"Mich reizt Neues, ich will gestalten"

Von Jasmin Bürger   18.April 2015

Der Campus könnte auch der einer US-Elite-Uni sein: Auf 15 Hektar verteilen sich 50 schmucke Ziegelgebäude in einer parkähnlichen Anlage. Nebst Kräutergarten gibt es Bankerl für sonnige Stunden und mehrere Campus-Katzen.

Wir sind aber in Transdanubien, in Floridsdorf, Wien 21., Veterinärplatz 1: Hier ist Österreichs einzige Veterinärmedizinische Universität beheimatet, die dieser Tage ihr 250-jähriges Bestehen feiert.

Gegründet 1765 von Kaiserin Maria Theresia zur Versorgung der Militärpferde, dauerte es 245 Jahre, bis auch die Unileitung in Frauenhand kam. Seit 2010 ist die in Baumgartenberg aufgewachsene Sonja Hammerschmid Rektorin, erst im September haben sie Senat und Uni-Rat für weitere vier Jahre bestätigt – einstimmig. Die Molekularbiologin hat auch skeptische Tierärzte überzeugt.

"Das hab’ ich Mädl vom Land nicht gepackt"

Forschergeist

Im luftigen Büro mit Campusblick, vielen Orchideen, modernen Bildern und Yoga-Cats-Plakat erzählt sie, wie sie die Vetmed stärker als Forschungsuni positionieren will. Tierarzt-Ausbildung und Tiergesundheit sind das eine, hier ist die Uni mit fünf Kliniken hochspezialisiert. Neue Schwerpunkte liegen im Bereich Tierethik oder der Beziehung Mensch–Tier.

Mit Forschung kennt sich die mit ihren langen Haaren und den leuchtenden Augen jugendlich wirkende 46-Jährige aus: Nach dem Studium forschte sie selbst beim Pharmakonzern Boehringer und an der Uni. Nach sieben Jahren war aber Schluss: "Der wissenschaftliche Alltag hat mich frustriert", sagt sie. Jahrelanges Arbeiten an einem Projekt, "das dann jemand anderer schneller publiziert oder im Mistkübel landet, weil die Hypothese falsch war", das war nicht ihre Welt.

Immerhin, bei Boehringer lernte sie Ehemann Michael kennen. Mit dem Biotechnologen und zwei Katzen lebt sie in Mauer, am südwestlichen Stadtrand, "wo die Weinberge beginnen".

Beruflich ging es Ende der 90er nach dem Ausstieg aus der Forschung aufwärts: Als Produktmanagerin für Hightech-Laborausstattung holte sie sich betriebswirtschaftliches Know-how, 1999 wechselte sie in die Forschungsfinanzierung. Zuletzt leitete sie den Bereich Technologie und Innovation bei der aws-Förderbank, zuständig für große Förderprojekte.

In Männerdomänen

"Ich bin immer gegangen, wenn etwas zu sehr Routine geworden ist", sagt Hammerschmid. Vorrangig in Männerdomänen: Sie war die erst zweite Rektorin Österreichs, derzeit gibt es acht. "Ich habe Chancen, die sich geboten haben, immer genutzt", sagt die Uni-Chefin.

"Leichter haben es Frauen noch nicht, aber sie trauen sich mehr", glaubt Hammerschmid an langsame Veränderung in Führungsebenen. Die Frauenquote sieht sie als "Erste-Hilfe-Maßnahme".

An der Vetmed hat sie Betriebskindergarten und Ferienbetreuung etabliert. Selbst braucht Hammerschmid davon nichts: "Kinder waren für mich nie Thema, aber nicht aus Karrieregründen", sagt sie.

"Das hab’ ich Mädl vom Land nicht gepackt"
Hunde, Pferde, Katzen: Sie alle können heute mit modernen Magnetresonanz-Tomografen untersucht werden.

Politische Ambitionen

2018 noch einmal als Rektorin kandidieren will sie nicht. "Mich reizt Neues, ich will gestalten", sagt sie. Klingt nach politischen Ambitionen? "Ja, Politik reizt mich, ich bin ein sehr politischer Mensch." Parteimitglied ist die schon in Ministerspekulationen aufgetauchte Managerin nicht. "Ideologisch bin ich ein Arbeiterkind, SPÖ, ÖVP, aber auch Neos haben Themen, die mich ansprechen." Ihre Wertvorstellungen würde sie aber nicht ändern.

