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The Old Republic: Jedermann als Jediritter

Von Philipp Hirsch, 11. Februar 2012, 00:04 Uhr
Star Wars Jediritter
Bild: colourbox.com

Was treibt einen Anwalt, einen Industriearbeiter, einen Studenten oder einen Journalisten an, Hunderte Stunden ihrer Freizeit mit einem Computerspiel zu verbringen? Sich sogar Urlaub zu nehmen? Sind Gamer einfach nur Spinner oder haben sie als Erste einen großen Freizeittrend des noch jungen Jahrtausends erkannt? Erklärungsversuche.

"A long time ago, in a galaxy far, far away.“ Für Science-Fiction-Fans ein Satz mit Gänsehaut-Garantie, ist er doch nichts weniger als das Intro zu der bekanntesten Weltraumsaga des Planten Erde – Star Wars. Seit etwas mehr als einem Monat flimmert es nicht nur über Kinoleinwände und Flachbildfernseher. Die Welt der Sternen-Kriege hat sich mit dem Online-Rollenspiel „Star-Wars: The Old Republic“ (SW:TOR) ihren Fans geöffnet. Jeder kann ein Teil der Saga werden, gar seine eigene Geschichte darin schreiben. „Ich sehe das als aktive Freizeitgestaltung. Andere sitzen nur passiv vor dem Fernseher. Hier entscheide ich, was ich sehe“, sagt der Sith-Zauberer Mirlam.

Im wirklichen Leben arbeitet der grimmige Magier als Staatsanwalt in Deutschland. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder. Trotzdem verbringt er zwei bis drei Abende pro Woche in virtuellen Welten. Er sieht es als „Ausgleich zur Realität“. Für Star Wars hat er sich extra Urlaub genommen. Eine Woche lang verbringt er jede wache Minute online. Seine Familie sieht ihm das Hobby nach. „Immer noch besser als ein Fußballfan, der in seiner Freizeit dem Verein hinterherfährt“, sagt seine Frau, „so weiß ich wenigstens immer, wo er ist.“

Der Reiz des Bösen

In einem Rollenspiel dreht sich alles um Auswahl. Zu allererst muss sich der Spieler für eine Seite entscheiden. Will er als Kämpfer der föderalen Republik – etwa als Jediritter – durch unbekannte Welten streifen oder lieber als Mitglied des faschistoiden Sith-Imperiums die Galaxis unterwerfen. Das Böse scheint die meisten Spieler stärker zu reizen, etwa dreimal so viele Imperialisten wie Republikaner erkunden die fremden Welten. Jedoch schreibt das Spiel niemandem vor, ein guter Republikaner zu sein. Genauso gut kann man als mordender Demokrat Unschuldige metzeln oder als subversive Kraft die Pläne des expandierenden Imperiums torpedieren. SW:TOR bietet immer eine Wahl an. Will man zum Beispiel ein Schiff mit Flüchtlingen sprengen, um Angst und Schrecken zu verbreiten, oder lieber als strahlender Retter neue Verbündete gewinnen?

Wie erzählt man solche Geschichten in einem Computerspiel, ohne dabei den Spieler zum Statisten zu degradieren? Diese Frage beschäftigt Spielehersteller seit den Urzeiten von Super Mario. Publisher Bioware beantwortet sie in SW:TOR anders als alle Vorgänger. „The Old Republic“ ist streckenweise mehr Kinofilm als Computerspiel. Das Spiel kommuniziert direkter als alle anderen Vertreter des Genres mit den Gamern. Anstatt einen Auftrag (Quest) von einer virtuellen Pinnwand abzulesen, wird er hier in aufwendig inszenierten Dialogen erklärt.

Gerne werden in unserer von Quartalszahlen und Gewinnmargen getriebenen Welt auch Unterhaltungsprodukte nach ihren Kennzahlen beurteilt. „The Old Republic“ kann hier durchaus beeindrucken. Hunderte Millionen US-Dollar kostete die Produktion. 600 Schauspieler sprachen mehr als 200.000 Zeilen Text, um den Pixelhaufen Leben einzuhauchen. Das Guinness-Buch der Rekorde nahm SW:TOR als umfangreichstes Unterhaltungsprodukt der Geschichte in sein Sammelsurium auf.

