Frau zockte einsame, ältere Herren mit Lügengeschichten ab, Familie half mit

Von Hannes Fehringer   14.Februar 2018

Das Familienleben muss die Hölle auf Erden gewesen sein. "Wenn ich von der Schule heimgekommen bin und mittag gegessen habe, spritzte daneben Blut", erzählte gestern Chiara K. (21) dem Schöffengericht am Landesgericht Steyr. Während sie Suppe löffelte, sei ihre Mutter Floretta P. von ihrem Papa Alberto B. gepeinigt worden. Der Prügelgatte, mehrmals wegen Körperverletzung vorbestraft, habe seine Frau an den Haaren durch die Wohnung gezerrt.

Ein solcher Tyrann ist zum Fürchten. Mit zwölf Jahren schluckte Chiara Tabletten, um zu sterben. Als 14-jähriger Teenager zog sie zur Großmutter, machte eine Lehre, schuftet schwer in der Automobilindustrie, weil sie weg will von "dieser Zigeunerfamilie" – für den Ausdruck entschuldigte sie sich sogleich. Die Montagearbeiterin mit den langen schwarzen Haaren saß als Mitangeklagte neben ihrer Mutter als Haupttäterin auf der Anklagebank, ihre Großmutter bildete einen Puffer zu ihrem Vater. Ihre Eltern hatten sich im Hausierergewerbe der fahrenden Händler und Messerschleifer kennengelernt, bei den Betrügereien sollen alle zusammengeholfen haben.

Chiara leugnet nicht, mit Trauergeschichten einen heute 92-jährigen Mann in Adlwang 12.000 Euro aus der Tasche gezogen zu haben, in dem sie dem Methusalem von einer kostspieligen Gehirnoperation ihrer Mutter und dem ebenso teuren Begräbnis der verstorbenen Großmutter etwas vorgaukelte. Mit dem alten Herren, zum Tatzeitpunkt 85 Jahre alt, hatte ihre Mutter regelmäßig Sex, nachdem sie dem Methusalem den Kopf mit einer angeblichen Liebschaft verdreht hatte. Die Oma, Marietta P. (56), die ein paar Jahre ein Bordell in Grünburg betrieb, kassierte vor ihrem "Tod" ebenfalls ab, bevor die Enkelin geschickt wurde. Insgesamt soll die Familie mit der Masche, über ein Heiratsinserat einen Zahlmeister für die Mutter zu ködern, fünf Junggesellen und Witwer mit Lügengeschichten abgezockt und 300.000 Euro ergaunert haben.

Für Verteidiger Hubert Niedermayr ist der wahre Schuldige jener, der sich vor Richter Christoph Mayer "teilgeständig" bekannte und dann so gut wie gar nichts zugab. Alberto B. will von den Machenschaften gewusst, sie aber des Familienheils wegen verschwiegen haben. Dabei hatte er auch zugestehen müssen, dass er bei einem Bauern in Ybbsitz Brennholz geholt, sich als Bruder ausgegeben und dann seine Frau mit dem Liebhaber mit dem Handy beim Sex gefilmt hat. "Warum machen Sie so etwas?", fragte Niedermayr, für den glasklar ist, dass der Mann der Kopf der "Bande" (Staatsanwalt Hans-Jörg Rauch) war, die mit brutaler Gewalt zu den Straftaten gezwungen worden sei. Das Urteil soll heute erfolgen.