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"Keine Angst zu haben, das ist ein gutes Rezept"

Von Roman Kloibhofer, 28. August 2014, 00:04 Uhr
"Keine Angst zu haben, das ist ein gutes Rezept"
Wenn sie mit bemerkenswertem Erinnerungsvermögen von früher erzählt, hört man gern zu: Friederike »Fritzi« Reithofer Bild: RoKl

RIED. Friederike Reithofer vollendet heute ihr 100. Lebensjahr – Ein Interview mit einer bemerkenswerten Riederin.

Sie wirkt, als wäre sie soeben erst in Pension gegangen. Rüstig, eloquent, adrett. Dabei feiert sie heute ihren 100. Geburtstag: Friederike Reithofer. Die frühere Beamtin am Finanzamt Ried ist zwar ledig geblieben, mit 50 Jahren adoptierte sie aber gemeinsam mit ihrer Schwester einen Sohn und zog ihn groß. Die Riederin erzählt im Interview mit den OÖNachrichten über ihre Kindheit, ihre Lebenserfahrungen und ihr Geheimnis hinter dem hohen Alter.

Volkszeitung: Frau Reithofer, sind Sie schon einmal interviewt worden?

Reithofer: Nein, noch nie. Das ist heute das erste Mal.

Wie wird man hundert – haben Sie ein besonderes Lebensprinzip gehabt?

Nein, eigentlich nicht. Ich hab nicht geraucht, aber beim Vater hätt ich eh nicht rauchen dürfen. Und früher hat man ja folgen müssen, auch wenn man schon älter war. Und ich hab auch beim Essen auf nichts Besonderes aufgepasst, ich hab immer geschaut, dass ich Fleisch und Wurst esse. Und sonst ...? Ich hab keine Angst gehabt. Und keine Angst zu haben, ist ein gutes Rezept.

Sie waren nie verheiratet – wollten Sie nicht oder hat es sich einfach nicht ergeben?

Ich wollte nie heiraten. Ich nicht, meine Schwester schon – aber die hat auch gern gekocht (lacht). Ich hab’s mir auch nie vorgenommen. Ich hab das einfach nicht wollen. Aber mit meinem Leben war ich trotzdem sehr zufrieden. Wenn ich nicht zufrieden gewesen wäre, wär ich nicht so alt geworden.

Hat Religion in Ihrem Leben eine Rolle gespielt?

Na ja, als Kind hab ich gar nichts geglaubt. Daheim waren’s auch nicht so religiös. Dann, wie ich älter geworden bin, hab ich mir schon gedacht, da ist irgendwas. Aber ich weiß nicht was. Den Siegfried (der Sohn, heute 53; Anm.d.Red.) haben wir religiös erzogen, er ist gläubig. Ich denk mir jetzt schon, dass eine Gesetzmäßigkeit da ist – aber wie das vor sich geht, weiß ich nicht.

Woran erinnern Sie sich in Ihrer Kindheit?

An den Kindergarten erinnere ich mich noch. Da waren die Beamtenkinder und die Kinder der Geschäftsleute – und wir Arbeiterkinder durften unter keinen Umständen mit denen in Kontakt kommen, als wenn wir giftig gewesen wären.

Später sind Sie ja dann ins Gymnasium gegangen.

Ja, zuerst war ich in der Klosterschule, da hab ich manche schlechte Erfahrungen gemacht. In der Schule war ich aber immer gut. Ins Gymnasium bin ich dann aber nicht gern gegangen.

Warum?

Weil ich ausgestoßen war. Im Gymnasium, da waren sonst keine Arbeiterkinder, ich war die einzige, und noch dazu sozialistisch, da war’s aus. Da hab ich gar nicht gern gehen wollen. Ich war ja immer alleine, auch in den Pausen. Aber meine Schwester wollte unbedingt mit mir ins Gymnasium, sie wollte ja Ärztin werden.

Können Sie sich an die Zeit des Ersten Weltkrieges noch erinnern?

Ich kann mich an eines noch erinnern: Einmal haben wir aus rotem Holler und Mehl ein Abendessen gekriegt, ohne Fett und sonst was drinnen – und das hat mir gar nicht geschmeckt. Aber es waren halt magere Zeiten damals.

Was haben Sie nach der Schulzeit gemacht?

