Frech, fröhlich, frei – ein Kinderleben könnte so pippilangstrumpffein sein

Von Daniela Christl   07.Februar 2011

OÖN: Die meisten Eltern wollen doch nur „das Beste“ für ihr Kind?

Doll: Ja, aber das Beste heißt heutzutage oft, die Kleinen möglichst früh von einem Termin zum nächsten zu kutschieren: frühkindliche Musikerziehung, Computer und Englisch für Vorschulkinder, Ballett, Fußball, Klettern... Dabei verlieren die Eltern das Gefühl dafür, was ihr Kind in der jeweiligen Entwicklungsphase braucht.

OÖN: Was fehlt Kleinkindern in unserer Gesellschaft?

Doll: Sie brauchen absichtslose, unverplante Zeit – am besten in der Natur und ohne Programm. Einfach Kind sein dürfen. Dann würden so viele spätere Probleme, wie Unruhe, Übergewicht, Haltungsschäden, Sprachprobleme, etc., erst gar nicht entstehen, weil die Kinder diese Phase ausleben durften.

OÖN: Das klingt ja sehr einfach, warum fällt es in der Praxis so schwer?

Doll: Die Eltern sind verunsichert, wissen nicht, wie sie sich in ihrer Elternrolle definieren sollen. Sie wissen, dass es nicht mit Gewalt funktioniert. So sind sie Freund, Kumpel, Finanzier, wollen ihrem Nachwuchs die besten Startmöglichkeiten bieten, tun sich aber extrem schwer damit, sich als positive Autoritätsperson zu positionieren.

OÖN: Viele Eltern trauen sich schon gar nicht mehr laut zu sagen, dass ihr Kind nicht jeden Nachmittag verplant ist.

Doll: Weil es keinen Wert in unserer Gesellschaft hat, genug Zeit zu haben, um spontan mit den Kindern eine Waldtour zu machen und die Familien-Batterie wieder aufzuladen. Aber erst wenn ich Zeit mit ihnen verbringe, bekomme ich ein Gefühl für meine Kinder.

OÖN: Es ist ja auch viel „ungefährlicher“ für das Kind, wenn ich es immer in guter Betreuung weiß?

Doll: Die Überbehütung wird immer mehr und die Kinder werden immer ungeschickter. Ich muss mir überlegen, welche Radien lasse ich dem Kind, um einmal ohne meine Kontrolle mit gleichaltrigen Freunden draußen zu spielen. Nur so kann es ein gesellschaftlich wertvoller Mensch werden, der Konflikte positiv lösen kann. Am Computer werden Konflikte anders gelöst, nämlich mit Gewalt.

OÖN: Oft sollen dann andere „richten“, was ich nicht mehr schaffe?

Doll: Eltern warten vielfach, bis der Karren schon am Abgrund steht. Es geht darum, rechtzeitig Grenzen zu setzen, liebevoll, aber konsequent, mit einem gesunden Selbstvertrauen in das eigene Bauchgefühl.

OÖN: Wenn meine Kinder brav, ruhig und strebsam sind, bekomme ich ja auch die Bestätigung, eine gute Mutter, ein guter Vater zu sein, oder?

Doll: Eine gute Mutter bietet ihren Kindern die Möglichkeit, dass sie selbst entscheiden, was sie spielen möchten. Und das muss nicht nur pädagogisch wertvoll sein. Da reicht schon ein Tannenzapfen aus, um die tollsten Spielideen zu entwickeln. Ein Kind soll schon lernen, sich höflich zu benehmen. Aber es soll sich auch seine Begeisterungsfähigkeit bewahren dürfen. Kinder brauchen nicht jeden Nachmittag vorgekaute Hirnnahrung und Drill.