Nur wenige Tage nach dem offiziellen Spielstart am 20. Dezember des Vorjahres tummelten sich mehr als eine Million Spieler auf den liebevoll gestalteten Planeten. Zwei Wochen später verkündete Bioware stolz, die zwei Millionen- Marke geknackt zu haben. Ein gutes Geschäft für den Hersteller. Jeder Spieler überweist zwischen elf und 13 Euro pro Monat, um sich einloggen zu dürfen. Der Erfolg eines Online-Rollenspiels zeigt sich allerdings nicht nach wenigen Wochen. Nur wenn es dem virtuellen Sternen-Kriege-Universum gelingt, seine Spieler auf Jahre zu binden, wird SW:TOR am hart umkämpften Markt überleben können.

Star-Wars-Fans sind allerdings keine einfache Kundschaft. Viele kennen sich in der Fantasie-Galaxis besser aus, als der in der realen Welt. Der kleinste Fehler, die unbedeutendste Ungereimtheit lösen leicht einen Sturm der Entrüstung aus. Hier stehen die Entwickler vor gewaltigen Herausforderungen. Sie müssen nicht nur grandiose Inhalte produzieren, sie müssen dabei zusätzlich darauf achten, keine Regeln der komplexen Fantasie-Welt zu brechen.

Keine große Philosophie

Etwa 3600 Jahre vor den Ereignissen der Star-Wars-Filme setzt das Spiel an. Wenige Jahre zuvor wurde die Galaxie durch einen verheerenden Krieg zwischen Sith-Imperium und der Republik ins Chaos gestürzt. Nun herrscht ein brüchiger Friede. Immer wieder kommt es zu Scharmützeln. Während der Spieler seine Figur weiterentwickelt, spinnt sich auch die Geschichte des Konfliktes weiter. Bald scheint klar zu sein: Ein offener Krieg ist unvermeidbar.

Das mag archaisch, brutal und auch dumm klingen, aber Computerspiele werden nicht entwickelt, um philosophische Diskurse zu führen. Sie werden produziert, um zu unterhalten. Und es sind nicht durchwegs pubertierende, nach Männlichkeit lechzende Halbstarke, die online spielen. Immer öfter sind es Anwälte, Ärzte, Arbeiter und Studenten. Sie alle bevölkern die fiktionale Welt von „The Old Republic“. Sie schwingen Lichtschwerter, ballern mit Laserkanonen, rasen mit Raketenrucksäcken über eisige Einöden oder ignorieren die Grenzen der Physik, wenn sie mit dem privaten Raumschiff Tausende Lichtjahre während eines Wimpernschlages überwinden.

Trotzdem gelten Computerspieler im öffentlichen Diskurs maximal als kuriose Spinner, die im schlimmsten Fall einer Sucht verfallen können (siehe Bericht auf der linken Seite).

Jedoch wird die Computerspielerei nicht in allen Kulturkreisen so abwertend gesehen. In Südkorea würde ein angehender Bankmanager seine Spielerfolge durchaus in den Lebenslauf aufnehmen. Erfolgreiche Gamer haben dort Fangemeinden wie hierzulande Skifahrer und füllen bei Turnieren ganze Stadien.

Der Zwang, immer weiterzuspielen

Für manche Computer-Spieler wird ihr Hobby zur Belastung. Sie verlieren die Kontrolle über ihr Tun und stürzen in die Sucht. „Noch bis zum nächsten Level“, „Nur noch den einen Gegner“, jeder Spieler kennt diese Gedanken. Werden diese Überlegungen allerdings zwanghaft, beginnt jemand die Belange der realen Welt dem Virtuellen unterzuordnen, spricht man von Videospielsucht. Verschiedenste internationale Studien bestätigen, dass etwa jeder zwanzigste Spieler suchtähnliches Verhalten zeigt.

Computerspielen wird zum Mittelpunkt des Lebens und Denkens. Sobald der PC nicht läuft, kommt dieses unstillbare Verlangen nach der virtuellen Welt. Bekommt der Spieler seine Dosis nicht, reagiert er mit Nervosität und Unruhe, auch Schweißausbrüche und Zittern wurden von Therapeuten bereits dokumentiert. „Exakte Zahlen über die Süchtigen gibt es nicht. Vor allem weil es noch ein recht junges Phänomen ist“, sagt Kurosch Yazdi, Leiter der Spielsucht-Ambulanz an der Landesnervenklinik in Linz.

