Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Linz und die Legende vom verlorenen Schnaps

Von Klaus Buttinger, 25. Februar 2017, 00:04 Uhr
Old Tom Gin, Old Scotch, Jamaica-Rum und Cognac   Bild: (Wiki Commons)

LINZ. Ab 1945 lagerten in einem Stollen im Linzer Froschberg Hunderttausende Liter Schnaps aus dem Zweiten Weltkrieg. Vor vierzig Jahren ging die faszinierende Geschichte zu Ende. Ein Zöllner erinnert sich.

"Wir erfreuen uns doch alle an einer alten Kriegsgeschichte, nicht wahr?" Nun ja. Jene Geschichte, von der US-Colonel John M. Gaustad im Folgenden zu berichten weiß, ist eher eine Schnapsgeschichte – im wahrsten Sinn des Wortes. Es ist die "Legende der verlorenen Spirituosen" oder wie der pensionierte Offizier einst schrieb: "A legend of lost liquor". Ein langes Kapitel darin spielt in Linz. Hier endete die Geschichte um Abertausende Liter Schnaps vor vierzig Jahren, nachdem sie vor 75 Jahren in Nordafrika begonnen hatte.

Die Truppen des nazi-deutschen Afrikakorps unter dem legendären Feldmarschall Erwin Rommel stießen am 20. Juni 1942 bei der Eroberung von Tobruk auf ein riesiges Spirituosenlager. In großen Eichenfässern befanden sich geschätzte 1,9 Millionen Liter beste Brände: schottischer Whisky, Jamaica Rum, London Gin und französischer Cognac. Große Mengen Wein sollen auch darunter gewesen sein. 

Erwin Eugen Rommel: Der deutsche Generalfeldmarschall, von der NS-Propaganda als Wüstenfuchs tituliert, eroberte den Liquor von den Briten und verlor ihn beim Rückzug an die Amerikaner.     Bild: (© CORBIS)

Erwin Eugen Rommel: Der deutsche Generalfeldmarschall, von der NS-Propaganda als Wüstenfuchs tituliert, eroberte den Liquor von den Briten und verlor ihn beim Rückzug an die Amerikaner.    

Vermutlich waren es die Bestände der britischen 8. Armee, die sich unter dem eher glücklosen General Neil Ritchie mit den Soldaten des "Wüstenfuchses" Rommel blutige Gefechte lieferte.

Neil Methuen Ritchie: Hatte als Lieutenant General den Oberbefehl über die britische 8. Armee, als der Hafen in Tobruk (Libyen) in die Hände der Deutschen fiel. Hier befand sich vermutlich das Schnaps-Lager.   Bild: (Wiki Commons)

Neil Methuen Ritchie: Hatte als Lieutenant General den Oberbefehl über die britische 8. Armee, als der Hafen in Tobruk (Libyen) in die Hände der Deutschen fiel. Hier befand sich vermutlich das Schnaps-Lager.  

Wie die Geschichte lehrt, kapitulierten die Deutschen Streitkräfte in Afrika 1943. Beim Rückzug nahmen sie die erbeuteten Fässer unter vermutlich erheblichem Eigenverbrauch mit nach Italien. Dort, genauer im kleinen Fischerort Nettuno, knapp 70 Autokilometer südlich von Rom, durfte sich die nächste Armeeeinheit über das Getränkelager freuen, wie Colonel Gaustad erzählt: Es handelte sich um das vierte Korps der US-Armee, das am 22. Jänner 1944 am nahe gelegenen Strand von Anizo gelandet war. Der Fund, so wird berichtet, soll noch 230.000 Gallonen der harten Getränke umfasst haben. Grob gerechnet passen vier Liter in eine Gallone. Es waren also noch fast eine Million Liter vorhanden.

Große Umfüllaktion

Im Auftrag der US-Armee wurde der Rommel-Schnaps von der Delva Brennerei in Ein-Liter-Flaschen umgefüllt. Die Etiketten kamen von der Lit. P. Casseti Company in Rom. Eine R.A.A.C. genannte militärische Einheit der Amerikaner bestätigte mit einem Spezialetikett auf jeder Flasche, dass der Inhalt getestet und für gut befunden wurde (siehe Foto).

