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Im Frühtau zu Berge mit Planabfahrt 2.59 Uhr

Von Hannes Fehringer   17.August 2015

Die Mütze Schlaf war klein, schon eine halbe Stunde nach Mitternacht rasselte bei Walter und Michael Hochrainer aus Wels der Wecker. Vater und Sohn packten die Rucksäcke um und stiegen in der Dunkelheit ins Auto. Auf dem Steyrer Lokalbahnhof waren die Lichter schon an und die Lokomotive "Sierning" schnaubte Dampfschwaden in den Nachthimmel. Maschinist Wolfgang Hausleitner und seine Heizer hatten zwei Stunden früher als sonst Kohle geschaufelt und den Kessel befeuert.

Im 30. Jahr als Betreiber der Steyrtalbahn als nunmehriges Museum hat sich die Österreichische Gesellschaft für Eisenbahngeschichte (ÖGEG) etwas Besonders einfallen lassen. "Wir haben den Bergsteigerzug wieder aufleben lassen, der 1965 im Sommer jeden Sonntag in aller Herrgottsfrühe losfuhr, um die Wanderer in die Berge zu bringen", erzählt Harald Süß, der die rote Kappe des Fahrdienstleiters trägt und nebenher auch die Pressearbeit für die ÖGEG macht.

Bei der Herrgottsfrüh verweigerte gestern die Bahnhofsuhr auf dem Lokalbahnhof in Steyr die Echtzeit und ließ ihre Zeiger stur auf zehn nach zwölf stehen. Letztendlich stiegen 22 Unentwegte ein, für die Morgenstund Gold im Mund hatte, während Eisenbahnfotografen mit ihren Kamerastativen und Baustellenscheinwerfer den Bahnsteig in Beschlag nahmen. Der Zug dampfte fast etwas verstohlen ab, kein schriller Ton und kein lautes Zischen kam der Lokomotive aus. "Wir haben die Bahnübergänge mit Personal mit Warnleuchten abgesichert, damit wir die Bevölkerung nicht mit Pfiffen aus dem Schlaf reißen", sagte Süß.

Sarah Pallauf aus Garsten schaukelte mit ihrem Vater Reinhard Pallauf in dem Waggon, den es über die Weichen rüttelte. Die einzigartige Gelegenheit des gestrigen Sonntags, mit dem Frühzug wie einst die Großeltern in die Berge zu fahren, wollten sich die beiden nicht entgehen lassen: "Zu diesem Zeitpunkt aufzustehen und loszugehen ist doch etwas Besonderes und die Mühe wert", sagte der Lehrer.

Der Blick aus dem Fenster verlor sich in einer stockfinsteren Nacht. In Aschach/Steyr, auf halber Strecke, waren die 26 Passagiere, die sich zur Nachtfahrt überwinden konnten, komplett: Die Brüder Bernhard und Christian Nietrost stiegen mit ihren Ehefrauen Eva und Sandra zu, nachdem sie als harter Kern von zehn Interessierten übrigblieben, die sich über E-Mail zur zeitigen Zugfahrt und Wanderung zur Grünburger Hütte verabredeten. "Mit der Ausfallsquote muss man bei so etwas rechnen", schmunzelte Bernhard Nietrost, Professor an der HTL in Steyr.

Die einstündige Bummelzugfahrt zum Endbahnhof in Grünburg verflog in Windeseile, die Müdigkeit auch. Anekdoten vom "Schnauferl", der Schmalspurbahn, machten die Reise kurzweilig. Ein Fahrgast erzählte, wie die Polizei einst in Grünburg den Schiedsrichter, der mit der Bahn zum Match angereist war, zum Bahnhof eskortieren musste. "Die erbosten Fans waren auch nicht auf der Nudelsuppe dahergeschwommen", wusste ein Mitreisender, "sie fassten den Referee eben dann beim nächsten Halt in Waldneukirchen aus dem Zug".

Die Geschichte unterhielt die Wanderer beim zweieinhalbstündigen Aufstieg zur Grünburger Hütte. Auch die Wirtsleute Peter und Anja Raunig hatten nicht viel geschlafen: Um halb sieben stand für die eintreffenden Wanderer das Frühstück bereits auf dem Tisch.

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