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Ganz schön Schmuck

Von Von Roswitha Fitzinger, 05. Juli 2014, 00:04 Uhr
Carin Fürst
Aus zerschnittenen Flip-Flop-Sohlen, Trinkhalmen, Leinenfäden einer Mühlviertler...entsteht neuer Schmuck  

Kugelschreiber-Federn, Flip-Flops, Musikkassetten. Es gibt kaum etwas, aus dem Carin Fürst aus Freistadt nicht Schmuck entstehen lassen kann.

"Schmeißen Sie das weg?“ Wenn es so etwas wie eine personifizierte Frage gibt, die einen Menschen ausmacht, dann gehört diese eindeutig zu Carin Fürst. Wird sie mit einem „Ja“ beantwortet, folgt von der Freistädterin immer ein „Nein, bitte nicht.“ Denn was andere nicht mehr brauchen – Gebrauchtes ebenso wie Überbleibsel der unterschiedlichsten Art – all das bewahrt sie vor der Mülltonne oder dem Brennofen und formt Schmuckes, im besten Sinne des Wortes. Meist sind es Ketten, aber auch Ohrringe und Armbänder.

Eine Recycling-Künstlerin also? Ein Begriff, den die 61-Jährige nicht so mag. Sie gibt dem, was sie tut, lieber den Namen „upcyceln“. „Es geht nicht nur um die Wiederverwertung, sondern um das Aufwerten von Sachen, die andere nicht mehr gebrauchen können. Es ist ein Auf-eine-höhere Stufe-Stellen.“ Das sei gerade das Spannende an ihrer Leidenschaft, sagt sie, „in den Materialien, die andere wegschmeißen, Potenzial zu entdecken und daraus etwas zu entwickeln.“

Alles wird verwendet, was ihr in die Finger kommt. Das sagt sie selber. Und das ist nicht wenig: Reste von Stoffmustern, Schutzhüllen von Akupunkturnadeln, Brillengläser, die Rollen von Musikkassetten ebenso wie das Band („Es wird verhäkelt“). Ein simpler Radschlauch ist für sie „ein Thema ohne Ende“, Trinkhalme sind vor ihr ebenso wenig sicher wie übrig gebliebene Tischdekorationen – dem grünen Efeu aus Plastik etwa wird einfach ein goldener Anstrich verpasst, die Schlaufe um die Zotterschokolade zum Kettenanhänger.

Pet-Flaschen, Air-Bags und Patronenhülsen

Gleiches widerfährt den Ringerln von geöffneten Pet-Flaschen („ein lässiges Material“), die Kappe und die Feder eines Kugelschreibers wiederum eignen sich als Zwischenstücke für Ketten und schließlich Nespresso-Kapseln, die sie so verfremdet, sprich in kleine Teile zerschnipselt, dass sie nicht mehr als solche erkennbar sind. Gefüllt in Laborröllchen ergeben auch sie herrlich bunte Kettenteile oder -anhänger. Doch das ist längst nicht alles: Umlenkrollen von Video-Kassetten, Flip-Flops in kleine Quadrate zerstückelt, ebenso Komponenten von Air-Bags ... Die Annahme wird zur Gewissheit: Es gibt nichts, was Carin Fürst nicht zu Schmuck werden lassen könnte.

Das Ungewöhnlichste, das sie je verarbeitet hat waren Patronenhülsen eines Jägers. Eine ganze Serie an Schmuckstücken ist daraus entstanden. Noch ungewöhnlicher sind lediglich Knochenverschraubungen aus Titan – aus dem medizinischen Bereich, die, haben sie erst ihren Dienst getan, wieder aus dem Körper entfernt werden. Dann darf sie der Patient entweder mitnehmen oder das Krankenhaus muss sie entsorgen. Carin Fürst entlocken Teile wie diese ein „Wunderschön.“ Dabei geht es der Freistädterin nicht nur darum, einen dem Verfall oder der Vernichtung preisgegebenen Gegenstand wieder ein neues Erscheinungsbild und eine neue Bedeutung zu verleihen, sondern „wichtig ist mir auch, die Dinge völlig aus dem Kontext zu nehmen, sodass man sie nicht mehr erkennt.“

Nicht immer hat sie zu jedem Teil gleich eine Idee, oft dauert es, bis dazu passende Inspiration oder ein passende Bindeglied kommt.

