"Karl Marx kritisierte die Religion, er hasste aber Gott nicht"
AMSTETTEN. Deutscher Theologe Kuno Füssel durchleuchtete bei Abend der ACUS in Amstetten Verhältnis des Philosophen zum Glauben.
Auf Einladung von ACUS Amstetten (Arbeitsgemeinschaft Christentum und Sozialdemokratie) referierte der bekannte deutsche katholische Theologe, Buchautor und Mathematiker Kunibert (Kuno) Füssel über das Verhältnis von Karl Marx zum Christentum. Anlass der Diskussion, zu der der bekannte "Rote Kaplan" Franz Sieder einlud, war der 200. Geburtstag von Marx. Füssel, der ein Spezialist für das Verhältnis Marxismus und Christentum ist, ist inspiriert von Johann Baptist Metz, dem Begründer der politischen Theologie.
Füssel erzählte den Lebensweg von Marx nach, der ein getaufter Jude war und der viele Anleihen aus der hebräischen Bibel genommen habe. Theologische Fragestellungen seien durchaus bei Karl Marx vorgekommen, auch wenn Marx ein radikaler Religionskritiker gewesen sei. Bei Marx habe die Glaubenspraxis vor dem Spekulativen Vorrang gehabt, das sieht Füssel heute auch bei Papst Franziskus, den er würdigt. "Es ging Karl Marx also um die Priorität der Praxis." Füssel berichtet, dass – wenig bekannt – sogar im Raum stand, dass Marx einen theologischen Lehrstuhl in Bonn annehmen sollte. Marx habe nicht die Abschaffung der Religionen gefordert, sondern vielmehr ein verhimmlischtes Leben für die Menschen, also eine Umwandlung der Gesellschaft, bei der die Mächtigen vom Thron gestoßen werden. Aus Sicht Füssels vereine Christen, Marxisten und Kommunisten, dass sie in der jüdischen Tradition der Befreiung stünden. Hier würden sich Befreiungstheologie, Christentum und Karl Marx gut treffen.