„Diskussionskultur hier ist gleich null“

21.August 2009

OÖN: In Hagenberg ist eine Kluft zwischen dem alten und dem neuen Hagenberg spürbar. Sehen Sie diese auch?

Buchberger: Die sehe ich hundertprozentig, seit 20 Jahren. Ich stehe natürlich für das neue Hagenberg, aber andererseits genauso für Werte wie Heimat, Tradition und Natur.

OÖN: Was heißt das für Sie und für Hagenberg?

Buchberger: Für mich sind die beiden Welten die gegensätzlichen Pole eines spannenden Raums. Für viele andere sind das zwei Welten mit einem Graben dazwischen und entweder man steht auf der Seite oder der anderen.

OÖN: Ist das in Hagenberg so?

Buchberger: In Hagenberg sind diese zwei Welten besonders ausgeprägt. Das Symbol der Welt der Tradition ist das Schloss. Die andere Welt symbolisiert der Softwarepark. Manche empfinden zwischen diesen Welten einen Graben, der aber eigentlich eine Chance ist. Aber wenn sich manche nur auf eine Seite schlagen, dann wird es unangenehm.

OÖN: Aber warum ist die Kluft so tief?

Buchberger: Ich hatte zunächst (Mitte der 80er Jahre) mit Hagenberg nichts am Hut. Mein einziges Interesse war meine Forschung an der Universität in Linz und die Anwendung davon in der Wirtschaft. Durch unseren Forschungserfolg wuchs mein Mitarbeiterstab ständig, also machte ich mich auf die Suche nach einem anderen Standort. 1987 erhielt ich einen Anruf von Landeshauptmann Ratzenböck: „ Ich renoviere Ihnen das Schloss Hagenberg, wenn Sie mir versprechen sich dort anzusiedeln.“ Das war ein Handschlag, nicht zwischen Hagenberg und mir, sondern zwischen dem Landeshauptmann und mir. Nach der Eröffnungsfeier hat Ratzenböck dann zu mir gesagt: „ Sie kommen hier in ein wirtschaftliches Krisengebiet. Können Sie irgendetwas machen, dass hier Wirtschaft entsteht?“

OÖN: Und Sie haben zugesagt?

Buchberger: Ja, ich habe nämlich geglaubt, er bittet mich im Namen der Menschen aus der Region Hagenberg, die Wirtschaft und Arbeitsplätze bräuchten, und ich wollte etwas für diese Menschen tun. Nach zwei Wochen hatte ich das Konzept für den Softwarepark Hagenberg, das dem Landeshauptmann sehr gefiel, und es ging gemeinsam los.

OÖN: Wann begannen die Probleme?

Buchberger: Immer wieder, wenn es mit der Gemeinde bezüglich der Realisierung des Softwareparks etwas abzustimmen gab, habe ich gemerkt, irgendwie freut das etliche nicht wirklich. Bis es mir dann wie Schuppen von den Augen gefallen ist: Das Ganze war nicht abgesprochen mit den Hagenbergern, jedenfalls nicht mit der breiten Bevölkerung. Das war eine geniale Idee von Ratzenböck, um deren Verankerung in der Bevölkerung hätte sich die Gemeindepolitik intensiver kümmern müssen.

OÖN: Die Hauptprobleme drehen sich immer um das Schloss.

Buchberger: Nicht nur, das Schloss ist wie gesagt nur ein Symbol. Zum Schloss: Seit 1989 wird alles rund um das Schloss konserviert. Für den RISC-Ausbau wollten wir einen weiteren Flügel errichten und dazu ein Hotel. Da hat sich gezeigt, dass die Diskussionskultur gleich null ist. Bevor die Pläne überhaupt angesehen wurden, hat es geheißen: „Das können wir uns nicht vorstellen.“ 400 Menschen aus der Region arbeiten im Softwarepark (mit insgesamt 1000 Beschäftigten). Aber die werden nicht gefragt, nur der Schlossverein. Und dort sitzen die Leute, die sich nicht vorstellen können, dass sich ein historisches Ensemble auch in unserem Jahrhundert niveauvoll und lebendig erweitern kann.

OÖN: Soll das heißen, die Hagenberger sind gegen die Entwicklung?

Buchberger: Es sind ja nur gewisse Leute, aber diese haben großen Einfluss. Oft wollte ich schon das Handtuch werfen und habe mir gedacht: Hab ich das notwendig? Meine Zeit geht für den Softwarepark drauf und dann blockiert man wichtige und einmalige Entwicklungen.

OÖN: Was ärgert oder enttäuscht Sie am meisten?

Buchberger: Da kommen reihenweise Delegationen von überall her und bitten um einen Ableger des Softwareparks oder um Tipps für ihre Gemeindeentwicklung, während wir uns in Hagenberg ständig mit Gegnern herumschlagen müssen. Und in 20 Jahren habe ich von diesen Mitbürgern nie gehört: „Wie können wir dir helfen?“

OÖN: Im September wird ein neuer Bürgermeister gewählt? Wenn Sie einen Wunsch an ihn hätten, welcher wäre das?

Buchberger: Dass sie/er sich der Mühe macht, die Diskussions- und Kommunikationskultur in Hagenberg drastisch zu verbessern. Dass Hagenberg nicht nur Aushängeschild für Forschung, Ausbildung und Wirtschaft ist, sondern auch für eine offene Gesellschaft. Dann würden sich viele Probleme von selbst lösen und unsere einmaligen Chancen können genützt werden.