Geprägt haben Hammerschmid neben den Eltern, die sie und ihren Bruder "immer unterstützt haben", die Lehrer in der Hauptschule Baumgartenberg und am BORG Perg. Sie haben das Interesse an Naturwissenschaften gefördert, keine Selbstverständlichkeit bei Mädchen, wie die Rektorin feststellt.

Inskribiert hatte Hammerschmid neben Biologie einst auch Medizin. "Aber 2000 Leute im Fight um Labor- und Sezierplätze, diese Massen habe ich als Mädl vom Land damals nicht gepackt", sagt sie.

An der Vetmed gibt es das Gerangel vor Studienbeginn: Auf 220 Plätze in Veterinärmedizin kamen zuletzt 1400 Bewerber. "Nur so können wir patientenorientierte Ausbildung auf bestem Niveau anbieten", sagt Hammerschmid.

Dass sie sich in Medizin nicht durchgerauft hat, das bereut sie ein wenig. Chirurgin und ein Job bei "Ärzte ohne Grenzen", das war auch ein Berufstraum. So wie Designerin, Hammerschmid nahm in der Schule an Mode-Wettbewerben teil.

Dieser Traum zerplatzte an der gescheiterten Aufnahme an der Angewandten. Geschneidert wird gelegentlich noch, zuletzt ein "businesstaugliches" Opernballkleid.

Nichts wurde es auch mit dem Vorsitz in der Rektorenkonferenz: 2013 unterlag sie Heinrich Schmidinger. Ob sie heuer kandidiert, weiß sie noch nicht – "damals wäre es besonders spannend gewesen".

Mühlviertler Spezialität

Bei ihren Hobbys Laufen und Mountainbiken trifft man sie auch im Mühlviertel. Und was genießt sie noch bei Besuchen bei Freunden und dem Vater in Baumgartenberg? "Hacklknödel oder kalte Ripperl" – eine Mühlviertler Spezialität, die Ehemann Michael, der burgenländische und Wiener Wurzeln hat, "überhaupt nicht packt".

Wie sieht sie sich selbst – Mostschädl oder Weana Bazi? "Schnell gefragt, Mostschädl, aber in meiner Brust schlagen drei Herzen: ein Wiener, ein Mühlviertler und natürlich ein europäisches."

 

 

Nachgefragt

Heimat ist für mich … „ein Platz, wo ich mich wirklich zuhause und wohlfühlen kann. Das kann überall sein.“

Heimweh nach Oberösterreich bekomme ich … „wenn ich auf der Speisekarte in Wiener Lokalen Hacklknödel – Hascheeknödel – finde.“

Das gibt es nur in Wien ... „Eine einzigartige Kombination aus Metropole und extrem hoher Lebensqualität“

Mein Lieblingsplatz in Wien ... „Der Maurer Berg“

Der größte Unterschied zwischen Wienern und Oberösterreichern... „Oberösterreicher sind sturer, dafür in der Regel zu ihrem Umfeld und dem Leben sehr positiv eingestellt – Wiener manchmal weniger.“

"Das hab’ ich Mädl vom Land nicht gepackt"
Früher musste bei tierärztlichen Untersuchungen dagegen noch Hand angelegt werden.

Info

250 Jahre wird die von Kaiserin Maria Theresia gegründete Veterinärmedizinische Uni Wien heuer: Sie ist die älteste im deutschsprachigen Raum, die drittälteste weltweit. Das wird unter anderem bei einem Tag der offenen Tür am 30. Mai gefeiert.

2300 Studenten sind an der Vetmed eingeschrieben, rund die Hälfte studiert Veterinärmedizin. Acht weitere Studienrichtungen gibt es– etwa Biomedizin, Biotechnologie oder den neuen Studienzweig Mensch-Tier-Beziehung. 80 Prozent der Studierenden sind weiblich. 1300 Mitarbeiter hat die Uni, davon rund 684 wissenschaftliche Mitarbeiter und 40 Professoren.

45.000 Patienten wurden an den fünf Unikliniken im Jahr 2014 betreut – alle Tierarten von Fischen über Kleintiere bis zu Pferden. Weiterer wichtiger Forschungsschwerpunkt ist Lebensmittelsicherheit.