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Ein Kampf für die Kinder und das Leben

Von Renate Schiesser, 26. November 2011, 00:04 Uhr
Rollstuhl
Flächen- und Kostenreduktionen sind möglich, ohne das Wenden eines Rollstuhls zu verhindern. Bild: colourbox.com

LINZ. In einer Zeit, in der andere auf Wolke sieben schweben, zwischen Hochzeit und Geburt ihres Kindes, traf Doris F. das Schicksal wie ein Schlag. Seit 2009 leidet die 37-jährige Mutter von zwei kleinen Kindern an der unheilbaren Nervenkrankheit ALS. Ihre Muskeln werden schwächer, bis sie den Dienst versagen und der Tod eintritt.

OÖN: Frau F., wie geht es Ihnen?

Doris F.: Wie geht’s mir… Man lebt jeden Tag. Heute ist der erste Tag vom Rest meines Lebens. Das ist mein Motto. Ich kann noch ein paar Schritte gehen, wenn mein Mann mich hält. Ich kann aber keine Gabel mehr halten. Mein Mann sitzt am Esstisch, unsere zweijährige Tochter links, ich rechts – er füttert uns. Meine Arme sind schwach. Wenn ich früher eine Kiste Mineralwasser in den dritten Stock getragen habe, da wurde die Kiste schon sehr schwer. So ist es für mich jetzt jeden Tag. Als würde ich mit Mineralwasserkisten rumrennen.

OÖN: Das klingt anstrengend.

Doris F.: Es ist anstrengend. Weil jede Bewegung so dermaßen anstrengend werden kann. Das Jucken der Augenbraue zum Beispiel... Ich muss jemanden fragen, ob er mir die Hand hebt, damit ich mich kratzen kann.

OÖN: Wann hat das alles angefangen?

Doris F.: Wir haben im Oktober 2009 geheiratet, ich war im siebten Monat schwanger zu unserem zweiten Kind. Kurz darauf habe ich bemerkt, dass im Daumen die Feinmotorik nicht ordentlich funktioniert. Ein paar Monate später auch beim Zeigefinger. Ich bin von einem Arzt zum anderen. In Innsbruck haben sie dann die Diagnose gestellt und eine Lebenserwartung gegeben von einem halben Jahr bis zehn Jahre. Aber ein halbes Jahr geht gar nicht und zehn Jahre sind mir auch zu wenig. Ich hantle mich weiter. Vielleicht findet gerade heute jemand ein Mittel gegen die Krankheit.

OÖN: Die Diagnose. Was waren da Ihre ersten Gedanken?

Doris F.: Bitte nicht ich, das darf nicht wahr sein. Eine halbe Stunde später hab’ ich gedacht, ich sitz’ in einem Horrorfilm und kann nicht umschalten.

OÖN: Sie wirken trotz allem sehr positiv.

Doris F.: Ich versuche zumindest, es zu sein. Entweder man lebt mit ALS oder das ALS lebt mit einem. Ich war immer schon positiv.

OÖN: Hilft Ihnen das jetzt?

Doris F.: Ich denke schon. Auch, dass ich ein sehr offener Mensch bin, hilft mir. Als ich auf Reha war, hab’ ich noch gehofft, ich treffe keine anderen ALS-Patienten. Ich will nicht wissen, wie das weitergehen kann. Im Nachhinein sag’ ich: Gott sei Dank waren welche da. Wir haben uns wunderbar unterhalten und ausgetauscht. Einer von ihnen ist inzwischen aber gestorben. Er hatte die Krankheit acht Monate.

OÖN: Macht der schnelle Verlauf bei ihm Angst?

Doris F.: Freilich macht das Angst. Sobald es einmal schwerer wird mit dem Atmen, glaub’ ich gleich, jetzt ist es so weit. Es kann aber am Nachmittag schon wieder ganz anders sein. Es ist nicht jeder Tag gleich.

OÖN: Haben Sie vorher etwas über die Krankheit gewusst?

Doris F.: Nein, gar nicht. Ich hab’ MS gekannt. Aber nicht ALS. Jetzt weiß ich: Mit dem Sprechen wird es schwieriger, mit dem Schlucken... Im Kopf bleib’ ich aber bis zum Schluss da.

OÖN: Ist gerade das schlimm? Dass man im Kopf da bleibt?