Leidenschaft, die Grenzen eines Hobbys sprengt

Altes aufzuwerten ist mittlerweile eine Leidenschaft geworden, die längst die Grenzen des Hobbys sprengt. „Ich würde das sicher nicht machen, wenn ich nicht so aufgezogen worden wäre, dass man nichts wegschmeißt, alles zweimal anschaut, bevor es im Müll landet.“ Und natürlich müsse man auch einen gewissen Sammeltrieb mitbringen, sagt sie und grinst.

Zum anderen ist da ihr früherer Beruf. Als Architektin hatte sie oft auch die Bauaufsicht und „da lassen Elektriker und Installateure so viele Bauteile liegen“. Für Carin Fürst nicht bloß Abfall, nicht bloß Reste, sondern etwas, das ihre Phantasie und ihre Kreativität beflügelte. Was nicht ohne Folgen blieb: „Da ist die Neugierde gestiegen, was fällt sonst noch ab? Und plötzlich schärft sich dein Blick.“ Bekannte werden gefragt, was in ihrer Firma übrigbleibt. „Je mehr Materialien, desto mehr Kombinationsmöglichkeiten habe ich plötzlich auch gesehen.“

2005 folgt ein entscheidender Schritt. Fürst meldet sich für die Design-Messe „Blickfang“ in Wien an und wird von der Jury genommen. Rückenwind für die Freistädterin, denn ab da weiß sie: Es gibt Menschen, die schätzen, was sie macht. Ab diesem Zeitpunkt upcycelt sie nicht mehr nur für sich selbst.

Mittlerweile werden ihr Rest-Posten frei Haus geliefert – ohne nachzufragen. Sie wird zu Handwerksmärkten eingeladen, zu Podiumsdiskussionen, bei denen es um Abfälle geht. Sie veranstaltet Workshops, ist Ideengeberin für Lehrer. Sie wird kontaktiert, wenn es darum geht, das eigene, aus der Mode gekommenene oder nicht mehr passende Schmuckstück wieder aufzupeppen. Aus etwas Vorhandenem etwas Neues zu schaffen. Das scheint mein Thema zu sein, sagt die 61-Jährige selbst. Schon als Architektin hätte sie Umbauten am spannendsten gefunden, sagt sie.

Engagement in der Heimatstadt

Aber darüberhinaus ist Carin Fürst jemand, der sich engagiert. Dass auch das im weiteren Sinne etwas mit upcyceln, also aufwerten, zu tun hat, verwundert dabei wenig. Die Aufwertung ihrer Heimatstadt, insbesondere der Freistädter Altstadt, liegt der 61-Jährigen am Herzen. So hat sie etwa vor einigen Jahren die Aktion „Schaufenster Mühlviertler Kernland“ mitinitiiert, bei der die vielen leeren Schaufenster der Innenstadt, durch Werke von Künstlern aus dem Kernland wieder belebt werden oder geholfen, den „Tag des Denkmals“ zu einer fixen Größe in ihrer Stadt zu machen. Denkwürdige Orte und Plätze werden dann geöffnet und bespielt.

Aber auch schmucktechnisch sind die Grenzen längst nicht erreicht. Wohin die Reise gehen wird, weiß sie noch nicht so recht. Obwohl: Sie hätte schon lange nichts mehr genäht, und wie es der Zufall will, sind so einige Stoffreste auf ihrem Schreibtisch gelandet. „Das Textile wird wohl das nächste Abenteuer“, sagt sie.

Carin Fürst
Carin Fürst Bild: VOLKER WEIHBOLD

 

Bild: Weihbold

Zur Person: Carin Fürst

Die gebürtige Freistädterin (Jahrgang 1953) hat nach der HTL für Hochbau in Linz und dem Architekturstudium in Wien 30 Jahre in der Bundeshauptstadt als Architektin gearbeitet, bevor sie wieder ins Mühlviertel zurückgekehrt ist.
Fürst ist Mit-Initiatorin der Aktion „Schaufenster Mühlviertler Kernland“, außerdem Mitglied des Altstadt-Vereins „Flip“ in Freistadt und Initiatorin des dortigen „Tag des Denkmals“.

Kontakt: www.carin-fuerst.at

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