Hausbesitzer in St. Wolfgang zittern: Im Bauamt sind 900 Verfahren offen

Von Edmund Brandner   02.März 2016

VP-Bürgermeister Franz Eisl selbst brachte die Sache ans Licht. Der 40-Jährige, der seit einem dreiviertel Jahr im Amt ist, verschaffte sich in den vergangenen Monaten einen Überblick über alle Abteilungen, zuletzt prüfte er die Bauabteilung. Dabei stellte er zu seinem Entsetzen fest, dass dort seit 20 Jahren Bauverfahren nicht abgeschlossen wurden.

Im Extremfall droht Abriss

"Wir reden von rund 900 Verfahren in allen Größenordnungen", sagt Eisl. "Vom Einbau einer Ölheizung bis zur Errichtung ganzer Häuser." Bei 70 Prozent der Fälle fehle die Kollaudierung – also die behördliche Abnahme nach Fertigstellung. Bei den restlichen 30 Prozent sind die Verfahrenslücken größer.

Betroffen sind mehr als die Hälfte aller Liegenschaften, die dadurch nicht rechtmäßig sind. Ihre Besitzer sind damit mit brisanten juristischen Fragen konfrontiert. Etwa ob ihre Hausversicherung gültig ist. Oder ob Abgaben nachzuzahlen sind. Immerhin ging die Gemeinde bei der Bemessung von Gebühren in vielen Fällen von falschen Flächenangaben aus.

In Fällen, in denen keine Baubewilligung vorlag, kann die Sache haarig werden. "Nachträgliche Bewilligungen sind möglich", sagt Andreas Hauer, Vorstand des Instituts für Verwaltungsrecht an der Kepler-Universität Linz. "Allerdings kann sich die Rechtslage in der Zwischenzeit verändert haben." Das müsse aber nachträglich berücksichtigt werden. "Falls das nicht möglich ist, muss im Extremfall abgerissen werden."

"Bekannt, dass die Dinge nicht optimal laufen“

Für die Bauabteilung in St. Wolfgang war in all den Jahren der Gemeindebeamte Josef R. zuständig – und zwar alleine und damit völlig überfordert. "Anfangs klagte er darüber bei seinen Vorgesetzten, erhielt aber keine Verstärkung", so Bürgermeister Eisl. "Irgendwann gab er auf und schloss Bauverfahren nicht mehr ab."

Ortsoberhaupt in dieser Zeit war der Landtagsabgeordnete und VP-Bezirksparteiobmann Hannes Peinsteiner, der bereits im Vorjahr nach einem desaströsen Gemeindeprüfbericht alle seine politischen Ämter zurücklegte. Der jüngste Skandal ist im Grunde die Fortsetzung dieser Misere.

Peinsteiner rühmte in den vergangenen Jahren stets die "schlanke Verwaltung" seiner Gemeinde. Verantwortlich für die Missstände fühlt er sich heute nicht. "Als Bürgermeister kann man nicht hinter jedem Akt herlaufen", sagt er. "Es gibt eine Verantwortung für die Politik, und es gibt eine Verantwortung für die Verwaltung."

Sein Nachfolger Franz Eisl hat Hilfe von der Landesregierung und von der Bezirksbehörde angefordert, um die Fälle rasch aufarbeiten zu können. "Wir werden jeden einzelnen betroffenen Hausbesitzer kontaktieren und beraten", sagt er. "Die brisantesten Fälle werden wir zuerst abarbeiten."

Bezirkshauptmann Alois Lanz sagte im ORF-Interview, dass es schon seit längerer Zeit bekannt sei, "dass die Dinge nicht optimal laufen.“ Das genaue Ausmaß kenne man aber erst seit ein paar Tagen, so Lanz. Ein Teil der Akten seien „reine Formalitäten“, nur ein kleiner Teil aber „echte Dinge, die viel Arbeitszeit brauchen“, sagte der Bezirkshauptmann zum ORF.

Ortspolitik rückt zusammen

Angesichts der dramatischen Ausnahmesituation hat sich in der 2800-Einwohner-Gemeinde ein politischer Schulterschluss zwischen VP, SP und FP gebildet. "Wir müssen jetzt im Sinne der Bevölkerung gemeinsam die Ordnung wiederherstellen", sagt SP-Vizebürgermeister Wolfgang Peham. "Alles andere wäre verantwortungslos."

 

Drei Fragen an Franz Eisl

3 Fragen an...

Der Bürgermeister von St. Wolfgang muss die Scherben seines Vorgängers und VP-Parteifreundes aufräumen.

1. Wird der verantwortliche Sachbearbeiter im Bauamt seinen Job verlieren?

Nein, ich hoffe nicht. Außerdem kann er bei der Aufarbeitung wertvolle Hilfe leisten, weil er mit den Fällen ja vertraut ist. Die Situation ist für ihn nicht leicht.

2. Müssen die Verantwortlichen mit einem juristischen Nachspiel rechnen?

Das ist Sache der Justiz. Wir Gemeindeverantwortlichen tun alles dafür, die Sache im Sinne der Bevölkerung rasch zu bereinigen, damit sind wir voll beschäftigt.

3. Rechnen Sie mit dem Zorn der betroffenen Hausbesitzer?

Ich kann jetzt nur um Vertrauen bitten. Wir werden die Dinge wieder ins Lot bringen und bemühen uns um eine geordnete und transparente Vorgehensweise.