Gedenkfahrt nach Dachau: „Bin’s meinem Großvater einfach schuldig“

Von Von René Laglstorfer   14.März 2018

„Ich hab’ einen Freibrief nach Dachau bekommen – ich komm’ nicht mehr heim“, sagte Georg Neulentner aus Waldzell im Jahr 1940 zu seiner Familie, kurz bevor er in das Konzentrationslager (KZ) Dachau bei München gebracht wurde – und er sollte recht behalten.

Zuvor hatte er sich geweigert, für die deutsche Wehrmacht zu kämpfen: „Ich hab’ schon einen Kopfschuss aus dem Ersten Weltkrieg, ich rücke sicher nicht für die Nazis ein.“ Sein Enkel Klaus Neulentner aus Ried war einer von über 150 Oberösterreichern, die am Dienstag bei der von der Katholischen Aktion, dem Evangelischen Bildungswerk und Erna Putz (siehe Seite 34) organisierten Gedenkfahrt nach Dachau teilnahmen. „Ich bin’s meinem Großvater einfach schuldig“, sagte Neulentner.

Bei einem ökumenischen Gedenken mit Bischof Manfred Scheuer und Superintendent Gerold Lehner in der evangelischen Versöhnungskirche am Lagergelände verlas der Schauspieler Franz Froschauer ein Fünftel der Namen von den insgesamt rund 1000 Oberösterreichern, die zwischen 1938 und 1945 im KZ Dachau interniert wurden.

Der 14-jährige Stefan Renoldner aus Linz zündete mit seiner Mutter für jeden der rund 200 vorgelesenen Namen eine Kerze am Altar an, darunter war auch „Renoldner Alois, Gendarmeriemajor, römisch-katholisch, Linz“ – Stefans Urgroßvater. Dieser ahnte 1938 nicht, dass sein Vorgesetzter in der Stadtkommandantur Linz ein illegaler Nazi war. Bereits am Tag des „Anschlusses“ kam Renoldner in Gestapo-Haft.

Im August folgte der Transport ins KZ Dachau. Sein Enkel Severin Renoldner durchforstete die persönlichen Aufzeichnungen seines Großvaters: In einer eiskalten Jännernacht im Jahr 1939 musste Alois Renoldner mit Tausenden anderen KZ-Häftlingen mehr als zwölf Stunden lang zum Appell stehen. Reihenweise fielen Menschen tot oder bewusstlos um. Jene, die es überlebten, wurden am Morgen weiter zur schweren Arbeit geschickt.

„Mein Großvater und seine Familie fragten immer wieder nach dem Grund für die Verhaftung, um sich mit rechtsstaatlichen Mitteln dagegen zur Wehr zu setzen. Es dauerte lange, bis sie begriffen haben, dass es keine Rechtsstaatlichkeit mehr gab“, sagt Renoldner. Doch sein Großvater hatte Glück: Im Frühjahr wurde er mit einer Österreicher-Amnestie aus dem KZ entlassen. Fortan musste er sich jeden zweiten Tag bei der Gestapo registrieren und überlebte den Krieg.

Bei der Gedenkmesse in der Klosterkirche direkt am Lagergelände verwendete Bischof Scheuer jenen Kelch, den die gefangenen Priester bei den Lagergottesdiensten in Dachau verwendet hatten. Aus der Diözese Linz waren 43 Priester und Ordensleute im KZ Dachau interniert – fast die Hälfte von ihnen wurde ermordet.

„Der Hunger war so groß, dass mir öfter der Gedanke kam, meinen eigenen Kot zu essen“, schrieb der Wilheringer Pater Konrad Just. Er saß fast sieben Jahre im KZ Dachau – und überlebte.