Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Gefallen für den Kaiser, geflohen vor dem Führer

Von Klaus Buttinger, 22. November 2014, 00:04 Uhr
Gefallen für den Kaiser, geflohen vor dem Führer
Das Ehepaar Klein aus Kalifornien fand mit Hilfe von Charlotte Lugmayr-Frantz (re.) die Gräber ihrer Vorfahren auf dem jüdischen Friedhof in Linz. Bild: privat

Eine jüdische Familie auf der Suche nach ihren Wurzeln.

Wege gibt es auf dem jüdischen Friedhof in Linz keine. Zwischen den Gräbern bedeckt schütteres Gras die Erde, liegt Laub – aber zwischen den Grabsteinen verlaufen die Fäden unsichtbarer Geschichten. Eine – die der Kaufmannsfamilie Rosenblum – hat sich vor wenigen Tagen fortgesponnen.

Der eine Faden reicht bis nach Kalifornien. Barry Klein, Radiologe aus Agoura, einem Vorort von Los Angeles, sucht seine jüdischen Vorfahren. Er weiß nur, dass seine Familie aus Österreich stammt. Die Kleins haben 1939 das nationalsozialistische Wien verlassen, Barrys Vater und Tante mit einem so genannten Kindertransport. Sie landeten auf Umwegen in New York. Großmutter Klein war eine geborene Rosenblum aus Linz.

Hier kommt nun Charlotte Lugmayr-Frantz aus Hellmonsödt ins Geflecht. Sie bemüht sich seit vielen Jahren um die Erhaltung jüdischer Friedhöfe, beforscht die Grabstätten und speist ihr Wissen ins Grabrecherche-Portal "findagrave.com" ein. Sie findet das Grab von Barrys tschechischstämmigen Urgroßeltern, Sophie († 1927) und Leo Rosenblum († 1937), auf dem jüdischen Friedhof Linz, der auf einem abgesperrten Areal des Barbarafriedhofs situiert ist. Die Rosenblums betrieben im Haus Altstadt 30 ein Bekleidungsgeschäft. Barry Klein und seine Frau Susan beschließen darob nach Europa zu fahren, zumal eine ihrer Töchter in Bonn studiert.

Mit Rechercheurin Lugmayr-Frantz besuchten sie kürzlich die Grabstätte ihrer Vorfahren. Susan Klein sagte danach: "Ich habe vor der Reise befürchtet, dass Barry der Besuch in Linz verärgern würde, wegen der schlimmen Dinge, die seine Vorfahren erleben mussten. Aber so war es dann doch nicht."

Wie in vielen jüdischen Familien enden Fäden aus der Vergangenheit in Konzentrationslagern. Maria Klein, so hat Lugmayr-Frantz herausgefunden, wurde in Theresienstadt ermordet. Sie war die Schwester von Barry Kleins Großvater.

Der ganze Stolz der Rosenblums

Ein Faden führt von den Linzer Rosenblums zu einem weiteren kurzen Leben, dessen Ende nicht der Führer, sondern der Kaiser zu verantworten hat. Der ganze Stolz der Rosenblums war ihr Sohn Emil. Sein Porträt nahmen die Kleins auf der Flucht vor den Nazis mit. Es hängt in Barrys Haus. "Ein fescher Mann", sagt er, "der meinem Vater sehr ähnlich sah." Selbstsicher, dekoriert mit drei Orden auf der Brust, blickt Emil Rosenblum aus dem Ölbild. Kurz nachdem es gemalt wurde, fiel er auf dem "Feld der Ehre" für Kaiser und Vaterland – in einem der sinnlosesten Gefechte des Ersten Weltkriegs, 1918 an der italienischen Front.

Erstaunlicherweise überkreuzte sich Emil Rosenblums kurzer Lebensfaden mit dem des "größten Feldherrn aller Zeiten". Wie Adolf Hitler besuchte Emil Rosenblum die Realschule in Linz, damals in der Steingasse beheimatet. Während Rosenblum die Schule zwei Jahrgänge über dem späteren Diktator abschloss, blieb Hitler wegen mangelnder Leistungen einmal sitzen und wechselte in die Realschule Steyr, als er erneut eine Klasse wiederholen sollte.

Des Oberleutnants der Reserve, Emil Rosenblum, wird auf einem Denkmal auf dem jüdischen Friedhof in Linz gedacht; neben 41 weiteren Soldaten (siehe Spalte rechts) und einer Rotkreuz-Schwester. "Seit 1920 trotzt das Denkmal der Witterung", sagt Charlotte Lugmayr-Frantz. "Es ist in einem bedauernswerten Zustand und bedarf einer raschen Restaurierung."

Barry Klein ist nach seinem Besuch auf dem Friedhof froh, nach Linz gekommen zu sein, trotz der gemischten Gefühle zuvor (siehe Interview rechts). "Der Krieg war wohl eine schreckliche Zeit für jeden", sagt er: "Am Schluss war Deutschland ein zerstörtes Land. Jeder litt wegen diesem wahnsinnigen Schulkameraden meines Großonkels Emil."

