Die Forelle darf beim Schubertfest ein Bratfisch sein
Der Besucherschwund war vergangenes Jahr bestürzend. Intendant Karl Michael Ebners Neuanlage des Festes verdient eine Chance.
Steyr und Franz Schubert: Jedes Kind lernt schon in der Volksschule, dass der Komponist auf Sommerfrische hier im Jahr 1819 sein weltberühmtes "Forellenquintett" geschrieben hat. Im Extrazimmer des Hotels Mader hängt ein Bildnis an der Wand, auf dem der Meister bei Kerzenlicht am Klavier sitzt und die erlauchte Zuhörerschaft entzückt. Zu seinen schlimmsten Zeiten – und das machte bei Schubert sein halbes Leben aus – hätte sich niemand zu dem aufgedunsenen Zwerg mit Mundgeruch an einen Tisch gesetzt. 1828 hatten die Ärzte den an Syphilis erkrankten Patienten mit ihrer Rosskur mittels Quecksilbersalben zu Tode gequält. Die Geschlechtskrankheit hatte sich der Künstler entweder bei einem Stubenmädchen am Hofe Esterhazys oder bei seinen Streifzügen mit seinem Kumpan Schober durch die Wiener Rotlichtmeilen zugezogen. Bei der Sommerfrische in Steyr war Schubert wohl auch kein Kostverächter: Seinem Bruder schrieb er frivol: "In dem Hause, wo ich wohne, befinden sich acht Mädchen, beynahe alle hübsch. Du siehst, daß man zu thun hat."
Diese Ambivalenz der Persönlichkeit, die trostlose Suche des 157 Zentimeter kurzen Winzlings nach dem Glück mit einer Frau und sein Ende bei der käuflichen Liebe würde einen guten Spannungsbogen geben zu den traditionellen Aufführungen von Schubertmessen beim Festival in Steyr, das sich heuer zum 20. Mal jährt. Vielleicht stand der Komponist stets zu sehr unter dem Glassturz frommer Verehrung, dass das Festival langweilig wurde und vergangenes Jahr nur noch 186 zahlende Besucher verbuchte. Intendant Karl Michael Ebner sagte nur, dass er "keine Kritik am Festival" sehen könne und Bürgermeister Gerald Hackl giftete sich über "persönliche Angriffe" gegen den Kustos.
Mutmaßlich ist aber doch für die heurige Auflage von 24. bis 27. April im stillen Kämmerlein nachgedacht worden. Ein Konzerttermin "Schubert reloaded", bei dem das Festival erstmals ins Kulturhaus Röda in den Wehrgraben wechselt, sieht nach einer Programmansage aus. Die Musiker Benny Omerzell (Keyboard), Christian Eberle (Drums) und Manuel Mayr (Bass) improvisieren als Jazzer über Schubert-Motive. Ebner bedient klugerweise die klassische Schiene weiter mit einer Schubertiade (mit Bariton Peter Edelmann) und natürlich fügt sich wieder die Kirchenmusikvereinigung Sancta Cäcilia Steyr mit der Schubertmesse in G-Dur in der Michaelerkirche in die Abfolge ein.
Ebner hat aber für Schubert auch den Eventcharakter entdeckt: Bei einem "Picknick in Weiß" geigt das Anton Schosser Quartett zur Landpartie im Schlosspark. Zum Proviant, den die Leute in Körben auf die Wiese mitbringen, wird Steckerlfisch gebraten. Die Forelle schwimmt dann zum Schluss noch akustisch aus den Lautsprechern, wenn Ebner am Sonntag über den Stadtplatz eine Klangwolke legt.
Ebner bringt die großartige Musik Schuberts in den Park und auf das Pflaster hinaus aus der geschlossenen Gesellschaft. Es wäre fein, würde ihn die Bevölkerung dabei nicht hängen lassen, kommen und zuhören. Schubert, kein Heiliger aber ein Mensch, geht zu Herzen. Für Schubert (und das Festival) gilt das Buch, das Harald Serafin schrieb und aus dem er lesen wird: "Nicht immer war es wunderbar". Darin liegt Stärke und Kraft.