bretonische Sprichwort verständlich: "Une mer calme n’a jamais fait un bon marin." (Übersetzung siehe Zitat) Die meisten Passagiere hätten trotzdem nichts gegen eine ruhige See und damit auch einen Mangel an guten Seemännern.

Die Fahrt nähert sich glücklicherweise dem Ende, doch rückt einem die Weisheit des Konfuzius in weite Ferne. Der Weg das Ziel? Niemand kann dies ernsthaft behaupten! Am Abfahrtsort Le Conquet herrschte noch typisch bretonisches Wetter. Tiefer Nebel, leichter Regen, kalter Wind. Dabei ließ die Jahreszeit auf bessere Umstände hoffen.

Ein sehr mildes Klima

Doch weit draußen lockt eine Insel, welche die höchsten Durchschnittstemperaturen ganz Frankreichs aufweist. Zumindest im Jänner und Februar. Doch jetzt im Frühjahr hat die Île d’Ouessant, 20 km westlich der bretonischen Küste gelegen, noch viel mehr zu bieten. Sobald die Füße wieder festen Boden spüren, sich das Gewusel der vom Schiff strömenden Reisenden langsam entwirrt, kommen alle Sinne langsam wieder zurück. Die erste Begegnung mit einem Einheimischen dauert keine zehn Minuten. Es ist ein angepflocktes Schaf, welches die Wiese rund um den kleinen Flugplatz abgrast. Seit einiger Zeit werden die autochthonen Ouessantschafe wieder gezielt gezüchtet. Sie gelten als kleinste Schafrasse Europas und schleifen ihren Bauch fast über die Grasdecke.

Da die Insel über keinerlei Bäume verfügt, die teilweise heftigen Winde aber angeblich sogar zur Verzwergung der Vierbeiner geführt haben, bieten nun zahlreiche kleine dreieckige Steinmäuerchen Schutz. Doch meist bietet die Île d’Ouessant einen hervorragenden Gegensatz zum Festland.

Die Mischung aus Meeresfeuchtigkeit und strahlender Sonne, lässt prächtige Gärten erblühen und das Wetter am Festland und die oft mühselige Überfahrt schnell vergessen. Die Insel hat dabei bescheidene Ausmaße, gerade mal acht Kilometer Länge stehen vier Kilometer Breite gegenüber, die sich auf dem rund 60 Meter hohen Schiefer- und Granitplateau erstrecken. Daher bietet das Fahrrad eine angenehme Möglichkeit, die Insel an einem Tag zu erkunden. Wenn der Anstieg vom unbewohnten Hafen geschafft ist, rollt es sich recht angenehm.

Was sofort ins Auge sticht, ist die bunte Vielfalt der Insel: Stechginster, Heidekräuter, Fuchsien, dazu blaue Zäune, grünes Gras, das Meer. Die Sonne scheint zudem, das Festland ist weit entfernt. Im Südwesten lockt ein Blick auf den Leuchtturm "La Jument", ein wahres Meisterwerk nautischer Architektur mitten im Atlantik gelegen.

Die Bauarbeiten auf dem herausragenden Fels dauerten schließlich auch über 30 Jahre, bis die endgültige Fertigstellung verkündet werden konnte. Wenig spektakulär ist hingegen der einzige Ort der Insel. Trotzdem laufen in Lampaul die wenigen Wege zusammen und bieten verschiedenste Möglichkeiten der Verköstigung, so klassischerweise Crépes und Galettes.

Doch auch wahre Raritäten finden sich auf mancher Speisekarte. Die Schafe der Insel genießen nicht nur das milde Klima, sie bereiten sich durch die Aufnahme des Futters auch selbst für eine köstliche Mahlzeit zu. Ähnlich dem normannischen agneau de pré salés, sorgt die salzhaltige Nahrung nahe am Meer für ein außergewöhnliches Geschmackserlebnis. Wer hingegen Meeresfrüchte auf Sauerkraut probieren möchte, wird hier ebenso fündig.

Linsen und Seezeichen

In den Nordwesten der Insel führen kleine, von Mäuerchen gesäumte Straßen. Eine Windmühle steht am Wegesrand, doch die Attraktion ist der 55 Meter hohe Leuchtturm Phare du Créac’h, welcher als leuchtstärkster Europas gilt. Im Inneren gibt es zahlreiche Linsen und Seezeichen zu bestaunen, welche anschaulich die Bedeutung der Leuchtfeuer für die Seefahrt erklären. Gefährliche Strömungen und versteckte Felsen rund um die Insel sind bei den Seemännern seit jeher gefürchtet. Nicht umsonst behauptet ein französisches Sprichwort: Wer Ouessant sieht, sieht sein Blut.

Für die Männer des Eilandes war damit der Fischfang unmöglich. Die Marine und Handelsschiffe waren Hauptarbeitgeber. Die zurückgelassenen Frauen organisierten das kärgliche Leben. Im Inselmuseum wird gelebte Geschichte gezeigt.

Reiche Beute

Hier wird deutlich, dass der mangelnde Baumbestand und die generelle Armut, andere Mittel zur Beschaffung begehrter Dinge notwendig machten. An Land gespülte Schiffe versprachen reiche Beute, so wurden kurzerhand die Leuchtfeuer versetzt und damit das Ende der Seemänner an den Klippen eingeläutet. Das Strandgut wurde fleißig gesammelt und samt und sonders verarbeitet, so etwa Planken zu Tischen und Bänken. Doch auch die moderne Navigation hat die Gefahren der See nicht beseitigen können, wie etwa der gesunkene Öltanker Amoco Cadiz 1978 zeigt. Die ölverseuchten Küsten machten den Bewohnern lange zu schaffen.

Die Frau des Leuchtturmwärters

Ein völlig anderes Bild zeigt der Regisseur Philippe Lioret, der mit seinem Liebesfilm "Die Frau des Leuchtturmwächters" der Insel ein cineastisches Denkmal setzte. Viel Romantik verstreut die Enge des kleinen Museums nicht. Unzählige winzige Betten lassen auf große Familien auf kleinem Raum schließen.

Nach dem Verlassen des Hauses heißt es daher tief durchatmen, immer das weite Meer vor Augen. Die Straße führt weiter in den Nordosten, wo unterwegs zahlreiche Bienenvölker summen. Die Varroamilbe, die im übrigen Europa eine kaum zu beherrschende Plage ist, beschäftigt die Imker hier nicht. Der Nektar der dunklen bretonischen Bienen besticht durch außergewöhnliche Qualität.

Für selbige steht auch Sébastien de Vauban, Festungsbaumeister Ludwigs XIV., der die Pläne für einen der ältesten Leuchttürme Frankreichs lieferte. Von dort ist auch wieder der Hafen im Blick. Doch spätestens jetzt ereilt uns das Gefühl, bleiben zu wollen. Der mittlerweile fünf Meter höhere Wasserstand lädt ebenfalls nicht zur Rückfahrt ein, vielmehr locken die chambre d’hôtes zum Bleiben.

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