Wie entsteht eine Sucht nach virtueller Zerstreuung? Die meisten Ursachen-Theorien drehen sich um die Belohnungssysteme der Spiele. Insbesondere die Hersteller von Internet-Rollenspielen wie „World of Warcraft“ stehen in der Kritik. Während diese die Vorwürfe zurückweisen, werfen ihnen die Gegner vor, mit dem Suchtpotenzial gezielt zu kalkulieren. Yazdi: „Viele Süchtige sublimieren Probleme, die sie in der Realität haben, mit dem Spiel. Während sie im wirklichen Leben vielleicht dauerhaft arbeitslos mit geringem sozialem Ansehen sind, können sie sich im Spiel als gefürchtete Krieger einen Ruf aufbauen.“

In Asien hat man längst auf das neue Krankheitsbild reagiert. Mehrere Todesfälle, die direkt auf die Erschöpfung durch das Spielen zurückzuführen sind, sind gut dokumentiert. Seitdem unterhalten China und Südkorea eigene Behandlungszentren für Videospielsüchtige.

„Die meisten Abhängigen, die wir behandeln, sind solchen langwierigen Spielen verfallen. Manche spielen bis zu 100 Stunden pro Woche. Umso länger man spielt, desto höher sind die Chancen auf einen Aufstieg in höhere Levels. Dieses System fördert natürlich die Entwicklung von süchtigem Verhalten. Erwachsene nehmen sich dafür sogar Urlaub, nur um dann eine Woche durchgehend zu spielen“, sagt Yazdi.

Das Ausmaß des Problems wird laut dem Facharzt heute noch stark unterschätzt. „In 20 Jahren wird die Sucht nach solchen Rollenspielen wahrscheinlich Ausmaße angenommen haben, die wir uns heute gar nicht vorstellen können.“

Kleine Computerspiel-Kunde für Newcomer

Genauso wie Theaterstücke oder Filme lassen sich auch Computerspiele in Genres unterteilen. Sie unterscheiden sich durch die Art der Interaktion des Spielers mit der virtuellen Welt und durch ihre grundlegenden Mechaniken.

- Geschicklichkeitsspiele: Sozusagen die Einstiegsdroge für Spieler. Es gibt wohl noch kaum jemanden, der noch nie bei „Tetris“ die Blöcke sortierte oder bei „snake“ versuchte, die flinke Schlange nicht zu verwursteln.

- Beat’em up: Zwei Kämpfer in einer Arena schlagen sich, bis einer von beiden nicht mehr aufsteht. „Street-Fighter“, „Mortal Kombat“ und „Tekken“ sind die bekanntesten Vertreter dieser Spiele-Zunft.

- Jump’n Run: Wie der Name bereits verrät, geht es ums Laufen und ums Springen. Bis heute – trotz großer Einbrüche in den vergangenen Jahren – mit Sicherheit das bekannteste Genre. Der heldenhafte Klempner „Super Mario“, der seine schöne Prinzessin Peach aus den Fängen des bösen Bowser befreien muss, eroberte vor mehr als zwei Jahrzehnten erstmals die Bildschirme.

- Hack ’n Slay: Hier kämpft der Held alleine gegen endlose Gegnerhorden. Eine Spiele-Reihe des Genres dominiert alle anderen: Die Blizzard-Titel „Diablo“ 1 und 2 sind Kult. Der dritte Teil ist laut Hersteller in Arbeit.

- Shooter: Sie bestimmen die öffentliche Diskussion. Kritiker werfen den „Baller-Spielen“ vor, dass bei Konsumenten die Grenze zwischen Virtuellem und Realem verschwimmt. Bis heute dominiert das Spiel „Counter-Strike“ die Szene.

- Sport-Spiele: Fußball, Eishockey, Basketball, Skifahren und selbst Curling gibt es bereits auf dem Bildschirm. Wie im wahren Leben hat König Fußball vor allem dank der Spielereihe „FIFA“ bei den Absatzzahlen die Nase vorn.

- Strategie: Spielen meist in dystopischen Welten, in denen der Spieler die virtuelle Herrschaft über ganze Armeen übernimmt. „Starcraft“, „Warcraft“ und „Command&Conquer“ sind Gamern ein Begriff.

- Simulationen: Gibt es inzwischen für nahezu alles. Ganz am Anfang standen die Flugsimulatoren. Heute kann der Spieler auch in die Haut eines Panzerfahrers oder Schiffskapitäns schlüpfen.

- Massive Multiplayer Online Roleplaying Games (MMORPG): Hier tummeln sich Zigtausende von Spielern zeitgleich in gewaltigen Spielewelten. Branchenprimus „World of Warcraft“ zittert inzwischen vor Neuerscheinungen wie „Star Wars: The Old Republic“.

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