"Das wahre Glück besteht darin, jemand zu finden, der einem zuhört"

Von Martin Roithner   11.Februar 2016

Am 19. und 20. Mai kommt der Schriftsteller, der übermorgen 62 wird, erstmals mit seinem "Storytelling Festival" nach Linz. Dabei will er in Workshops auch Schülern die Kunst des Zuhörens zeigen. Im Interview spricht der Grazer über Gefahren sozialer Medien – und warum unsere Ohren ständig online sind.

OÖN: Herr Tegetthoff, sind Märchen nicht altmodisch?

Tegetthoff: Das denke ich nicht. Märchen sind die perfekte Form der Kommunikation, weil sie Geschichten erzählen. Heutzutage "überfährt" die Technik die Menschen, so dass die Sehnsucht nach Märchen wieder steigt.

Was macht Märchen so besonders?

Dass sie das abbilden, was alle von uns jeden Tag machen: Geschichten erzählen. In jede Geschichte fließt eine persönliche Note ein.

Aber eine Geschichte kann doch jeder erzählen.

Stimmt, das kann man gar nicht oft genug tun. Es wäre toll, viel öfter die direkte Form der Kommunikation zu nutzen, also ein Face-to-Face-Gespräch. Soziale Medien sind okay, bergen aber auch Gefahren. Wenn einer etwas auf Facebook schreibt, weiß ich nicht, welche Körpersprache er dabei hat. Bewegen sich seine Lippen, zucken die Augenbrauen? Ein Smiley kann das nie ausdrücken.

Ihre Workshops heißen "Schule des Zuhörens". Kann man das Zuhören schulen?

Ja, aber nicht, wenn man in Schulbänken sitzt oder Bücher darüber liest. Studien belegen, dass wir jeden Tag in der Zeit, in der wir wach sind, ständig hören. Abschalten ist unmöglich, wir sind mit unseren Ohren immer "online". Das Zuhören ist dann nur die verfeinerte Version. Wichtig ist, den Gesprächspartner wahrzunehmen, das kann jeder.

Ist das Organ Ohr unterschätzt?

Definitiv. Wir leben in einer visuellen Welt, die unfassbar laut ist. Das Problem ist, dass sich die meisten komplett abschotten. Das ist schade. Wer nicht aufmerksam hinhört, versäumt einiges.

Haben die Menschen das Zuhören verlernt?

Verlernt nicht, das würde bedeuten, dass sie es nicht können. Sie haben es zurückgedrängt, halten es für unwichtig. Der Leidtragende ist der, der spricht. Wenn ihm niemand zuhört, redet er umsonst.

Ihr Konzept lautet: Einer erzählt, und alle anderen hören zu. Ist das überhaupt spannend?

Ja, sowohl für die Zuhörer als auch für mich. Ich rede bei meinen Vorträgen 90 Minuten. Mir hören die Leute nach fünf Minuten gebannt zu, weil sie sich an mir abgeschaut haben. Wenn Sie ein Orchester mit 40 Musikern betrachten, denken Sie: Wieso trägt die so ein komisches Kleid? Ist diese Frisur sein Ernst? Wer mir zuhört, hat nur einen visuellen Reiz, nicht 40.

Eines Ihrer Bücher heißt: "Wie man in drei Sekunden glücklich wird." Wie geht das?

Ganz einfach: einander zuhören. Das wahre Glück besteht darin, jemand zu finden, der einem zuhört.

 

Premiere in Linz

Festival: Seit 28 Jahren veranstaltet Folke Tegetthoff das „Internationale Storytelling Festival“. Erzähler, Musiker, Clowns, Tänzer und Pantomime treten auf – heuer erstmals von 19. bis 20. Mai in Linz. Die OÖN sind Medienpartner.

Für Schüler bietet Tegetthoff zehn 90-Minuten-Vorträge „Schule des Zuhörens“ von 4. bis 8. April gratis an. Bewerben können sich Schulen und Institutionen aus Oberösterreich bis 29. Februar. Infos: www.storytellingfestival.at