Seelsorgerin schafft Nähe durch Distanz

Von Verena Gabriel   07.Februar 2017

Das Vertrauen eines fremden Menschen gewinnen und ihm dabei nicht in die Augen sehen – eine Herausforderung? Nein, eher nützlich, sagt die Leiterin der Telefonseelsorge Oberösterreich, Silvia Breitwieser: „Das ist gar nicht hinderlich. Viele können ihr Problem am Telefon klarer formulieren.“

Andere tun sich wiederum schwer, Sorgen auszusprechen. Sie können sich per E-Mail oder Online-Chat an die Berater wenden. „Das wird sehr gut aufgenommen, weil es Nähe durch Distanz schafft“, sagt die 46-jährige aus Kopfing (Bezirk Schärding). Die Anfragen im Internet hätten sich in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt.

Dass Silvia Breitwieser und ihr Team in Zukunft weniger zum Hörer greifen und stattdessen häufiger die Tastatur benutzen, sei gut möglich. „Die junge Generation ist mit dem Medium vertraut. Daher könnte verstärkt nach Online-Beratung gesucht werden“, sagt die Innviertlerin. Gleichzeitig würden Probleme, die mit der Anonymität im Netz zu tun haben, immer mehr zunehmen – Stichwort Cybermobbing. „Das Internet ist sehr nützlich, birgt aber auch viele Gefahren“, sagt die Mutter von zwei Töchtern mit 13 und 15 Jahren.

Ihnen Facebook oder WhatsApp zu verbieten, kommt für die Psychotherapeutin nicht in Frage. „Meine Kinder sollen lernen, damit umzugehen“, sagt Breitwieser. Sie hält ihren Töchtern immer wieder vor Augen, welche Konsequenzen die Nutzung von Facebook oder WhatsApp haben kann. „Ihnen muss bewusst sein, dass ein Chat mit ihrer Freundin kein Vier-Augen-Gespräch ist.“ Dieselbe Botschaft möchte die Telefonseelsorge-Leiterin auch am heutigen „Safer Internet Tag“ verbreiten.

Lebensgeschichten hätten Breitwieser, die früher einmal Religion an einem Gymnasium unterrichtet hatte, schon immer sehr interessiert. Seit 2008 leitet sie die Telefonseelsorge Oberösterreich. Täglich mit Problemen anderer konfrontiert zu sein, beeinträchtigt sie privat nicht: „Ich pendle eine Stunde zu mir nach Hause. Da kann ich gut abschalten.“