Zwischen Geisterbahn und Bierzelt wird gebetet

Von Valentina Dirmaier   04.Mai 2016

Stefan Schumann ist in seinem Element. In der Geisterbahn, wo sein Nervenkostüm noch einmal durchgeschüttelt wird, lässt er mit Euphorie seinen Arbeitstag am Urfahraner Markt ausklingen. Zuvor hat der 56-Jährige den zahlreichen Schaustellern einen Besuch in ihren Wohnwägen oder Fahrgeschäften abgestattet, ihre Sorgen besprochen, mit ihnen gemeinsam gebetet.

Beten? Auf dem Rummelplatz? Ja, zwischen Geisterbahn, Riesenrad und Bierzelt hat der evangelische Seelsorger gestern Vormittag einen ökumenischen Gottesdienst, der von der Vereinigung der Aussteller organisiert wurde, gehalten. Ort des Geschehens war das Autodrom der Familie Straßmeier. Mit Fahrgeschäften in die Höhe sausen und zwischendurch den Himmelvater rufen – was für viele Urfahraner-Markt-Besucher grotesk sein mag, ist für Pfarrer Schumann ein alltägliches Prozedere. Denn der gebürtige Deutsche ist als Gottes Diener auf sämtlichen Messen und Jahrmärkten im Land vertreten.

"Diese besondere Seelsorge wurde Ende der 60er-Jahre auf Wunsch vieler Schausteller, die ganzjährig unterwegs sind, eingerichtet", sagt der gesellige Geistliche. Vielen der Beschicker sei es am Sonntag nicht möglich, den Lesungen in der Kirche zu lauschen, da just am Feiertag ihre Geschäfte florieren. "Wenn die Menschen nicht zum Gottesdienst in die Kirche kommen können, muss halt die Kirche zu ihnen kommen", sagt der Vater eines Sohnes.

Dass viele, die seinen Worten und Gebeten am Rummelplatz lauschen, römisch-katholisch sind, stört den evangelischen Christen nicht. Wesentlich ist, dass er "seinen Schäfchen" die Sorgen nehmen und mit ihnen das Leben feiern kann. Auf dem Urfahraner Markt tut er das seit 25 Jahren. Was dieses traditionelle Vergnügungsfest so besonders macht? "Ich bin der Überzeugung, das die Oberösterreicher ihrem Urfahraner Markt sehr treu sind. Sogar wenn das Wetter nicht mitspielt, kommen sie vorbei. Das ist nicht überall so."

Mit vielen Ausstellern ist Schumann auf Du und Du, trifft sie mehrmals auf Jahrmärkten. Einige von ihnen hat er sogar getraut oder ihre Kinder getauft. "Meine Aufgabe ist einzigartig, weil ich einen besonderen Berufsstand begleiten darf", schwärmt der Wahl-Wiener, der im Herbst wieder nach Urfahr kommen wird. Dann will er wieder eine Messe im Autodrom abhalten und, wenn Zeit bleibt, in der Geisterbahn eine Runde zittern.