"Wer mit Stimme und Körpersprache ‘spielen’ kann, ist erfolgreicher"

Von Lisa Penz   03.Juni 2018

"Die Macht des Wortes" lautet der Buchtitel von Autor Manfred Schauer. Sein Werk stellt er am Dienstag, 5. Juni, im Gasthaus Sporer in Handenberg vor und hält dazu einen kurzweiligen Vortrag. Im Interview mit den OÖN spricht der wortgewandte Eferdinger über die Kunst des Redens.

 

Herr Schauer, welche Macht schreiben Sie dem Wort zu?

Wer ein Lob bekommt oder in einen heftigen Streit gerät, der spürt, wie Sprache berührt. Worte können trösten oder tief verletzen, manche hängen einem tage- oder gar jahrelang nach. Auch unsere eigenen Worte wirken auf uns. Wenn wir ständig negativ mit uns sprechen, kann das körperlich messbare Stresssymptome hervorrufen. Und wir sprechen gedanklich ständig mit uns – auch wenn es die wenigsten zugeben.

Haben Sie Beispiele dafür, wann Worte etwa die Welt beeinflusst haben?

Wörter und Wortphrasen sind in die Weltgeschichte eingegangen. Martin Luther King mit seinem "Ich habe einen Traum", Wörter, die für die Bürgerbewegung in Amerika eine ungeheure Kraft hatten und auch 50 Jahre danach noch Wirkung zeigen. Auch die Wortphrase "Wir sind das Volk" der DDR-Bürger klingt noch 30 Jahre danach in unseren Ohren.

Sie leiten eine Agentur für Marketing und Kommunikation. Hat Ihre Wortgewandtheit zu Ihrem beruflichen Erfolg beigetragen?

Ich war in der oberösterreichischen Wirtschaft im Marketing und Verkauf aktiv. Dabei habe ich bald erkannt, dass wir durch unsere Wortwahl sehr viel bewirken können. Bei der Gestaltung von Werbeprospekten hatte ich immer ein Team um mich. Es war erstaunlich, wie unterschiedlich die Meinungen waren, mit welchen Wörtern wir unsere Kunden ansprechen sollen. Die große Herausforderung und Chance zugleich: Unseren Wortschatz gezielt und bewusst einsetzen.

Nebenbei sind Sie ein Theaterschauspieler. Hilft Ihnen das auch als Wort-Coach?

Beim Theaterspielen lernt man, Wort, Stimme und Körpersprache bewusst zu vereinen. Eine Übung, die auch im Alltag eine besondere Bedeutung hat. Ich kann die Wirkung des Gesprochenen durch die Stimme und Körpersprache so verändern, dass diese beim Gegenüber etwas hervorruft. Daher sind auch meist Menschen erfolgreicher, die mit Stimme und Körpersprache "spielen" können. Dieses Spiel sollten wir täglich trainieren. Wobei die Körpersprache besonders in den ersten 20 Lebensjahren gefestigt wird. Daher sollen wir Kinder auch mit dem Körper sprechen lassen. Das Stillsitzen in der Schule ist dabei nicht optimal.

Politiker wickeln mit ihren Reden gerne die Leute um die Finger. Was ist ihr Trick dahinter?

Sie binden in ihre Reden Wörter und Phrasen ein, die emotional bewegen. Auch die Wortwiederholung wird bei politischen Diskussionen und Präsentationen gerne eingesetzt. Denn nur dadurch bleiben uns diese auch im Gedächtnis. Ich habe mich in meinem Buch auch mit Barack Obama beschäftigt. Ich bin überzeugt, dass er durch seine Wort-Kommunikation die Wahl gewonnen hat. Er hat aus dem "Ich" ein "Wir" geformt – yes, we can.

Wie viel macht es aus, was ein Politiker sagt, im Vergleich dazu, wie er es sagt?

Wir bekommen täglich tausende Wörter zu lesen und zu hören. Vieles davon vergessen wir, weniges bleibt hängen. Signalwörter, die für uns von Bedeutung sind, merken wir uns. Zum Beispiel wurden wir während der Griechenland-Krise mit dem Wort "Euro-Rettungsschirm" umgeben. Das weckt die Assoziation, dass man einen Staat schützt, der unverschuldet in eine Finanzmisere geraten ist. Wer will nicht lieber mit seinem Steuergeld schützen und retten, als die Schulden eines anderen Staates zu bezahlen.

Was finden Sie in Zeiten der Digitalisierung wichtiger – das Wort oder das Bild?

80 Prozent der Botschaften nehmen wir mit dem Auge auf. Das Bild hat eine sehr wichtige Rolle. Jedoch dürfen wir nicht zu einer oberflächigen Bildschauer-Gesellschaft werden. Ich vergleiche dieses Thema gerne mit der Liebe auf den ersten Blick. Zu Beginn, steht das Aussehen im Mittelpunkt. "Er/sie gefällt mir", ist oft zu hören. Je mehr wir uns an ein Aussehen gewöhnt haben, wird die gesprochene Kommunikation wichtiger. Ich bin überzeugt, dass das tägliche und ausführliche "Miteinander Reden" der Erfolgsfaktor jeder Beziehung ist.

Was sagt es über den Sprachgebrauch von Jugendlichen aus, dass das Jugendwort 2017 "I bim’s" war?

Die Jugend will sich nicht nur durch ihr Verhalten und ihre Kleidung von den Erwachsenen differenzieren, sondern auch durch ihre Sprache. Deshalb verwenden Jugendliche Abkürzungen, absichtliche Fehler in der Rechtschreibung und in ihrer Sprache, um sich von der Erwachsenensprache abzuheben.

Und die alten Wörter verschwinden immer mehr?

Jede Zeit hat ihre Wörter. Wörter verschwinden, Wörter kommen. Beim Grüßen ist eine bedeutende Veränderung zu erkennen. Ich bin überzeugt, dass das "Tschüss" unsere Verabschiedung der Zukunft sein wird – sowohl auf der Sie- als auch auf der Du-Ebene. Das "Hallo" als Begrüßungswort ist ja mittlerweile schon integriert. Somit bleiben "Grüß Gott", "Servus" und auch die mundartlich sehr sympathische Grußphrase wie "Griaß di" auf der Strecke.

Welchen Einfluss haben die neuen Medien auf die Kommunikation?

Durch die modernen Medien finden viele Anglizismen den Weg zu uns, zum Beispiel checken, canceln, switchen, downloaden. Jedoch auch in den Jahrzehnten davor wurden neue Wörter aus dem Englischen integriert, wie joggen, shoppen, Body-Center. Die neuen Medien bewirken kurze Botschaften mit kurzen Sätzen und abgekürzten Wörtern. Während wir im 17. Jahrhundert noch 36 Wörter pro Satz geschrieben haben, sind es aktuell nur noch 16. Tendenz fallend. Ich werde beim Vortrag auch über unsere Zuhörwörter sprechen. Wenn Sie bei Gesprächen mit Wörtern wie "ok", "ja" oder "versteh‘" aktiv zuhören, vermitteln Sie Interesse für das Gesagte. Männer haben einen anderen Wortschatz als Frauen. Während Frauen gerne indirekte Wörter verwenden, sind Männer direkter. Mein Motto: "Lernen Sie die Fremdsprache des anderen Geschlechts kennen".