Ein letzter, dünner Faden spannt sich über fünf Generationen – von Emil Rosenblum zu Barrys Sohn Eric. Obwohl keineswegs dazu gedrängt, wurde Eric Klein ebenfalls Soldat. Er diente auf einem Atom-U-Boot und studiert nun Wirtschaft. "Er wollte wohl seinem Land etwas zurückgeben", sagt seine Mutter Susan.

Drei Fragen

Barry Klein, Radiologe (USA), besuchte in Linz die Gräber seiner Urgroßeltern und seines Großonkels, der mit Hitler in die Schule gegangen und für den Kaiser 1918 gefallen war.

1 Wie kam es, dass Sie sich für den österreichischen Zweig Ihrer Familie zu interessieren begannen?

Die Geschichte meiner Vor-fahren war lange Zeit weitgehend ein Geheimnis für mich. Mein Vater hat kaum davon gesprochen. Als vor einigen Monaten meine Tante starb – sie war die letzte mit österreichischen Wurzeln in der Familie–, wollte ich die fehlenden Stücke in der Familiengeschichte zusammentragen.

2 Was fühlten Sie, als Sie am Grab Ihrer Vorfahren hier in Linz standen?

Ich hatte ja keine wirkliche Vergangenheit. Sie reichte nur bis zu meinen Großeltern. Und davor war ein schwarzes Loch. Jetzt fühle ich mich mehr mit der Vergangenheit verbunden. Ich fühle, dass hier wirklich ein Teil meiner Geschichte liegt.

3 Warum hatten Sie gemischte Gefühle, nach Deutschland und Österreich zu reisen?

Unter amerikanischen Juden besteht schon noch eine gewisse kulturelle Furcht vor den Deutschen. Aber ich habe tolle Leute hier kennengelernt.  

Buchtipp

In den Ersten Weltkrieg waren viele Soldaten mosaischen Glaubens noch mit der Hoffnung gezogen, man kämpfe für die Befreiung der unterdrückten Glaubensbrüder im zaristischen Russland. Nach dem Krieg wurde rasch klar, dass der immer hysterischer werdende Antisemitismus eine Erinnerung an den Blutzoll wegwischen werde, trotz der Bemühungen des „Bundes Jüdischer Frontsoldaten“. Nach dem Anschluss wurden die 238 jüdischen Berufsoff iziere der Ersten Republik zwangspensioniert. Der Militärhistoriker Erwin A. Schmidl hat ein hochinformatives und angenehm lesbares Buch über den Umgang Österreichs mit seinen jüdischen Soldaten geschrieben. Erschienen ist es im Böhlau Verlag (264 Seiten, 29,90 Euro). 

mehr aus Oberösterreich

Als vor 20 Jahren die letzte Stunde für die Zollwache schlug

Grünes Licht für Tempo 30: Was sich ab Juli ändern soll

5,7 Millionen Euro Schaden: Prozess um Kryptobetrug in Linz

Mordprozess in Wels: "Er konnte einfach nicht akzeptieren, dass sie ihn nicht wollte"

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

3  Kommentare
3  Kommentare
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
RevolutionR4 (2.044 Kommentare)
am 23.11.2014 10:38

Eines unter den 3 Posts welche mich am meisten bewegt haben.
Ich bin froh, dass es nicht dumm kommentiert wurde.

lädt ...
melden
antworten
tja (4.605 Kommentare)
am 22.11.2014 07:47

Es sollte mehr Menschen wie Charlotte Lugmayr-Frantz aus Hellmonsödt geben - davon haben wir viel zu wenige!

lädt ...
melden
antworten
RevolutionR4 (2.044 Kommentare)
am 22.11.2014 23:35

nur der Friedhof wo meine Ahnen zusammen lagen wurde durch einen Bagger gleich gemacht. Nach dem ich den dortige Starosta angeschrieben habe und das schon zum 3 x habe ich bis heute nicht einmal eine Antwort erhalten. Ich wollte fragen ob es alte Bilder der Stadt und des Friedhofs gibt. Jüdische Friedhöfe fand ich auch, verkommen aber noch erhalten.

Ich freue mich von Herzen für diese Familie, dass sie zumindest eine Grabstätte gefunden hat. Wie würde es ihm ergangen sein, wenn er Garnichts gefunden hätte, so wie ich? Es ist ein Loch in meiner Brust eine offene Wunde die nur mit meinem Ableben heilen kann.

Meine Haltung für viele Gutmenschen wahrscheinlich nicht nachvollziehbar bei meiner Art zu Posten.
Braucht es auch nicht!
Es ist wichtig nur, dass ich es verstehe. :=)

lädt ...
melden
antworten
Aktuelle Meldungen