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Hullareiduljo

Von Bernhard Lichtenberger, 24. März 2018, 00:04 Uhr
Hullareiduljo
Singen und jodeln auf der Alm. Bild: colourbox

Auf der Großternbergalm hat sich Bernhard Lichtenberger auf die Magie des Jodelns eingelassen.

Was heißt Hullareiduljo?" Hermann Härtels wie aus der Pistole geschossene Frage trifft die bunt zusammengewürfelte Schar unerwartet. Ratlose Blicke, verschlossene Lippen. "A unbändige Lebensfreude", antwortet der Fragende selbst und unterbricht das Schweigen. "Hullareiduljo, das sagt keiner beim Begräbnis." Aber dort, wo’s dem Volksmund nach keine Sünd’ gibt, auf der Alm also, da tät’s ganz gut passen.

Zum Beispiel auf der Großternbergalm. Ein schmaler Güterweg führt vom Tal der Feitelmacher gut dreieinhalb Kilometer auf 680 Meter Höhe. Vor dem Hof, den Petra und Johannes Ubachs seit 2011 bewirtschaften, erkennen die kurz vor neun Uhr früh Eintrudelnden sofort, dass sie hier richtig sind. Auf einem ausgerollten Plakat empfängt ein junges Mannsbild mit nacktem Oberkörper, das vor nebelumwehter Gebirgskulisse mit weit aufgerissenem Mund posiert. "Die Magie des Jodelns", steht darüber.

Elf Frauen und neun Männer haben sich an dem Tag vor der jähen Rückkehr des Winters eingefunden, um sich gewissermaßen vokal zu entäußern. "Gelebte Almkultur – Singen und jodeln auf der Alm" nennt sich das Seminar, das vom Ländlichen Fortbildungsinstitut der Landwirtschaftskammer zwei Mal im Jahr angeboten wird. "Mit unseren Kursen wollen wir die Almbauern schulen und bei ihrer Arbeit unterstützen", sagt Reinhold Limberger vom Oberösterreichischen Almverein. "Und wenn neben dem Erleben der Landschaft und dem guten Essen auf der Alm gesungen wird, dann ist es das Tüpferl auf dem i."

"Arschbacken zusammen!"

Hermann Härtel hat sich in der Stube vor dem grünen Kachelofen aufgepflanzt. Der 69-Jährige und seine 60-jährige Frau Ingeborg halten sich nicht mit einem Vorspiel auf. Frisch außa wia’s drin ist, scheint die Devise des steirischen Paares zu sein, das sich als Jodel-Lehrer einen exzellenten Ruf erworben hat. "Hullaredirijeije, hullareiduljo", stimmt der Volksliedforscher den "Ramsauer" an. Von diesem Jodler ist überliefert, dass ihn schon der Irg Steiner gesungen hat, der 1909 als Erster die Dachstein-Südwand durchkletterte.

Mit der Körperspannung der Seminaristen zeigt sich Hermann Härtel anfangs unzufrieden. "Bei ,Hulla’ die Arschbacken zusammen, sonst kommt nicht alles vorne raus. Beim Jodeln braucht man den ganzen Körper, die Cellulite, alles macht mit", sagt der Hermann, der um einen kecken, die Stimmung hebenden Spruch nie verlegen ist.

Die Inbrunst, mit der hier zu Werke gegangen wird, unterscheidet sich vom technokratischen Unterton, der mitschwingt, wenn der Duden zur Definition des Jodelns ausholt: "Auf bloße Lautsilben in schnellem (kunstvollem) Wechsel von Brust- und Kopfstimme singen." Die Ursprünge dieser Vokalform, mit der in gebirgigen und unwegsamen Teilen der Welt Distanzen akustisch überwunden wurden, reichen weit zurück. Hirten, Sammler, Köhler oder Waldarbeiter kommunizierten jodelnd. In den Alpen verständigten sich die Sennerinnen und Senner mit Almschroa und Juchitzer, aber auch das Vieh wurde mit einem Jodler angelockt.

