Linz als Tor zur NS-Hölle oder Ort der Hoffnung auf würdiges Leben

Von Nora Bruckmüller   27.April 2015

Der Name von Österreichs größtem Festival für europäischen Film kommt nicht von ungefähr: "Crossing Europe" steht ganz nach dem Englischen "to cross", für Wege, die sich kreuzen. Und eine Spezialität des Festivals ist es, Berührungspunkte aufzuzeigen, die man vorher nicht unbedingt erkannt hat. In der Programmschiene für heimische Künstler verdeutlichen das zwei Filme von Linzer Regisseuren: "Auf der Suche nach Isolde" von Barbara Windtner, 34, und Ulrike Hager, 39, sowie "22 m² Österreich" von Ufuk Serbest, 36.

Die dokumentarischen Werke erzählen von starken Frauen, die im öffentlichen Bewusstsein bisher nicht jenen Platz haben, der ihnen zustünde. Ebenso erinnern sie daran, dass der Traum vom besseren Leben und Überleben Europas Bürger seit jeher dazu brachte, zu flüchten, ihre Wurzeln zu kappen.

Trennung oder Auftrittsverbot

In "Auf der Suche nach Isolde" erfährt man, wie das NS-Regime Tanzpionierin Isolde Klietmann systematisch zwang, Linz zu verlassen. Die aparte Künstlerin war mit Hans Mostny verheiratet, Sohn der Linzer Spirituosen-Dynastie. Da seine Familie jüdischer Abstammung war, wurde Klietmann vor die Wahl gestellt: Trennung oder Auftrittsverbot am Landestheater.

Sie entschied sich für ihren Mann. "Isolde gab es nicht ohne Hans", sagt Windtner. "Um sie gab es ein richtiges Rennen. Er hat gewonnen", ergänzt Hager. Sie folgte ihm in die Stadt Mendoza in Chile, wo Mostny, aufgewachsen unter Kunstmäzenen, ihr ein Tanzstudio stiftete. Diese Fülle an Fakten und das Wissen über Klietmanns Persönlichkeit ist dem Einsatz von Windtner und Hager geschuldet.

Hager ist selbst Tänzerin und hat über Klietmann während des Studiums an der Anton Bruckner Privatuniversität geforscht. "Am Anfang gab es nur ihren Namen und ein Bild." Heute fragt sich Hager oft, was aus Klietmann in Linz werden hätte können. Diese hatte mit nur 19 Jahren die Tanzabteilung innerhalb des Linzer Musikvereins initiiert, dessen Direktor ihr Vater Alfred war. Ein wichtiger Grundstein in der Entstehung des Brucknerkonservatoriums und der Bruckneruni.

Ebenso wie beim Film über Isolde Klietmann stand bei Ufuk Serbests Werk "22 m² Österreich" ein Bild am Beginn der Arbeit. Nur war es ein verfremdetes. Jenes von der Türkin in Österreichs Alltag – das der Kopftuch tragenden, stillen Frau. Serbest, der an der Linzer Kunstuniversität "Experimentelles Gestalten" studiert, ist selbst Sohn türkischer Migranten in Linz. Und um gegen das falsche Bild anzugehen, wollte er die Frauen sprechen lassen. Er interviewte seine Mutter Saduman, die Ende der 1970er nach Österreich kam, sowie seine zwei Bekannten Fatma und Esma vor der Kamera. "Ich hatte das Gefühl, als hätten sie darauf gewartet. Sie sind sehr stolz auf ihren Film."

Das Resultat ist ein Zeitdokument, das Migrantinnen als Menschen greifbar macht. Man erkennt Mütter, die alles getan haben, um ihre Kinder im Kindergarten unterzubringen, die täglich mehrere Kilometer zu Fuß zum Greißler gegangen sind, weil das Geld für ein Auto nicht da war. Erkennbar wird auch das Dilemma, Deutsch lernen und sprechen zu wollen, aber von fehlenden Möglichkeiten und Scham gehindert zu werden. Klar wird auch, was sie nach Österreich gelockt hatte: Wasser, Strom, Arbeit. Serbest: "Es ging nicht darum, das Sozialsystem auszubeuten, sondern um ein würdiges Leben."

 

FESTIVAL-TIPPS

Garden Lovers: Virpi Suutari stellt den Garten als privates Paradies dreier Paare dar.
28. April, 20.30, Ursulinensaal
La Isla Mínima: Ein spanischer Sumpf wird zum Schauplatz eines Zweifach-Mordes.
28. April, 21 Uhr, City 1

www.crossingeurope.at

Aufruf: Barbara Windtner und Ulrike Hager freuen sich über bisher unbekannte Fakten und Infos zu Isolde Klietmann. Mail: kultur@nachrichten.at