Tempobolzerei mit 0 PS auf dem Formel-1-Kurs
AMSTETTEN, SPIELBERG. Der Amstettner Wilhelm Absenger erfüllte sich und den jungen Rennfahrern einen Kindheitstraum: Die erste Seifenkisten-WM auf dem Red-Bull-Ring.
"Es ist sagenhaft, wie viel Gefühl die Kinder haben. Denn jede Lenkbewegung kostet Zeit", sagt Wilhelm Absenger aus Amstetten. Der 67-Jährige stellte gerade die erste Seifenkisten-Weltmeisterschaft (WM) Europas auf die Beine. Austragungsort war der Red-Bull-Ring in Spielberg, wo sonst Formel-1-Boliden über die Strecke donnern.
In den USA finden Seifenkisten-Weltmeisterschaften schon seit über 60 Jahren statt. "Vor vier Jahren habe ich bei den ‚Amis‘ angefragt. Ich erklärte ihnen, dass das bei ihnen keine Welt-, sondern nur Kontinentalmeisterschaften sind, wenn sich maximal ein Kanadier zu ihnen verirrt", sagt Absenger. Der pensionierte Bauunternehmer brachte es mit seinem Verein "Austria Seifenkisten" zustande, die WM erstmals nach Europa zu holen.
Bei der Premiere nahmen Fahrer aus acht Nationen teil, darunter Letten, Niederländer und Bulgaren. Drei Amerikaner, die gemeldet waren, sagten kurzfristig wieder ab. "Vielleicht haben sie von ihrem Verband eine über den Deckel bekommen", sagt Absenger über die transatlantischen Seifenkisten-Spannungen. Dafür mussten die deutschen Starter kontingentiert werden, "sonst wären wir numerisch untergegangen."
Messung auf Tausendstel genau
Gegen die Fahrtrichtung von Sebastian Vettel und Co. ging es für die Piloten der Null-PS-Boliden die Zielgerade der steirischen Formel- 1-Strecke abwärts. Dadurch benötigte die Seifenkisten-WM eine eigene Zeitmessung. Thomas Buchta, Diplomingenieur für Messtechnik, half kurzerhand aus und entwickelte einen Lichtschranken auf Tausendstelsekunden genau. "Das kostet das gleiche Geld."
Die Pioniere seien zunächst belächelt worden. Doch gleich im ersten WM-Lauf rasten drei Seifenkisten-Piloten auf die Tausendstelsekunde genau zur selben Zeit durchs Ziel. Die Schnellsten erreichten eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 44 km/h und Spitzen von rund 80 km/h – ohne Motor, angetrieben nur von der Schwerkraft. "Je schwerer du bist, desto schneller wirst du beim Schub", weiß Absenger.
Drei Talente seines Vereins fuhren bei der WM aufs Podest: In der Klasse "Rookies", den jüngsten Teilnehmern von sieben bis zwölf Jahren, erreichte der Ardagger Fabian Schachner (10) die Bronzemedaille. Dasselbe Spitzenresultat gelang dem Waldviertler Stephan Schandl in der Klasse bis 18 Jahre und dem Weyrer Alexander Stangl (18) in der Erwachsenen-Klasse.
Die erste Seifenkisten-WM auf europäischem Boden sei "bombig angekommen", auch bei den Verantwortlichen am Red-Bull-Ring. "Sie sind an mich herangetreten und möchten kommendes Jahr in Spielberg die Österreichischen Staatsmeisterschaften im Seifenkistenfahren mit internationaler Beteiligung ausrichten", sagt Absenger, der neben der WM-Koordination bereits 78 Seifenkisten händisch gefertigt hat. "Dieses Know-how möchten wir als Verein an Schulen weitergeben, weil es eine sinnvolle handwerkliche Beschäftigung ist und das Seifenkisten-Fahren einfach Spaß macht."