Doris F.: Ja. Weil man alles mitbekommt. Schon jetzt, wenn ich mich verschlucke, hab’ ich Schrecksekunden. Erstick’ ich jetzt? Ist es das jetzt?

OÖN: Beschäftigen Sie sich mehr mit dem Sterben? Haben Sie eine Vorstellung?

Doris F.: Vom Sterben nicht – aber von meinem Begräbnis und meinem Grab.

OÖN: Es ist sicher seltsam, mit 37 Jahren das eigene Begräbnis zu planen.

Doris F.: Ja, schon. Aber ich habe Vorstellungen. Bei der Zehrung sollen sich die Leute noch einmal unterhalten über mich – was sie mit mir alles erlebt haben.

OÖN: Es muss auch für Ihren Mann sehr schwierig sein.

Doris F.: Absolut. Aber er steht zu mir.

OÖN: Ändert sich die Sichtweise? Wird man bescheidener?

Doris F.: Man führt ein bewussteres Leben. Manche Momente, gerade mit den Kindern, saugt man regelrecht auf. Man sieht vieles nicht mehr so selbstverständlich. Mit meinem Sohn war ich früher noch Ski fahren, eislaufen, wandern, schwimmen. Er hat das alles noch von mir gehabt. Die Kleine hat das nicht mehr von mir.

OÖN: Fragen Sie sich noch manchmal: Warum ich?

Doris F.: Haben Sie „manchmal“ gesagt oder eh „jeden Tag“? Es vergeht kein Tag, an dem man sich das nicht fragt. Und: Warum haben sie immer noch nichts dagegen gefunden? Wenn ich mir täglich drei Mal etwas in den Kopf injizieren lassen müsste – ich würd’s machen. Oder wenigstens etwas, um es zu stoppen.

OÖN: Sie sagen, Sie wollten keine anderen ALS-Patienten kennenlernen. Warum?

Doris F.: Am Anfang war es sicher so, dass ich keinen Spiegel vorgehalten bekommen wollte. Jetzt ist es so, dass ich nicht noch einmal jemanden vor mir gehen sehen will. Ich nehme es nicht so locker-lässig, wie manche glauben. Ich weine oft genug. Aber man kann nicht nur weinen, davon wird es nicht besser. Und meine Kinder sollen nicht einmal sagen: Meine Mama war ein Luschi und hat nichts getan.

OÖN: Sie kämpfen vor allem für die Kinder?

Doris F.: Ja, für sie und mit ihnen. Für meine Familie.

OÖN: Gibt es einen Wunsch an das Christkind?

Doris F.: Wenn ich ein Auto wäre, würde ich sagen: Eine neuer Kabelstrang. Ansonsten: Dass sie endlich etwas finden, damit ich gesund werde. Und nicht nur ich – alle, die betroffen sind.

 

Doris F. ist in Pension, ihr Mann in Karenz bei der kleinen Tochter. Durch die schwere Krankheit fallen auch hohe Kosten an. Bitte helfen auch Sie. OÖN-Christkindl-Konto Nr. 111.790, Sparkasse OÖ, BLZ 20.320. Herzlichen Dank!

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1  Kommentar
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herbertw (14.515 Kommentare)
am 27.11.2011 11:46

Ich kann Menschen, die ein tragisches Schicksal erleiden, und trotzdem NICHT mit Gott hadern, wahrhaft bewundern.

Da ich selbst eher aus der Evolutions-Ecke komme, und daher Krankheiten als einen immanenten Teil des selektiven Spiels der Evolution ansehe ( - jeder, der nicht krank ist, ist ein Glückspilz - ), habe ich ein abgeklärtes Verhältnis dazu: so etwas passiert nun mal. Und wenn ich Pech habe, dann passiert’s halt mir.

Gläubige Menschen hingegen sind aber davon überzeugt, dass auch hinter persönlichen Katastrophen ein „Sinn“ entdeckt werden kann und glauben trotz allem daran, dass es dieser Gott gut mit Ihnen meint.

grinsenWoran ich glaube, ist die SELBSTHEILUNGS-KRAFT DES MENSCHEN: und dieser Selbstheilungskraft ist es völlig egal, aus welchen „Kelch der Hoffnung“ sie gespeist wird. grinsen

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