Stift Kremsmünster zahlte 700.000 Euro an Missbrauchsopfer
KREMSMÜNSTER. Rückforderungen an Hauptbeschuldigten gestellt – Wissenschaftliche Aufarbeitung beginnt.
Ab und zu holt er sich noch seine Post ab. „Im übrigen haben wir den Kontakt zu ihm eingeschränkt“, sagt Ambros Ebhart, Abt des Benediktinerstiftes Kremsmünster. Von Ex-Pater A. (79) ist die Rede, dem früheren Internatsleiter, dem jetzt eine Anklage wegen der Missbrauchsvorwürfe bevorsteht. 38 Betroffene haben sich seit 2010 bei der Klasnic-Kommission gemeldet. 700.000 Euro hat das Stift seither an die Opfer ausgezahlt. Weil der Ex-Pater laut Abt Ambros über eine stattliche Pension verfügt, werde das Stift an ihn „als Privatmann“ Rückforderungen stellen.
Am Montag zogen der Abt und Pressesprecher Pater Bernhard Eckerstorfer in Kremsmünster Bilanz. 29 der 38 Opfer, die sich bei der Klasnic-Kommission meldeten, bezichtigen demnach drei Patres sexueller Übergriffe. Im Fokus: Ex-Pater A., der in einem Frauenkloster in Wels Aufnahme gefunden hat.
„Katastrophal gehandelt“
Gegen die beiden anderen Patres hat die Justiz die Verfahren wegen Verjährung eingestellt. Gegen einen läuft noch ein kirchenrechtliches Verfahren, gegen den anderen hat Rom interne Auflagen verfügt. Der 82-Jährige lebt zurückgezogen im Stift Kremsmünster, wo er für die Betreuung des Archivs zuständig ist. Der Zivilprozess gegen den hauptverdächtigen Pater A., der im März 2012 aus dem Kloster ausgetreten ist, startet am 11. März.
Alle drei beschuldigten Patres haben mit den Opfern bereits Aussprachen geführt. Ob A. dabei Schuldeinsicht gezeigt habe? „Er hat gesagt, er kann sich nicht erinnern“, berichtet Abt Ambros. In einem persönlichen Gespräch mit dem Hauptbelastungszeugen habe er dann seine Schuld eingestanden. Er habe „katastrophal gehandelt“.
Wie exklusiv berichtet, hatte auch der pädophile Kinderpsychiater Franz Wurst iWn den 1970er-Jahren in Kremsmünster „gearbeitet“. „Er hat damals einen guten Ruf genossen“, sagte Pater Bernhard: „ir sind dem noch nicht nachgegangen, weil sich noch niemand gemeldet hat, der von ihm belästigt oder missbraucht worden wäre.“
Das Stift hat jetzt das Münchner Institut für Praxisforschung (IPP), das schon mit den Missbrauchsfällen im bayerischen Stift Ettal befasst war, mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Missbrauchsskandals beauftragt. Am 1. März werden die Experten mit empirischen Analysen und Interviews von Zeitzeugen beginnen. Die Studie soll Mitte 2014 vorliegen.
Dann soll auch geklärt werden, wie die Missbrauchsfälle möglich waren. „Ich frage mich oft, warum die Internatsschüler so unterschiedliche Erfahrungen machen konnten, positive und negative“, sagte Abt Ambros.
Beim 40-jährigen Maturajubiläum habe er selbst erlebt, „wie sich ein ehemaliger Mitschüler als Missbrauchsopfer outete“. Allzuviel sei verschwiegen worden, „und viele, die nicht betroffen waren, sagen heute, sie hätten damals im Internat irgendwie gespürt, dass etwas nicht stimmt“.