Krieg in Jugoslawien: Angeklagter streitet 16 Morde ab
LINZ. Nächste Woche Mittwoch startet in Linz ein wahrer Mammutprozess. Ein gebürtiger Bosnier muss sich wegen 16 Morden verantworten, die in den Wirren des Jugoslawienkrieges im Jahr 1992 in Bosnien passiert sind.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem heute 48-jährigen Baggerfahrer vor, als Mitglied einer bewaffneten Truppe von Bosniaken aus Rache ein serbisches Dorf überfallen und 16 Bewohner ums Leben gebracht zu haben. Zudem habe die Kampftruppe elf Häuser angezündet, weswegen sich der Mann auch wegen Brandstiftung verantworten muss. Zuvor waren Serben über bosnische Siedlungen hergefallen.
Sein Strafverteidiger, der Linzer Rechtsanwalt Jürgen Nowotny sagt, sein Mandant werde sich nicht schuldig bekennen. Der Angeklagte behauptet, er habe an dem Massaker im Dorf Serdari gar nicht teilgenommen. Er sei an dem Tag in einem Nachbarort gewesen und habe dort „Lazarettdienste“ geleistet. Dafür gebe es entlastende Zeugenaussagen.
Laut Verteidigung gebe es nur zwei Dorfbewohnerinnen, die den Angeklagten „erkannt haben wollen“. Alle anderen Zeugen hätten die Vorwürfe nur vom „Hörensagen“.
„Die Bewertung der Glaubwürdigkeit der Zeugen obliegt aber ausschließlich den Geschworenen“, betont der Anwalt.
36 Verhandlungstage geplant
Das Prozessprogramm umfasst 36 Verhandlungstage und erstreckt sich bereits bis Anfang Mai. Mit einem Urteil sei wohl erst im Juni 2016 zu rechnen, sagt Nowotny. 23 Zeugen hat die Anklagebehörde beantragt, neun Entlastungszeugen die Verteidigung. Einige Zeugen sollen direkt in Linz aussagen. Aber auch Befragungen per Video sind geplant.
Der Grund, warum der Mordprozess in Österreich stattfindet: Der Angeklagte ist seit 2005 österreichischer Staatsbürger und kann als solcher nicht ins Ausland ausgeliefert werden. Der Mann beantragte 1993 in Österreich Asyl. Er lebt im Bezirk Linz Land und sei „gut integriert und unbescholten“, sagt sein Anwalt. Der Angeklagte kam 2011 für 34 Tage in Untersuchungshaft, wurde aber dann aus dem Gefängnis entlassen. Der 48-Jährige habe nie versucht, das Land zu verlassen. Daher liege keine Fluchtgefahr vor. Er wird sich dem Prozess am Mittwoch auf freiem Fuß stellen.
Dass für diesen Fall nicht das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zuständig ist, erklärt Staatsanwalt Philip Christl: „Wir gehen nicht von einem Kriegsverbrechen aus, weil es sich nicht um einen Angriff einer Armee, sondern um privat organisierte Täter handelte.“ Die Verteidigung spricht von einer „Territorialeinheit“. Vier Haupttäter dieser Bande wurden im Vorjahr wegen des Massakers in Serdari in Sarajewo zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Das Urteil sei aber wegen Verfahrensfehlern aufgehoben worden. Seither sei dort nichts mehr passiert, sagt Anwalt Novotny. Auch diese vier Männer sollen im Linzer Prozess als Zeugen aussagen. Das Gericht unter dem Vorsitz von Richter Rainer Nimmervoll erhält auch Unterstützung von zwei Historikern aus Graz, die als Gutachter über die komplizierte Konfliktlage im Bürgerkrieg auf dem Balkan aufklären sollen.
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