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"Mir gefällt nicht alles, was meine Partei vertritt"

Von Erik Famler, 31. Juli 2015, 00:04 Uhr
"Mir gefällt nicht alles, was meine Partei vertritt"
Noch flott unterwegs ist der grüne Methusalem Richard Sedlacek. Bild: fam

THALHEIM. Richard Sedlacek hat Appetit auf ein politisches Amt. Mit 92 Jahren durchaus ungewöhnlich. Für die Grünen kandidiert der agile Pensionist aus Thalheim bei den nächsten Gemeinderatswahlen.

Als 92-Jähriger bewirbt sich der Thalheimer Richard Sedlacek als landesweit ältester Kandidat um einen Gemeinderatssitz. Wie er als spätberufener Politiker seine Liebe zu den Grünen entdeckte, erzählt der gebürtige Wiener der Welser Zeitung.

 

Welser Zeitung: Sie sind noch topfit und täglich mit dem Rad unterwegs.

Richard Sedlacek: Ich war immer ein Sportler. Bis zu meinem 76. Lebensjahr habe ich sogar an Seniorenradrennen teilgenommen. Dann sagte mir ein befreundeter Internist: Richard, mach es, aber übermach’ dich nicht. Mit dem Rennrad bin ich noch immer unterwegs. Zuletzt am Sonntag – da habe ich 20 Kilometer heruntergespult.

Beachtlich. Und jetzt starten Sie politisch durch.

Ich habe mich nicht beworben. Man hat mich ersucht. Ich habe schon grün gedacht, da gab es noch gar keine Grünen.

Wie ist das zu verstehen?

Schauen Sie, ich bin im ersten Wiener Gemeindebezirk zur Welt gekommen. Genauer gesagt im Palais Esterhazy – nicht im Palais selbst, sondern dahinter, wo meine Eltern eine Wohnung hatten. Die Großstadt hat mir nie gefallen. Am glücklichsten war ich in den Ferien, wenn meine Eltern mit mir und meinem Bruder zur Sommerfrische aufs Land fuhren.

Sie wurden noch eingezogen und erlebten den Krieg als Soldat.

Ich überlebte wegen einer Glücksverletzung.

Was ist denn das?

Wenige Meter neben mir ist auf der Krim eine Kanonengranate eingeschlagen. Die hat mir eine schwere Hals- und Armverletzung zugefügt. Das Blut ist zwei Meter weggespritzt. Der Splitter im Hals wurde nie entfernt. Durch diese Verletzung bin ich ausgeflogen worden. In Halle an der Saale hat mir ein Chirurg den Arm gerettet. Ich hatte viele Schutzengeln.

Wie haben Sie als Spätberufener zur Politik gefunden?

Das war ein halbes Jahr vor der letzten Gemeinderatswahl. Die Grünen haben mich damals zu einer Informationsveranstaltung geladen. Dort war ich und bin mit ihnen ins Gespräch gekommen. Ich habe dann an Einladungen zu Kursen und Versammlungen teilgenommen, war überall dabei. 2009 habe ich auch schon kandidiert und bin Ersatzgemeinderat geworden. Im Wohnungsausschuss habe ich aktiv mitgearbeitet.

Welche Partei haben Sie gewählt, als es die Grünen noch nicht gab?

Immer die Kleinste. Nach dem Krieg war das der Verband der Unabhängigen, aus dem heraus die FPÖ entstand. Dann war ich lange Zeit ein Blauer.

Warum nicht SPÖ oder ÖVP?

Weil mich deren Packelei immer gestört hat. Dieser schreckliche Filz hat mir schon nach dem Krieg missfallen.

Haben Ihnen die Grünen Ihre blaue Vergangenheit nicht verübelt?

Was heißt Vergangenheit? Ich war ja nie Parteimitglied. Die Freiheitlichen waren damals die Einzigen, die sich mit Umweltthemen auseinandersetzten. 1986 hat dann der Jörg Haider den Norbert Steger weggeputscht. Als ich mir die Haider-Rede anhörte, war mir klar, dass ich diese Partei nicht mehr wählen kann.

Was hat Sie so gestört an dieser Rede?

Es war ja nicht nur die Rede. Der Haider war schrecklich. Der hat am Nachmittag das Gegenteil vom Vormittag gesagt. Zuerst hat er geschimpft über die Regierung, dass sie nicht der EU und der Nato beitreten. Vier Wochen später war er der größte Gegner eines EU-Betritts.

Wie gefällt Ihnen die Politik der Grünen?

Mir gefällt nicht alles, was meine Partei vertritt. Es ist aber auch den Grünen nicht möglich, aus einer vollkommen falschen Weltpolitik auszusteigen.

Das verstehe ich jetzt nicht.

Wir bilden uns alle ein, in einer Demokratie zu leben. Tatsächlich leben wir in einer Diktatur des Großkapitals, aus der man nicht aussteigen kann.

Aber Sie wissen noch Bescheid über Not und Elend früherer Zeiten. Den Menschen geht es heute doch viel besser als damals.

Das schon. Aber heute kannst du mit produktiver Arbeit nicht reich werden. So viel kann man doch gar nicht arbeiten. Reich wird man nur dann, wenn man spekuliert. Spekulanten sind in meinen Augen Diebe.

Zurück zur Gemeindepolitik. Welche Ziele verfolgt der grüne Kandidat Richard Sedlacek?

Wir haben als kleine Fraktion schon viel erreicht, vor allem verkehrstechnisch. Im Wohnungsausschuss ist es wichtig, dass die Wohnbauförderung und die Vergabe richtig gehandhabt werden. Ob ich in den Gemeinderat einziehen werde, ist unwahrscheinlich. Ich wurde auf eigenem Wunsch weit nach hinten gereiht.

