"Wer aus der Reihe tanzt, wird schräg angeschaut"

Von Marlies Czerny   10.Oktober 2016

Der 48-jährige gebürtige Braunauer ist tagsüber als Chef der Payment Services Austria in Wien dafür verantwortlich, dass rund 7500 Bankomaten im Land funktionieren und Bezahlsysteme modernisiert werden. Abends verwandelt sich Rainer Schamberger in Ray Shames und gibt sich der Elektropoprock-Musik hin. Am 13. Oktober tritt er mit seiner Band in der Linzer Tabakfabrik auf. Mit den OÖNachrichten sprach er über seine beiden Welten.

OÖNachrichten: Verraten Sie mir, wie viel Bargeld Sie heute bei sich haben?

Schamberger: Bargeld...? (Kurz zögert er, Anm.) 100 Euro. Ich habe sie vorhin abgehoben, weil ich in der Trafik meinen kleinen Betrag nicht mit der Karte bezahlen konnte. Wir haben in Österreich noch 80 Prozent Bargeldanteil – in Schweden ist das umgekehrt.

Würden Sie es als "Mister Bankomat" eines Tages gerne sehen, dass nur noch bargeldloses Bezahlen möglich ist?

Nein, ich würde mir aber wünschen, dass jeder wählen kann, ob er mit Bargeld oder Bankomatkarte bezahlen möchte. Darum will ich, dass man eines Tages überall und selbstverständlich mit Karte zahlen kann.

Überall? Auch auf einer abgelegenen Berghütte?

Ja, warum nicht. Gerade dort. Solange ein Empfang da ist, muss das funktionieren. Ich sehe es als Einschränkung, wenn ich nicht mit einer Karte zahlen kann.

Wenn Sie Ihre Zeit nicht in Büros und Banken verbringen, dann auf der Bühne. Wie gut passt der Rocker in Ihnen zum Banker?

Ich brauche beide Welten in mir. Da gibt es zwei Zugänge: Ich muss auf der Bühne etwas bewegen und im Job. Das ist mein innerer Antrieb. Die Musik hilft mir, viele berufliche Themen anders zu sehen. Ich brauche keine Psychotherapie. Ich gehe auf die Bühne oder in den Proberaum, und da legt sich der Schalter um. Das hilft.

Eine Songzeile heißt: "Ich pfeif drauf. Auf den Job, auf das Geld, auf die Welt." Wie sehen das Ihre 40 Mitarbeiter und andere Bankvorstände?

Die wissen, wer das singt… Bis jetzt hat sich niemand beschwert. Und ich habe schon Aufsichtsräte in meinen Konzerten gesehen. Mir geht es um die Assoziation, dass man auch andere Dinge im Leben braucht. Einen Perspektivenwechsel. Je breiter du aufgestellt bist, je mehr du von der Welt siehst, umso weiter wird dein Horizont, was auch den Job befruchtet. In unseren Breitengraden wird man leider schräg angeschaut, wenn man aus der Reihe tanzt. Mut ist heutzutage leider nicht mehr gefragt. Ich glaube, dass das Land mehr Leute braucht, die sich etwas trauen. Und wir nicht alle im Gleichschritt erzogen werden.

Sie feiern heuer Ihr 30-jähriges Bühnenjubiläum. Wie sind Sie auf die Idee der virtuellen Figur Ray Shames gekommen?

Nach der Arbeit kam ich im Anzug in eine Probe und wollte mich umziehen. Da sagte ein Freund: "Warum bringst du nicht den Manager auf die Bühne?" Der abends heimkommt, sich vor den Spiegel setzt und sich seinen Tagträumen hingibt. Seither mach’ ich das.

"Wer aus der Reihe tanzt, wird schräg angeschaut"
Rainer Schamberger als Ray Shames

Rainer Schamberger als Ray Shames

 

Was beschäftigt Sie im Berufsleben zurzeit am meisten?

Wir versuchen, die Banken und den Handel zusammenzubringen. Auch um die nationale Wertschöpfung zu sichern, um nicht gegen Google, Amazon oder Facebook abzusinken. Vergangenes Jahr haben wir in Linz die Bankomatkarte auf das Handy gebracht.

Was drücken Sie im neuen Album "Zirkus des Lebens" aus, das Sie am 13. Oktober in der Linzer Tabakfabrik präsentieren?

In diesem Zirkus stecken wir alle drin. In diesem Hamsterrad. Jeder ist irgendwo gefangen und sucht etwas, das ihm Halt gibt. Diese Musik ist der Spiegel, was im Leben abläuft: Job, Frauen, Geld. Es kommen Assoziationen, die zum Lachen und zum Weinen anregen.

Eine Frage an Ray Shames: Warum kehren Sie immer wieder in das Hamsterrad zurück?

Eine gute Frage… Weil mir auch der Tagesjob viel Spaß macht. Ich muss nur schauen, dass ich das Hamsterrad langsamer laufen lasse, weil ich eher schnell bin bei Dingen.

Was ist Ihr Antrieb? Das Geld?

Von allem etwas. Es macht mir Spaß, mit Menschen zu arbeiten und etwas zu erreichen.