Eine als R.A.A.C. bezeichnete US-Militäreinheit bestätigt 1944 oder 1945 per Etikett auf jeder Flasche, dass der Rommel-Schnaps dem Qualitätsstandard für alliiertes Militärpersonal entspricht.   Bild: (Wiki Commons)

Eine als R.A.A.C. bezeichnete US-Militäreinheit bestätigt 1944 oder 1945 per Etikett auf jeder Flasche, dass der Rommel-Schnaps dem Qualitätsstandard für alliiertes Militärpersonal entspricht.  

Nach dem Sieg der Alliierten begann eine große Umorganisation des Militärs, in deren Verlauf die in Kisten verpackten Schnapsflaschen in einen Zug verladen wurden, der dann Ende des Jahres 1945 in Linz einfuhr. Je nach Quellenlage sollen zwischen 900.000 und 600.000 Liter den Weg nach Linz gefunden haben, wo der Schnaps unter akribischer Bewachung von US-Militärpersonal entladen und tief im Zentralkeller eingelagert wurde – auf Stroh und in mehreren Lagen.

Dort, wo noch vor kurzem Flugzeugteile für die Nazi-Luftwaffe gefertigt wurden, lag nun ein Schnaps-Schatz, der in eingeweihten Kreisen hohes Interesse auslöste. Anfänglich wurden Flaschen für die Schnapsläden der US-Armee und für offizielle Anlässe der US-Militärregierung entnommen. Auch soll Rommels Rum "Donaupiraten angelockt" haben, wie eine deutsche Zeitung schrieb. Die durstigen Kehlen gruben sich ins Alkoholparadies und erbeuteten mehr als tausend Flaschen.

Vor 40 Jahren überwachte der heute 76-Jährige den Schnaps-Transport.   Bild: (Wiki Commons)

Vor 40 Jahren überwachte der heute 76-Jährige den Schnaps-Transport.  

"1947 bis 1977 – 30 Jahre, das ist eine lange Zeit, da ist was weggekommen", sagt Walter Pils (76), der in seiner aktiven Zeit als Zöllner mit der Sache zu tun hatte. "Wir wissen nicht warum, aber 1947 ging die Verantwortung für den Schnaps von der Besatzungsmacht auf das Hauptzollamt Linz über", berichtet Pils. Nun harrten also mehrere Hunderttausend Flaschen unter Zollverschluss in den Stollen des Zentralkellers auf ihre Bestimmung, während an der Oberfläche mehrere Parteien in den Besitz der wärmenden Getränke zu kommen versuchten.

Walter Pils in jungen Jahren.     Bild: (Wiki Commons)

Walter Pils in jungen Jahren.  

Die Uniford Establishment etwa oder die Capital Facility Corporation mit Sitz in New York. Letztere spendete, wohl um sich das Wohlwollen der lokalen Politiker zu sichern, 23.050 Liter Frascati-Weißwein an Altersheime und Krankenhäuser in Oberösterreich, "auf Intervention des Herrn Landeshauptmannes Heinrich Gleißner". Wofür sich die Landessanitätsdirektion im Namen Gleißners in einem Schreiben vom 25. September 1948 auch brav bedankte.

"Herrlich zum Trinken"

"Manchmal wurden Muster gezogen", erinnert sich Pils. 1963 und 1974 bestätigten österreichische Labors die vorhandene Trinkbarkeit des Alkohols. "Wir haben das auch überprüft", sagt Pils schmunzelnd, "herrlich zum Trinken". Ein paar leere Flaschen der berühmt-berüchtigen Spirituosen von damals hatte er einst daheim, beim Umräumen schmiss er sie irgendwann weg. Das sei zum Weinen, meint er heute, da er zum vielfach interessierten Sammler von Zeitzeugnissen wurde (siehe Kasten unten). 1976 schließlich zeichnete sich ein Ende der Geschichte ab. Die USAREUR, also die US-Armee in Europa, zahlte die ausständigen Lagerkosten, damals 90.000 Schilling, und zog den Schnaps in zwei Tranchen zu je ein paar zehntausend Flaschen nach Deutschland ab.

