"Töten, töten und sterben. Oder fliehen"
Tausende Menschen flüchten vor Krieg, Tod und Kampf in Syrien. Sari ist einer von ihnen.
MAUERKIRCHEN. Eine normale Arbeit, ein normales Zuhause, ein normales Leben. Wenn Sari, 32 Jahre alt, Syrer, verbal ein Bild davon malt, wie sein Alltag vor etwa zehn Jahren ausgesehen hat, zeichnet sich eine Vorstellung von einem jungen Mann, der als Rezeptionist in einem Hotel arbeitete, in einer Wohnung in der Region Al-Ghouta lebte und seine Freizeit gerne mit Freunden verbrachte.
"Wir hatten damals alles. Nur den Frieden, den haben wir immer gesucht", erzählt der zurückhaltende Mann. Ab wann genau der Bürgerkrieg – ein Endprodukt der Demonstrationen und Aufschreie gegen die Regierung und Präsident Baschar al-Assad – in sein Leben trat? Sari schüttelt in Gedanken versunken den Kopf. Er könne es nicht genau sagen.
Begonnen habe der Albtraum mit Protesten. Gegen Gewalt und für Frieden. Das war 2011. Als sich der Volkszorn in Richtung Regierung oder gegen die Radikalen entlud, wurde die Luft für Sari immer dünner. Doch eigentlich wollte er nicht weg. Seine Heimat zu verlassen war lange Zeit tabu. Das mache man als stolzer Bürger eben nicht. "Meine Einstellung war lange, nicht zu flüchten, sondern mich zu engagieren, für mein Land und meine Landsleute."
Dezember 2014. Als das Militär immer mehr Druck auf die Bürger ausübte, die Einrückungsbefehle ausgesprochen wurden und die Kämpfe vor seiner Haustür ausgetragen wurden, wollte er nicht länger bleiben. "Du hast drei Optionen. Töten, töten und sterben. Oder fliehen." Später wird er sich immer fragen, warum er sich das angetan hat.
Sari erzählt wie in Trance
Die Erzählungen, so scheint es, spult der Syrer wie in Trance innerlich herunter. Emotionen lässt er, während er redet, kaum zu. Schmerzhaft sei es aber gewesen, Freunde und Familie in Syrien zurückzulassen und sich alleine auf den Weg nach Europa zu machen. Den Kontinent kannte Sari aus der Vergangenheit. Er war etwas mehr als ein Jahr mit einer Schwedin verheiratet, hat im hohen Norden eine Zeit lang gelebt.
Doch die erste Ernüchterung folgte schon am Beginn. In der Türkei, die der Flüchtling über den Libanon auf dem Flugweg erreichte, war vorerst Endstation. "Ich dachte, ich werde einfach einen Flug von Istanbul in irgendein europäisches Land nehmen. Das wird bestimmt einfach, war meine Überlegung, da ich schon im EU-Schengenraum gelebt habe."
Aber in der Türkei traf Sari auf die zigtausend anderen, die Syrien verlassen hatten und in Europa auf eine bessere Zukunft hofften. Statt der bequemen Reise meilenweit in der Luft blieb nur der Trip in einem Schlauchboot von der türkischen Küste Richtung Griechenland, Kos. Für 1000 Euro. "Zum Leben oder zum Sterben, fragte ich den Schlepper. Er sagte nur: Egal, Hauptsache du bezahlst." Mit 46 anderen Heimatlosen schwappte er zusammengepfercht auf dem Freizeitspaß-Artikel aus dem Supermarkt über die Meerespassage.
Mitten in der Nacht. Plötzlich tauchte ein Schiff der Küstenwache auf und hinderte die Flüchtlinge an der Weiterfahrt. "Ich dachte mir nur, die töten uns jetzt. Ich muss sterben. Wir bettelten: ‘Bitte lasst uns am Leben.’ Frauen und Kinder haben geschrien. Und es war so kalt." Mehr als drei Stunden später wurden die Nichtschwimmer auf das Schiff geholt.
Den Fußmarsch nach Mazedonien verbindet Sari mit der Erinnerung an die karge Landschaft. "Dort war einfach nichts. Nicht einmal Holz zum Feuermachen." Den Weg bis Belgrad und weiter bis zur österreichischen Grenze vertrauten er und eine Handvoll anderer Flüchtlinge, die er auf seinem Trip kennenlernte, wieder Menschenschmugglern an.
Für 3500 Euro wurden er und hundert andere in einen Lieferwagen gestapelt. Um die Methode zu verdeutlichen, zeigt er es mit seinen Händen vor. Wieder Kopfschütteln. "Die Gedanken kreisten ständig um den Tod. Aber ich sagte mir immer : du bist nicht aus der Hölle geflohen, um zu sterben."
In Wien angekommen, wurde er nach Traiskirchen und später in die Diakonie Mauerkirchen gebracht und wartet auf eine Reaktion der Asylbehörde. Wie es seinen Geschwistern und Eltern im Kriegsgebiet geht, weiß er nicht. Ob er jemals zurück will? "Ja, aber ich sehe derzeit keine Hoffnung."
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