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Fritz, der letzte Innviertler Torfstecher

11. Juni 2016, 00:04 Uhr
Fritz, der letzte Innviertler Torfstecher
Bild: VOLKER WEIHBOLD

Im Ibmer Moor baut Fritz Rohmstötter den wertvollen Rohstoff Torf ab: für seine Kälber und für den Ofen. Valentina Dirmaier (Text) und Volker Weihbold (Fotos) haben ihn ins Moor begleitet.

Es sieht so spielerisch einfach aus. Mit einem kräftigen Hieb rammt Fritz Rohmstötter das Messer, wie er den fein geschliffenen Spaten nennt, in die tiefschwarze feuchte Erde. Dann setzt der alte, gut aufgelegte Mann einen langen, eineinhalb Meter breiten Schnitt in der Quere und je zwölf senkrecht. Jede Bewegung sitzt. Die Technik hat er bestimmt schon Tausende Male angewendet.

Fritz, der letzte Innviertler Torfstecher
Nach dem Stechen oder Schneiden werden Wasen aufgestapelt. Bild: VOLKER WEIHBOLD

Nach dem Stechen oder Schneiden werden Wasen aufgestapelt.

Die Kulisse des Ibmer Moors, die den spitzbübisch grinsenden Innviertler umgibt, könnte schöner nicht sein. Laub- und Nadelbäume, feine Gräser – Streu’ im Oberinnviertel genannt – und Latschen schenken dem größten zusammenhängenden Moorkomplex Österreichs unzählige verschiedene Grüntöne. Es ist eine Wucht für die Augen.

Während der Kuckuck zwischen den Birken und Kiefern hervorruft und der Frosch im Moorbad laut quakt, geht Fritz Rohmstötter einer jahrhundertealten, aber fast ausgestorbenen Tradition der Region – dem Torfstich – nach.

Der kleingewachsene, stramme Frankinger aus der abgelegenen Ortschaft Buch portioniert das Moor wie mit einem Tortenmesser präzise in quaderförmige Stücke. Der Volksmund nennt sie Wasen. Mit Schwung hievt sie der Joalbauer, wie ihn die Leute beim Hausnamen nennen, aus dem Graben und bettet sie behutsam auf die Wiese. Fünf Kilo wiegen sie. Noch.

Der 82-Jährige schnauft schwer. Anstrengend ist es. "Des is’ scho a g’schundene Oawad, mei Liaba. Owa mit ana Maschin dads a net hinhaun." Besonders wenn Baumwurzeln die oberste Moorschicht durchziehen und ihnen der Naturmensch mit seinem Taschenfeitl zu Leibe rücken muss. Ausboandln pflegt er zu sagen. Mit dem Holz in seinen Torfziegeln hat er keine Freude, das mindert die Qualität.

Das beste, weil feinste Moor, ist tief in der Erde. Es wird aus dem etwa zweieinhalb Meter tiefen Grubenboden mit einer eigens angefertigten Schaufel herausgestochen. Da rührt auch der Name Torfstecher her.

Gemacht wird die Arbeit breitbeinig stehend auf einem Holzbrett. "Und üba Hirn", erklärt Fritz und meint den kräfteraubenden Hieb mit dem Stecher.

Fritz, der letzte Innviertler Torfstecher
Holsteiner Schaufel, Stecher, Messer und Frankfurter Schaufel Bild: VOLKER WEIHBOLD

Holsteiner Schaufel, Stecher, Messer und Frankfurter Schaufel

Das schwarze Gold aus Franking

Fingerspitzengefühl ist gefragt. Wenn zu ruckartig zugepackt wird, rutscht die waschelnasse Moorwase ins 40 Zentimeter tiefe Wasser ab. Und all die Mühen waren umsonst, denn im dunklen Moorwasser ist sie nicht mehr auffindbar.

Der Innviertler Torfstecher zieht behutsam und ruckelt mit seinem Arbeitsgerät, während sich das schwarze Gold mit schmatzenden Geräuschen vom Boden löst. 40 mal zehn Zentimeter misst sie, die frische Torfwase, wenn sie auf den Wasen-Bock, eine selbstgezimmerte Holzscheibtruhe, gestapelt wird.

Fritz, der letzte Innviertler Torfstecher
Futter fürs Vieh: Der hochwertigste Torf ist für die Kälbchen. Bild: VOLKER WEIHBOLD

Futter fürs Vieh: Der hochwertigste Torf ist für die Kälbchen.