Ich hab nicht gleich Arbeit bekommen, ich hab Kurse gemacht – Maschinschreiben und Stenografie – und dann sind die Nazi gekommen. Später hab ich dann im Finanzamt die Stelle gekriegt, vorher war ich noch beim Nähmaschinenhändler Handl, da war ich im Büro.

Wollten Sie immer in einem Büro arbeiten?

Nein, wenn ich ehrlich bin: Ich hätt was anderes werden wollen. Ich wollte was mit Sport machen. Aber da hätte ich zur Partei gehen müssen, und da hätte ich Schwierigkeiten bekommen.

Was genau wollten Sie werden?

Tänzerin hätt ich gern werden wollen. Auch in Gymnastik war ich immer gut und hab sogar öfters vorturnen müssen.

Was haben Sie denn sonst noch gerne an Sport gemacht?

Als Kind und Jugendliche bin ich Eis gelaufen und Schi gefahren, ich hab auch ein bissl Tennis gespielt. Und geturnt. Ich bin ja noch nicht einmal in die Schul gegangen, war ich schon beim Turnverein, beim sozialistischen Turnverein.

Sie haben viele Bücher stehen hier im Regal – lesen Sie gern?

Ja, ich hab schon als Kind viel gelesen. Auch die Bücher, die der Vater gehabt hat – russische, französische, englische Schriftsteller. Aus aller Herren Länder. Dostojewski, Tolstoi, Dumas, Zola, Maupassant. Wenn ich gelesen hab, war ich immer in einer anderen Welt. Besonders interessiert hat mich von Dostojewski "Memoiren aus einem Totenhaus". Das hab ich mit 14 schon gelesen.

Was war am Finanzamt Ihre Aufgabe?

Zuletzt war ich in der Kasse, vorher in der Kinderbeihilfe – das hat gewechselt.

Sind Sie da mit Computern noch in Berührung gekommen?

Im Amt ist das gerade eingeführt worden, kurz bevor ich 1979 in Pension gegangen bin. Aber ich hab nichts mehr damit zu tun gehabt. Aber kürzlich hab ich im Fernsehen einen gesehen, der mit fast 100 noch mit dem Computer angefangen hat, da hab ich mir gedacht, ich könnt das auch noch. Der Bub möchte eh, dass ich noch anfang damit.

Was können Sie jüngeren Leuten raten, wie man leben soll?

Zuerst einmal: Nicht komatrinken! Das ist ja furchtbar. Und viele verursachen dann Verkehrsunfälle, wo viele ganz unschuldig dazukommen.

Macht Ihnen der Krieg in der Ukraine Angst?

Angst nicht, aber es schreckt mich schon ... Viele schätzen es nicht, dass wir in Europa seit 1945 Frieden gehabt haben.

War früher wirklich alles besser?

Man sieht im Alter die Vergangenheit schon ein bisschen verklärt, aber früher war manches wirklich besser.

Friederike Reithofer – 100 Jahre in Kürze

Friederike Theresia Reithofer, genannt „Fritzi“, wurde am 28. August 1914 in Ried geboren. Sie wuchs mit ihren zwei Schwestern sowie einem Bruder in einer „relativ armen Familie, aber mit Aufstiegswillen“ auf.

Ihre Mutter Anna (geb. 1884) wurde nach der ersten Wahl 1919 zur ersten Frau im Rieder Gemeinderat gewählt.

Nach der „Kinderbewahranstalt“ der Schulschwestern am Kirchenplatz besuchte „Fritzi“ die Klosterschule und danach die öffentliche Volksschule. Nach fünf Klassen Volksschule kam sie ins Gymnasium. Als Arbeiterkind wurde sie dort ziemlich gemobbt, weshalb sie nach der vierten Klasse aufhörte. Sie machte Kurse in Maschinschreiben und Buchhaltung.

1939 wurde sie als „Kriegsbeorderte“ in das Finanzamt Ried aufgenommen. Im Finanzamt war sie bis zu ihrer Pensionierung beschäftigt und in verschiedenen Abteilungen tätig.

In der Nazizeit musste sie für das „Winterhilfswerk“ Spenden sammeln, wobei Ansteckabzeichen gegen Spenden verkauft werden mussten.

Auch für die „Rote Hilfe“ zur Unterstützung von Familien, deren Ernährer verhaftet, eingesperrt oder umgebracht worden waren, war sie tätig – allerdings streng geheim und mitunter unter größter Gefahr.

Mit 50 adoptierte Friederike Reithofer Sohn Emanuel Cölestin.

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