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Im Kopf des Neandertalers

05. März 2011, 00:04 Uhr
Im Kopf des Neandertalers
Neandertaler-Embryo aus dem Virtual-Reality-Labor in Leipzig Bild: MPI

Das Gehirn von Neandertaler und Homo sapiens hat sich nach der Geburt unterschiedlich entwickelt, haben jetzt zwei oberösterreichische Wissenschafter vom Max Planck-Institut in Leipzig herausgefunden: Philipp Gunz aus Linz und Simon Neubauer aus Altenberg.

Der Neandertaler, der „Ureinwohner Europas“, lebte vor etwa 130.000 bis 30.000 Jahren. Augenfällig sind die anatomischen Unterschiede zum Homo sapiens: Der Neandertaler war kleiner (bis 1,65 Meter), aber kräftig gebaut, hatte ein breites Becken, stark entwickelte Brustmuskeln und massive Beinknochen. Die Stirn war flach, der lange, robuste Schädelknochen mit dem dominanten Kiefer und den Überaugenwülsten wirkt archaisch.

Der breite, niedrige und langgestreckte Hirnschädel enthielt ein Gehirn, das im Durchschnitt etwas größer war als beim modernen Menschen, wohl infolge des gesteigerten Stoffwechsels, der ebenso eine Anpassung an die Eiszeit darstellt wie die fleischige Nase, in der die Luft vorgewärmt wurde.

Das Kind aus der Dordogne

Gab es charakteristische Unterschiede in der Gehirnentwicklung zwischen Neandertaler und Homo sapiens? In ihrer im Fachjournal „Current Biology“ publizierten Studie haben die Leipziger Forscher um Jean-Jacques Hublin von der Abteilung für Humanevolution des Max Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie darauf Antworten gefunden. Mit einer neuen Methode verglichen sie die Hirnschädel von Kleinkindern beider Menschenarten. Als Grundlage diente Simon Neubauers im November 2010 vorgelegte Dissertation, betreut von seinem aus Linz stammenden Kollegen Philipp Gunz.

Sie untersuchten fossile Schädel von Neandertalerkindern, darunter ein Baby, dessen Skelett 1914 in der Dordogne (Südwestfrankreich) entdeckt wurde. Der Fund geriet in Vergessenheit, bis ihn der Anthropologe Bruno Maureille 2004 im Museum Les Eyzies-de-Tayac-Sireuil wiederentdeckte. Die Fragmente wurden in Leipzig mittels Computertomographie gescannt und im Virtual-Reality-Labor rekonstruiert.

„Der Tomograph liefert hochauflösende, dreidimensionale Röntgenbilder des Schädelinneren“, erklärt Simon Neubauer (31), Spezialist für Virtuelle Anthropologie, die Methode. Am Computer entsteht so ein virtueller Abguss, ein so genannter „Endocast“, über den ein Raster von Messpunkten gelegt wird. Weil sich die Hirnsubstanz der Innenseite der fossilen Schädelhöhle einprägt, lässt sich so Größe und Form des Gehirns exakt vermessen. Und noch mehr: Mit komplizierten Rechenmethoden kann man das Wachstum des Schädels im Laufe des ersten Lebensjahres wie in einem Film nachvollziehen – und damit auch die damit verbundene Gestaltveränderung des Gehirns.

Der Vergleich mit der Hirnentwicklung des Homo sapiens zeigt: Bei ihrer Geburt weisen die Neugeborenen beider Arten einen langgestreckten Schädel auf. Die längliche Form bleibt beim Neandertaler und bei unserem nächsten tierischen Verwandten, dem Schimpansen, auch nach dem ersten Lebensjahr erhalten, während sie beim modernen Menschen zunehmend rundlich wird.

In dieser frühkindlichen Phase vernetzen sich die Hirnareale, „und die Vernetzung hat entscheidenden Einfluss darauf, wie wir unser Gehirn benutzen können“, sagt Neubauer. Es ist daher anzunehmen, dass das Gehirn des Neandertalers anders vernetzt war und demnach anders „funktioniert“ hat wie das des modernen Menschen. Er nahm seine Umwelt anders wahr und interagierte mit ihr auch anders als der Homo sapiens.

Frühkindliches Turbo-Gehirn

Die Untersuchungen belegen, dass das Gehirn des Neandertalers anfangs rascher wuchs als das des modernen Menschen. Die Unterschiede im Wachstumsmuster müssen auch zu Unterschieden in den sozialen Fähigkeiten geführt haben. Zum Nachteil des Neandertalers: Ist doch bekannt, dass auch beim Autismus, der beim modernen Menschen gravierende Schwächen in der sozialen Interaktion zur Folge hat, ein beschleunigtes Hirnwachstum in der frühen Entwicklung die Vernetzung des Gehirns beeinflusst.

Ist der Neandertaler ausgestorben, weil ihm auf Grund seiner Hirnstruktur die Ausbildung komplexer Sozialformen verwehrt blieb? Fest steht: „Er lebte in viel kleineren Gruppen, in denen die Partnersuche schwierig war“, sagt Neubauer. Nur alle vier Jahre brachte eine Neandertalerfrau ein Baby zur Welt. Zu wenig, um mit dem Homo sapiens auf Dauer Schritt halten zu können.

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