Und Ihre persönlichen Ziele?

Ich will alt genug werden, damit meine Gattin die Witwenpension bekommt. Ich bin mit einer jungen Frau verheiratet, die heuer 60 wird. Sie kommt aus Tschechien und war Pflegerin meiner ersten Frau. Da war aber noch nichts. Die Liebe zu ihr hat sich erst später entwickelt. Da war meine erste Frau schon tot.

Machen junge Frauen Männer auch jung.

Kann schon sein. Sie ist jedenfalls öfter krank als ich (lacht).

Wie viele Jahre müssen Sie noch durchhalten, um Ihr persönliches Ziel zu erreichen?

Noch drei Jahre. Das könnte sich ausgehen. Meine Schultergelenke sind zwar kaputt von der Arbeit, aber sonst habe ich keine Beschwerden.

 

Zur Person

Richard Sedlacek wuchs in Wien auf, wo er Volks- und Hauptschule absolvierte. Sein Vater war begeisterter Nationalsozialist und starb zwei Wochen, bevor der Sohn aus amerikanischer Gefangenschaft zurück-kehrte.

Nach 1945 arbeitete der Kriegsversehrte in der Textilbranche. Als Betriebsleiter der Firma Neuditschka kam Sedlacek nach Wels. In den 1960er-Jahren wechselte er nach Niederösterreich zur Firma Portex, einem Tochterunternehmen von Porsche Austria, wo er 60-jährig in Pension ging. Sedlacek frönte bis ins hohe Alter dem Sport. Neben dem Radsport war er begeisterter Skifahrer und Bergsteiger. 26 Mal durchstieg er die Welser Route in der Schermberg Nordwand. Zuletzt im stolzen Alter von 81 Jahren. Daneben bezwang er mehrere Viertausender in den Alpen.

Der Thalheimer ist in zweiter Ehe verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Einer seiner Söhne arbeitet als Computer-Spezialist an der TU Wien, sein zweiter Sohn ist Bautechniker.

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12  Kommentare
12  Kommentare
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gumba (2.891 Kommentare)
am 03.08.2015 02:20

gscheiter mann und jung geblieben grinsen

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Helmut1941 (850 Kommentare)
am 31.07.2015 13:23

Bevor ich den Bericht gelesen hatte, rümpfte ich die Nase!

Was soll ein so alter Mann in der Politik?

Als ich aber die Antworten auf die gestellten Fragen gelesen habe, musste ich eingestehen, dass er erfrischend ehrlich ist, was man von unseren Politikern in Wels, aber auch in Thalheim nicht gewöhnt ist!

Es heißt ja immer die Jungen an die Macht! Von dem halte ich nicht wirklich viel! Ich bin dafür, dass ehrliche Leute mit Lebenserfahrung Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen.

Selten einen politisch ambitionierten Menschen erlebt, der die wirklich Schuldigen, so klar beim Namen genannt hat.

Meine Stimme hätte er!

Und um es auf den Punkt zu bringen - Lieber ein 92 Jähriger mit Hausverstand, als ein 32 jähriger Studierter Theoretiker (Übersetzung: Fachdepp)!

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Floko1982 (2.957 Kommentare)
am 31.07.2015 14:05

ahhh ein bisserl Akerdemikerneid, gell, ..... naja es schaft nicht jeder duch die Uni, ......

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Helmut1941 (850 Kommentare)
am 31.07.2015 14:11

ich muss sie enttäuschen ich zähle zu der gruppe, aber profitiert habe ich nur bedingt vom Studium, sondern von meinem hausverstand!

ich spreche aus Erfahrung, da ich in meinem Berufsleben viele dieser Theoretiker unter mir hatte - da ist mir jeder lehrling mit hausverstand lieber - begreifen meist schneller, da Praktiker!

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Mr.Curiosity (239 Kommentare)
am 31.07.2015 09:33

Schlimm, wenn eine Partei keinen jungen Mitglieder mehr bekommt und auf über 90jährige zurückgreifen muss. Vielleicht ist das der Anfang vom Ende der Grünen in Wels - werden bei solchen Parteimitgliedern ja bald aussterben.

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schallimar (689 Kommentare)
am 31.07.2015 21:08

Danke, dass Sie sich Gedanken um unsere Zukunft machen. Ich kann Sie aber beruhigen, wir Thalheimer Grüne sind gut aufgestellt. So viele Aktive wie heuer hatten wir noch nie auf der Liste. Wir sind aber auch stolz darauf, dass bei uns Aktivisten wie Richard mit von der Partie sind.

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Dschibril (230 Kommentare)
am 02.08.2015 20:59

Thalheim, nicht Wels. Genau lesen, dann kritzeln.

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Gugelbua (31.807 Kommentare)
am 31.07.2015 08:37

grinsen
auf den Rat der Alten hört man nur noch bei Naturvölkern, selbst da hat das Internet schon die Oberhand grinsen

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mitreden (28.669 Kommentare)
am 31.07.2015 08:10

nun steht er in der zeitung, welche freude........

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( Kommentare)
am 31.07.2015 07:50

Wpw ..alle Ehre..So einen Elan möcht ich im Alter auch haben. ..

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Pepunkt (28 Kommentare)
am 31.07.2015 05:45

habediehre, der bringt sicher frischen wind!

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Pepunkt (28 Kommentare)
am 31.07.2015 05:52

nachtrag: persönliche ziele: "ich will alt genug werden, damit meine frau die witwenpension erhält!" ein richtiger vollblutpolitiker! zumindest hat er ein demokratieverständnis, weil bei dem alter war er wahrscheinlich dabei als die demokratie erfunden wurde!!

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