Vorchdorfer Autobahnbrücke ruht auf dem Leid polnischer Zwangsarbeiter

Von Edmund Brandner   17.April 2018

Im Herbst 1961 wurde in Vorchdorf die Autobahnbrücke über dem Almtal feierlich eröffnet. Laut damaligen Zeitungsberichten würdigte VP-Landeshauptmann Heinrich Gleißner in seiner Festrede den „österreichischen Fleiß“, den die Brücke verkörpere.

Worüber er nicht sprach, ist das Leid, das mit der Errichtung der Brücke für Menschen aus anderen Ländern verbunden war. Das holt Bruno Schernhammer jetzt nach. Der gebürtige Vorchdorfer war Betriebsrat in der voestalpine und lebt seit vielen Jahren in Wien. Dort verfasste der 60-Jährige einen wunderbaren Roman über das Schicksal der polnischen Zwangsarbeiter, die während der NS-Zeit unter schrecklichen Bedingungen die Pfeiler der Vorchdorfer Autobahnbrücke errichten mussten. Ebenso wie von russischen Kriegsgefangenen, die auf der Baustelle buchstäblich verhungerten. „Und alle winkten“, heißt der Roman, der lokalhistorisch und literarisch höchst empfehlenswert ist.

Jahrelange Recherche

Schernhammer hat jahrelang für sein Buch recherchiert. Er erzählt die Geschichte des Autobahnbaus multiperspektivisch – aber in jeder Hinsicht von unten aus gesehen. Aus den Augen der Arbeiterkinder im Almtal und aus Sicht der Zwangsarbeiter, die in Baracken als Sklaven gehalten wurden. Die bis zum Umfallen arbeiteten und in vielen Fällen anschließend in Konzentrationslagern umgebracht wurden. Aber auch ein Ich-Erzähler als Alter Ego des Autors berichtet von seiner Jugend im Schatten der Brückenpfeiler.

Schernhammer gelingt es auch, die damalige Begeisterung für den Bau der „Reichsautobahn“ verständlich zu machen – und die von den Nazis geschürte Aufbruchsstimmung, von der sogar die Kinder erfasst wurden. Der Bau der Westautobahn begann wenige Tage nach dem Anschluss Österreichs im Jahr 1938. Ab 1939 setzten die Nazis polnische Zwangsarbeiter ein, die in einem Barackenlager lebten. Doch Ende 1941 wurden kriegsbedingt die Arbeiten an der Autobahn eingestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren von der Vorchdorfer Brücke nur die Pfeiler errichtet worden. Ab 1954 setzte die junge Zweite Republik die Errichtung der Westautobahn fort, die Arbeiten an der Brücke begannen 1958 wieder.

Während ehemalige Vorchdorfer Nazi-Größen zu diesem Zeitpunkt längst wieder führend in Parteien und Vereinen mitwirkten, wollte sich nach dem Krieg niemand mehr an die polnischen und russischen Zwangsarbeiter, von denen viele auf der Baustelle starben, erinnern. Jetzt, 57 Jahre nach der Einweihung der Brücke, hat ihnen Bruno Schernhammer ein literarisches Denkmal gesetzt.

Bruno Schernhammer: „Und alle winkten. Im Schatten der Autobahn“, Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft, 218 Seiten, 21 Euro