Wahlsieger muss um Parlamentseinzug zittern
STEYR, KIRCHDORF. Vogl (SP) und Deimek (FP) als Regionalmandatare fix. Singer macht VP-eigenes Vorzugsstimmenmodell zu schaffen.
Auf den Flachbildschirmen leuchteten die immer sichereren Hochrechnungen, es gab zur Feier des Tages Craft-Bier und Würstel, aber das Partyzelt neben der Steyrer VP-Bezirksparteileitung blieb Sonntagabend trotzdem halbleer. Anstatt auf die wahrscheinliche Kanzlerschaft Sebastian Kurz’ mit einem Gläschen anzustoßen, umringten der Steyrer Bezirksparteiobmann und Nationalrat Johann Singer (VP) und seine Funktionäre den Computer, neugierig auf jedes Sprengelergebnis.
Stimmungstöter war der Bezirkskandidat aus Gmunden, Arno Perfaller aus St. Wolfgang, der für seine Vorzugsstimmenkampagne alle seine Freunde, Bekannten und Parteileute in Bewegung setzte. Für Johann Singer fing die von der neuen türkisen Bewegung verordnete Vergabe der Parlamentssitze bei einer Höherbewertung der Vorzugsstimmen über das Gesetzesmaß hinaus an, ungemütlich zu werden. Dazu musste er sich noch am Wahlabend als Schiedlberger Bürgermeister mit der Nachrede herumschlagen, dass die VP in seiner Gemeinde als eine der ganz wenigen im Bundesgebiet mit minus 2,2 Prozent Stimmen eingebüßt hat. "Wir haben 25 Prozent Wahlkartenwähler, das verzerrt das Ergebnis ungemein", kontert Singer, zudem hält die VP mit 56,7 Prozent bei einer Nationalratswahl in Schiedlberg immer noch einen einsamen Rekord.
Umstrittene Vorzugsstimmen
Die Konkurrenz um Singers Wiedereinzug ins Parlament ist hausgemacht. Die neue Regel, dass jeder Kandidat um Vorzugsstimmen laufen müsse und ein vorderer Listenplatz kein Sicherheitsgurt mehr sei, haben Perfallers Parteifreunde generalstabsmäßig umgesetzt: Das Salzkammergut soll damit endlich wieder einen Abgeordneten im Parlament haben. An jedem Stadeltor und an jeder Gartenmauer wurde nur noch für Perfaller plakatiert und nicht für den Spitzenkandidaten im Traunviertler Wahlkreis, der Johann Singer heißt.
Singer blieb nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Wie jeder VP-Kandidat unterschrieb er einen obligaten Privatvertrag, mit dem er sich der Höherbewertung der Vorzugsstimmen über das Wahlgesetz hinaus unterwirft, im Falle des Falles, dass ihn einer überholt. "Dieses Modell der Vorzugsstimmen hat sicher zu mehr Mobilisierung und zum Erfolg für Sebastian Kurz beigetragen und war daher richtig", sagt Singer artig, "ob das aber auf Dauer der Weisheit letzter Schluss ist?" Am Wahlabend wünschte man in der VP-Bezirksparteileitung das Vorzugsstimmenmodell, das die ÖVP Niederösterreich um den jetzigen Innenminister und seinerzeitigen Waidhofner Bürgermeister Wolfgang Sobotka (VP) erfunden hatte, zum Teufel. "Das ist das beste Mittel, um eine Mannschaft zu entzweien, die gemeinsam laufen soll", sagte ein hoher Funktionär bewusst in Hörweite der OÖN.
Die Wahlbehörde an der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land zählte gestern bis in den Abend die Vorzugsstimmen, die dann noch in den Rechenmodus umgesetzt werden mussten, den sich die VP selbst auferlegt hatte. Natürlich haben sich die Bewerber bei Anrufen wenigstens mit Stichproben versorgt. "Fix ist nichts, aber es scheint für mich gut auszuschauen", sagte Johann Singer. Sein parteiinterner Rivale Arno Perfaller glaubte gestern auch nicht mehr daran, ins Parlament zu kommen.
Sichere Regionalmandate
Bei den anderen Parteien können es die Amtsinhaber ruhiger angehen lassen. Das Regionalmandat des Steyrer Bezirksparteiobmannes und Wahlkreis-Spitzenkandidaten Markus Vogl (SP) war schon bei der vorangegangenen Nationalratswahl gut abgepolstert. Mit dem Sonntagsergebnis ist der MAN-Betriebsratsvorstand der Angestellten fix wieder im Hohen Haus. Über Verschiebungen auf der Bundes- und Landesliste könnte auch noch die Bürgermeisterin von Altmünster, Elisabeth Feichtinger (SP), ins Parlament nachrücken.
Bei den Freiheitlichen kann Nationalrat Gerhard Deimek (FP) nach dem guten Abschneiden der Blauen in der Region mit noch mehr Selbstbewusstsein nach Wien fahren, seine Parlamentslaufbahn geht ungehindert weiter.
Die Grünen stehen vor einem Scherbenhaufen. Schon die Nachbesetzung des Mandats des langjährigen Agrarsprechers Wolfgang Pirklhuber mit dem Gmundner Biobauern Clemens Stammler erfolgte nicht ohne Brüche. Pirklhuber war nicht der einzige Profi in der Öko-Partei, der von nachdrängenden Jüngeren abmontiert wurde. Stammler hätte zur Absicherung des Mandates zumindest rund 6,5 Prozent im Wahlkreis benötigt, was in besseren Tagen der Grünen keine Herkulesaufgabe gewesen wäre. Nach dem am Sonntag erlittenen Debakel würde es Stammler auch nicht reichen, schafften die Grünen nach der Auszählung der Wahlkarten doch noch die Vier-Prozent-Hürde zum Einzug ins Hohe Haus.