Für Menschen mit Beeinträchtigung fehlen 500 Wohnplätze

Von Sabrina Payrhuber   25.März 2016

"Wenn meine Frau und ich einmal nicht mehr sind", sagt der 67-jährige Linzer Franz Petuely, "dann weiß ich nicht, was mit meinem Bruder Othmar passiert." Nach einer Gehirnhautentzündung ist der 65-jährige Othmar Petuely leicht geistig und körperlich beeinträchtigt. Tagsüber arbeitet er in einer betreuten Werkstatt. Den Rest des Tages lebt er bei seinem Bruder und seiner Schwägerin, die sich um ihn kümmern. Einen betreuten Wohnplatz bräuchte der 65-Jährige erst, wenn er auf sich alleine gestellt wäre. Die Warteliste ist allerdings lang: Derzeit warten in Oberösterreich hunderte Menschen mit Behinderung auf einen solchen Wohnplatz.

Verzweiflung und Sorgen

Laut Lebenshilfe fehlen konkret 475 Plätze, die als dringend eingestuft werden. "Viele Eltern und Angehörige sind deshalb verzweifelt und blicken sorgenvoll in die Zukunft", sagt Lebenshilfe-Präsidentin Helga Scheidl. Die Eltern hätten ihre beeinträchtigten Kinder über Jahrzehnte betreut und jetzt würden die mittlerweile erwachsenen Kinder einen geeigneten Wohnplatz benötigen, weil die pflegenden Angehörigen selbst alt und pflegebedürftig sind.

Ein weiteres Motiv der Eltern ist, dass sie ihren Kindern trotz der engen Bindung ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen wollen. Deshalb wünscht sich auch Irmgard Wörtl einen geeigneten Wohnplatz für ihren 24-jährigen Sohn Severin. "Genau in diesem Alter würden Kinder normalerweise ausziehen", sagt die Linzerin. "Das möchte ich meinem Severin auch ermöglichen. Aber wie es jetzt aussieht, ist das in den nächsten Jahren unmöglich." Zwar sind in den vergangenen zwanzig Jahren viele Wohnplätze geschaffen worden. Aber seit 2009 herrscht nahezu Stillstand. "Daher auch die lange Warteliste. Mehrere hundert Einheiten sind seit Jahren überfällig", kritisiert Scheidl.

Auch im Büro von Soziallandesrat Reinhold Entholzer (SP) ist der steigende Bedarf bekannt. Dort heißt es, dass "sich rund 400 Personen mit einem kurzfristigen Bedarf in Evidenz" befinden. Ein Teil des Bedarfs werde aber ohnehin durch "Fluktuationen" gedeckt. Gemeint ist damit, dass erst ein Klient nachrückt, wenn "jemand verstirbt", ergänzt Scheidl.

Ein Sprecher von Entholzer betont, "dass jährlich 400 Millionen Euro im Bereich Chancengleichheits-Gesetz aufgewendet werden". Bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2021 würden finanzielle Mittel für 152 neue Wohnplätze bereitgestellt. Für die Träger der Einrichtungen ist das aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. In der langfristigen Planung der Sozialabteilung des Landes spricht man laut Scheidl davon, dass künftig ein Bedarf an bis zu 3000 neuen Wohnplätzen besteht.

 

Zahlen

475 Wohnplätze für beeinträchtigte Menschen werden sofort benötigt.

152 Plätze werden laut Plan der Landesregierung bis 2021 geschaffen.

50.000 Euro kostet ein betreuter Platz pro Jahr.