Die Teilnehmer des Seminars sind nicht gekommen, weil sie sich über mehrere Kilometer hinweg etwas zu sagen haben, und bei weitem nicht alle haben etwas mit der Almbewirtschaftung am Hut. Regina Zöttl stammt zwar von einem Biobauernhof mit Jausenstation in Maria Neustift, beruflich wirkt sie aber als biomedizinische Analytikerin in der Pathologie. Die 30-Jährige, die mit ihrer Steirischen Harmonika bei Floßfahrten auf der Enns unterhält, versucht sich zum ersten Mal in der besonderen Stimmkunst. "Es ist schade, dass die Volkskultur bei den jungen Leuten abkommt", erklärt sie ihre Motivation. "Jemand soll das Jodeln weitertragen und weiterleben. Es befreit total. Man singt sich alles von Leib und Seele."

Die pensionierten Landärzte Viktoria und Bernhard Lang sind "Wiederholungstäter", weil’s süchtig macht, wie der 65-Jährige aus Sarleinsbach meint. "Wenn ich in den Keller um ein Bier gehe, dann lass’ ich beim Jodeln die Emotion heraus. Für die Psychohygiene ist das ganz wichtig", sagt der Mühlviertler, der vor zwölf Jahren eine Landwirtschaft gekauft hat. Die betreibt jetzt der Sohn im Haupterwerb mit seltenen Haustierrassen und Bergkräuteranbau.

"Jodelkurse sind ein Auffanglager für viele, die in der Schule niedergemacht wurden", sagt Hermann Härtel. Für den gelernten Industrienähmaschinenmechaniker ist es Kindesmisshandlung, wenn Schüler zum Verstummen gebracht und als unmusikalisch bezeichnet werden. "Ein Kind sucht die Stimme. Einem Suchenden kannst du nur helfen und ihn nicht abschalten." Dass die Jodelkunst eine Renaissance erlebt, liege am wachsenden Bedürfnis, zurück zur Natur zu finden, zum Ursprung, zu den einfachen Dingen.

Im Massenverbund gehen wir Jodel-Eleven nun richtig aus uns heraus. Von Ingeborg Härtel gestisch und mimisch geleitet, legt sich eine Hälfte mit der Überstimme zur Hauptstimme dazu. Wenn es den typischen Kipper vereinzelt etwas zerbröselt oder ein Ton auf die schiefe Bahn gerät, fällt das nicht sonderlich auf. Etwas zaghafter gerät das Engagement, wenn die Härtels fragen: "Wer traut sich zu zweit?" Mutige werden mit einem "Jodeln is meins!"-Anstecker belohnt. Mit "Tririja" und "Hoedjoe" allein ist es nicht getan, weil’s auf der Alm auch was zu erzählen gibt. Etwa von der Sennerin, "a Madl, wia Müli und wia Bluat, sie liabt an frischen Jaga, vom Herzn is s’eahm guat".

Damit das Erlernte nicht im Vergessen verhallt, bedienen sich einige Teilnehmer am Bauchladen der Härtels, in dem etwa drei Hausübungshefte samt CDs feilgeboten werden. Aber auch das Jodeln geht mit der Zeit. Die Jodler-App verführt dazu, sich in zwei Minuten den ersten Jodler entlocken zu lassen. Vier weitere gibt’s gratis, die Tür zum Fundus von 60 Jodlern öffnet der Euro. 29,99 Euro, um genau zu sein.

"Meine Aufgabe ist es, euch aus der Reserve zu locken", sagt Hermann Härtel. Gemessen an der Erschöpfung, die nach acht Stunden des Jodelns und Singens zu spüren ist, war er erfolgreich. Auf der Heimfahrt muss es weiter frisch außa, wia’s drin ist. "Hullareiduljo!" Gut, dass es für heruntergelassene Autofenster noch zu kalt ist.

 

Tipp: "Losn", dreitägiges Seminar mit Wandern, Jodelnlernen und Märchenhören in der Landschaft des Almtals mit Ingeborg und Hermann Härtel und Märchenerzähler Helmut Wittmann; 2. bis 4. August, Grünau im Almtal. Info: Tel. +43-664-2411307, www.tradmotion.at

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1  Kommentar
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bartgeier (1.024 Kommentare)
am 24.03.2018 07:27

Jodeln auf der Alm Seminare, erinnern mich an die Piefke Saga von Felix Mitterer teil Drei. Die Realität hat das persiflierende Absurdum der damaligen Zeit überholt!

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