 "Delva" besagt die Prägung auf der Korkkappe. So hieß die Brennerei, die den Rommel-Schnaps in Glasflaschen abfüllte.   Bild: (Wiki Commons)

"Delva" besagt die Prägung auf der Korkkappe. So hieß die Brennerei, die den Rommel-Schnaps in Glasflaschen abfüllte

Der besondere Saft wurde über die PX-Läden in den Kasernen der Amerikaner verkauft, und ging weg wie warme Brötchen. Zuvor hatte die USAREUR in Linz Häftlinge angefordert, um den Schnaps für die Abreise zu verpacken. Viele Flaschen waren zerbrochen, da Kisten und Stroh im feuchten Stollenklima verrottet waren. "Die Häftlinge waren nach kurzer Zeit rettungslos betrunken", erinnert sich Pils schmunzelnd. "Am 23. Februar vor 40 Jahren war dann die letzte Begehung des Stollens, die letzte Zählung der Flaschen, die in Kartons und auf Paletten transportfertig geschlichtet waren."

Zwei Jahre später wurden 40.000 Flaschen Rommel-Schnaps in Frankfurt versteigert. Um den Hals jeder Flasche hing ein Heftchen mit der "Legend of the lost liquor" aus der Feder Colonel Gaustads. Die Preise für Rommels Flüssigbeute sind mittlerweile explodiert. 500 Euro muss man mindestens rechnen. Fälschungen häufen sich.

Originalverschlossene Flasche "Special Brand Old Scotch Whisky" aus dem Linzer Stollen. Zu besichtigen im First Austrian Scotch Whisky Museum in Steyregg     Bild: (Volker Weihbold)

Originalverschlossene Flasche "Special Brand Old Scotch Whisky" aus dem Linzer Stollen. Zu besichtigen im First Austrian Scotch Whisky Museum in Steyregg    


Der letzte Augenzeuge

Zöllner Walter Pils aus Walding führte vor vierzig Jahren die letzte Begegnung des Zentralstollens durch, in dem der "Lost liqour" 30 Jahre lang lagerte. Damals war er Zollwacheoberkontrollor bei der Finanzlandesdirektion OÖ. 2001 ging Pils als Chefinspektor in den Ruhestand. Seit 1994 betreut Pils die zoll- und finanzgeschichtliche Sammlung des OÖ. Landesmuseums auf Schloss Freistadt. Die Sammlung kann nach Voranmeldung besichtigt werden.

 

mehr aus Oberösterreich

Unfall mit "Polizei-Pullover" hat für Postenkommandanten ein Nachspiel

Schwerer Unfall in Prambachkirchen: Kinder hatten Schutzengel

Wer profitiert von "historischem" Gasfund in Molln?

"Sensationelles Interesse" beim Linzer Autofrühling

Interessieren Sie sich für diesen Ort?

Fügen Sie Orte zu Ihrer Merkliste hinzu und bleiben Sie auf dem Laufenden.

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

5  Kommentare
5  Kommentare
Die Kommentarfunktion steht von 22 bis 6 Uhr nicht zur Verfügung.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
gnagflow (5 Kommentare)
am 06.03.2017 19:08

Interessanter Bericht! Ich hab da eine Original verschlossene Flasche "D COGNAC DELVA - Fine Champagne Pale" bei mir zu Hause in der Vitrine stehen. Aufmachen möchte ich ihn nicht. Vielleicht verkaufe ich ihn mal oder das OÖ. Landesmuseum Schloss Freistadt interessiert sich dafür!?

lädt ...
melden
vonWolkenstein (5.562 Kommentare)
am 25.02.2017 22:08

Ich bekam in den 70er-jahren einmal eine Kostprobe eines Schnapses der deutschen Wehrmacht. Sie schmeckte wie Petroleum. Wir waren alle froh, dass wir nicht krank geworden sind.

lädt ...
melden
Puccini (9.519 Kommentare)
am 25.02.2017 21:33

Der Schwund war enorm.
Wer da wohl aller seinen Durst stillte?

lädt ...
melden
ersterkarli (4.669 Kommentare)
am 25.02.2017 19:35

Semmel

lädt ...
melden
ricki99 (1.020 Kommentare)
am 25.02.2017 18:51

Warme Brötchen, Herr Buttinger da geht mir ja der Feitel in der Tasche auf. traurig

Bei uns in OÖ heißt das Warme Semmeln und wenn Sie es schon norddeutsch ausdrücken wollen, dann schreiben Sie doch wie geschnitten Brot. zwinkern

lädt ...
melden
Aktuelle Meldungen