„Man weiß einfach nicht, hat man es falsch oder richtig gemacht“
WENG, MAUERKIRCHEN. Hunderte Schwerkranke warten jedes Jahr in Österreich auf eine Organspende. Yvonne hätte gewollt, dass mit ihrer Hilfe andere Menschen weiterleben dürfen. Gabi Moser – Mutter der nach einem Herzstillstand verstorbenen jungen Wengerin – ist davon überzeugt. Ein Opfer für andere, doch die Familie erlebte diese Tage wie einen Albtraum.
Nicht nur der Schmerz, auch in Umlauf gesetzte Gerüchte und Unwahrheiten belasten die Familie von Yvonne sehr. Deshalb erklärte sich Mutter Gabi Moser bereit, ihre Erlebnisse rund um die Organspende und den so qualvollen Abschied von ihrer Tochter zu schildern.
Yvonne Steidl war erst 25 Jahre alt und hatte ihr wenige Wochen altes Baby neben sich auf dem Sofa, als plötzlich ihr Herz versagte. Eine leichte Pumpleistungsschwäche und eine starke Rhythmusstörung, vermuten die Ärzte. Nach einer Stunde gelang es dem Reanimationsteam, das Herz wieder zum Schlagen zu bringen, doch aufgewacht ist Yvonne nicht mehr. „Man hat uns gleich gesagt, dass nicht viel Hoffnung auf Überleben besteht, und wenn, dann mit schwersten Folgeschäden.“ Yvonnes Mama Gabi Moser saß, so wie die gesamte Familie, jeden Tag an Yvonnes Bett in der Kardiologie im Simbacher Krankenhaus und gab die Hoffnung trotzdem nicht auf.
Nach fünf Tagen konfrontierte das Krankenhaus die Familie mit der Frage, ob sie im Falle eines Hirntodes mit einer Organspende einverstanden wäre. „Wir waren verzweifelt. Yvonne schien nur zu schlafen und wir sollten diese Entscheidung treffen. Aber wir waren alle überzeugt – sie war so ein freigiebiger Mensch – sie hätte es gewollt. Und ich habe mir gesagt, wenn ich schon mein Kind verliere, sollen andere eine Chance haben.“
Da vor einer Organentnahme der absolute Hirntod festgestellt sein muss, reiste ein Spezialistenteam aus dem AKH Linz an – und damit begann der zweite Leidensweg für die Familie.
Während Gabi Moser die Betreuung durch das Krankenhaus Braunau/Simbach als sehr mitfühlsam erlebt hatte, kam nun ein herber Schlag. „Uns wurde von dem Arzt aus Linz eiskalt gesagt, dass der Körper seit Maria Theresia dem Staat gehört. Damit deutete er an, dass es auf unsere Zustimmung zur Organspende gar nicht ankam.“ Sie fühlte sich überrannt, verunsichert und erschöpft.
Doch Yvonnes Gehirn gab weiter Lebenszeichen von sich und das Linzer Ärzteteam reiste umsonst an. Plötzlich tauchte wieder ein winziger Hoffnungsschimmer auf – Yvonnes Organe arbeiteten noch so gut, vielleicht könnte die Intensivmedizin am Linzer AKH die junge Frau doch noch retten. Ein Hubschraubertransport wurde organisiert.
Aber in Linz wieder nur Enttäuschung. Der Familie wurde brüsk gesagt, sie könnte nach Hause fahren, die Patientin „kriegt eh nichts mehr mit.“ „Von da an habe ich gewusst, für Yvonne wird nichts mehr getan.“ Ein ganzes Wochenende hing sie noch an der Beatmungsmaschine, ehe die Familie endgültig von ihr Abschied nehmen konnte. Entwürdigende Zustände, als wäre Yvonne kein Mensch mehr, sondern ein Ersatzteillager. „Für uns passt da einfach nichts zusammen. Ich hatte zunehmend das Gefühl, meine Tochter sollte nur für die Organentnahme erhalten werden.“ Den Transport von Linz nach Hause musste die Familie dann auch noch selbst bezahlen.
Ob sie sich noch einmal für eine Organspende entscheiden würde? „Nein, ich würde das keinem in der Familie zumuten“, sagt Gabi Moser. Und auch sich selbst nicht, denn diese Tage waren unerträglich. Obwohl sie weiß, dass die Ärzte ihr Möglichstes getan haben und Yvonne nicht mehr retten konnten, bleiben doch viele quälende und widersprüchliche Fragen. Wem konnte die Organspende das Leben retten? Hätte man irgendwo doch mehr für Yvonne tun können? Und dann wieder: „Aber wünscht man ihr ein Leben am Beatmungsgerät?“