"Am Anfang rennt das Rad pausenlos"
GARSTEN. Häftlinge der Justizanstalt Garsten drehten Film über Selbstmordgedanken im Knast.
Ein Rettungsfahrzeug rast mit Blaulicht zur Pforte der Justizanstalt. Die Rotkreuz-Sanitäter fahren die Tragbahre aus und laufen los. Einen Filmschnitt später haben es die Rotjacken nicht mehr eilig: Für den Häftling "Alex", wie er im Drehbuch heißt, kam jede Hilfe zu spät, er hat sich an der Stange für Klimmzüge mit einem Gürtel erhängt.
Selbstmordgedanken gingen einem jeden durch den Kopf, nicken die Mitglieder der Theatergruppe "Ruhestörung", die hinter Gittern probt und auftritt. Die Männer sitzen langjährige Haftstrafen ab. Bei einem jeden gibt es einen dunklen Fleck auf der Seele, dem Ensemble gehören verurteilte Mörder an. "Wir sind alle Kriminelle", sagt einer von ihnen in der "Making-of"-Dokumentation zu dem Film "Gedankenschlucht", der am Freitag einem geladenen Publikum aus Seelsorgern, Journalisten und Sozialarbeitern gezeigt wurde.
Dass es den 15-minütigen Streifen überhaupt gibt, gründet auf der Hartnäckigkeit der Gefängnis-Psychologin Sabine Sandberger, die die Theatergruppe seit Jahren betreut. Eineinhalb Jahre lang mussten nicht nur Scheinwerfer, Digitalkameras und Software organisiert werden, sondern auch rechtliche Fragen geklärt werden. Der Linzer Strafrechtsprofessor Alois Birklbauer arbeitete sogar ein Gutachten aus, wonach es geschehen darf, den Streifen trotz der zu wahrenden Anonymität der Insassen auch vorzuzeigen: Der Seherkreis ist aber auf Häftlinge selbst und auf Leute, die zum Strafvollzug einen Bezug haben, zu beschränken.
Vor U-Häftlingen dürften die Filmemacher ihre Produktion zeigen, aber das können sie selber vor ihrem Gewissen nicht verantworten. "Am Anfang rennt das Radl pausenlos", erklärt einer der Langzeitinsassen nach der Premiere. Mit Mitgefangenen hat er im Theatersaal eine Zelle detailgetreu für die Kulisse nachgebaut. Damit konnte die Kameraführung von außen in den Raum filmen. Die Bilder zeigen, wie einer schon am Nachmittag mit seiner Schuld und den Abgründen seiner Persönlichkeit weggesperrt ist. "Mich hat ein Gefängnispfarrer gezwungen, dass ich bete. Das Gespräch mit dem Herrgott hilft mir noch heute", sagt der Bühnenbildner.
Natürlich ist ein Knast kein Mädchenpensionat. "Aber wir haben gelernt, aufeinander zu schauen", sagt einer, der im Film aus dem "Off" den Richter verkörpert, der "Alex" zu seiner lebenslangen Strafe verurteilt hat. Macht einer beim Hofgang Andeutungen eines Suizids, dann schlagen hellhörige Mitgefangene bei Seelsorgern und der Wache Alarm. Der Kurzfilm kann bestenfalls noch in anderen Justizanstalten gezeigt werden. Blockbuster wird er wegen der Verbreitungsbeschränkungen keiner werden, er wird deshalb auch keine Filmpreise einheimsen. Bewegt hat er allemal schon viel: "Das Thema anzusprechen und auszusprechen, hilft schon ungemein viel", sagt der Kameramann.
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Nun, ein Gefängnis Haftanstalt soll kein Sanatorium sein !
die Insassen sollen müssen über ihr inkorrektes Leben in der Gesellschaft zum Nachdenken gezwungen werden.
Eben und zu dieser Reflexion ist Kunst ein adäquates Mittel.
OK Selbstmordgedanken haben auch Menschen vor den Gittern. Vielleicht Angehörige von Opfern! Oder traumatisierte Menschen nach erlittenem Verbrechen! Da gibt es schon Filme darüber - bitte anschaun.
Ja. Das alles gibt es. Ist aber kein Grund, den schmalllippigen Spießbürger hervorzukehren.
Ein (mich) menschlich bewegender Beitrag.
Ich finde es führt einem vor Augen, dass auch die meisten (Schwer)Verbrecher Menschen sind.