An guten Tagen sticht und schneidet Fritz Rohmstötter zwischen 100 bis 200 solcher Quader aus dem Moorboden, die er zum Trocknen neben dem Torfstich in der Wiese stapelt. Aufkasteln nennt er das. Wie bei einem Turm aus Holzklötzen legt er zwei Wasen parallel nebeneinander, dann werden der Quere weitere zwei gestapelt und obenauf kommen wieder zwei. Mehr nicht, sonst werden die Untersten zerdrückt.

Das System erscheint konfus, ist jedoch ausgeklügelt. Denn durch das versetzte Schlichten trocknen die Torfziegel schneller, der Wind hat eine große Angriffsfläche. Nach drei bis vier Wochen werden die obersten Ziegel abgeräumt, die restlichen werden gewendet und neu gestapelt. Von den anfänglichen fünf Kilogramm ist nach der Trocknung weniger als ein Sechstel des ursprünglichen Gewichtes übrig", erklärt Rohmstötters Frau Maria. Früher war das Schlichten ihr Part. Heute erledigt Fritz die Torfstecherei, die sich wie ein roter Faden durch sein Leben zieht, alleine.

Hilfe bekommt er ab und zu von Josef, einem seiner drei Söhne. Obwohl auch Tochter Marianne die harte Arbeit im Moos, wie Einheimische zum Moor sagen, nicht scheut.

Obwohl die Leute den Torfstich hauptsächlich mit dem Fritz in Verbindung bringen. Denn er ist ein Unikat und so ziemlich der Einzige weit und breit, der sich die Arbeit noch antut. "Früher had die hoibe Gmeinde gstochen."

Diesen Status und dieses Recht hat sich der fünffache Großvater schwer erkämpfen müssen. Als Naturschützer einen Teil des Ibmer Moors zur Jahrtausendwende als schützenswert auswiesen, war es mit der jahrhundertelangen Tradition vorbei, das Torfstechen wurde verboten. "Ich hab’ sogar Strafe zahlen miassn. Oisand habm aufghört", erzählt der einstige Kanal- und Straßenerbauer, der sich aber lieber als Erdmechaniker bezeichnet, über das streitbare Thema. Aufgeben entspricht aber nicht seinem Naturell. Also hat er sich zur Wehr gesetzt und so lange bei den zuständigen Behörden interveniert, bis ihm erlaubt wurde, pro Jahr acht Kubikmeter Torf aus dem Moor stechen zu dürfen. Und eine neue Fläche für den Stich war nötig. Die hatte er einem Nachbarn abgekauft. Die Tradition war somit gerettet.

Fritz, der letzte Innviertler Torfstecher
Bild: VOLKER WEIHBOLD

Die restlichen Torfziegel (Wasen) werden gelagert und verheizt.

Verständnis zeigt er auch heute nicht für die Vorgehensweise. "Mia beuten die Natur ja net aus, mit dem bissl was wir abbauen", sagt Rohmstötter mit Nachdruck und wischt sich den Schweiß von der Stirn, bevor er die nächste Ladung der bereits getrockneten Wasen in die Scheune verlädt.

Früher, als die Bauern noch im großen Stil Torfziegel aus dem Moor gezogen haben, wurde mit dem wertvollen Rohstoff sogar der dampfbetriebene Drescher angeheizt oder als Streue im Stall verwendet. Inzwischen sind die abgebauten Mengen so gering, dass nur noch der Ofen befeuert werden kann. Den Großteil seiner Moorernte nimmt Maria, die der Fritz als junges Mädl beim Tanzen kennengelernt hat, zum Heizen. "Da reicht a Ziegel fürn Kuchlofen und de Gluat bleibt da bis in da Fruah", erklärt die Ehefrau und bittet in den Stall nebenan, um vorzuführen, was für Außenstehende nur schwer vorstellbar ist.

Ein natürliches Antibiotikum

Mit einer Handvoll feingeriebenem Torf, ähnlich wie Sägescharten, füttert Maria Röhmstötter ein zwei Wochen altes Kälbchen. Der Torf dürfte schmecken, denn das Tier giert wie wild nach der geschredderten Moorerde. "Da Torf wirkt wie a natirlichs Antibiotikum. Die Viecher werden nie krank." Er hat keinen Zweifel an der wohltuenden Wirkung des schwarzen Goldes, hat er es doch selbst ausprobiert.

Als Bub hat der Fritz regelmäßig im Sommer ein Bad im Torfstich genommen. Und im Winter mussten die Kinder mitanpacken, die Wasen von der Lagerstätte im Moor auf Schlitten zum Bauernhof zu karren. Das Gespann wurde von den Ochsen gezogen, die mitunter sogar im Moor versunken oder in eine Torfstich-Grube gefallen sind.

Dann musste das halbe Dorf zur Rettung ausrücken, erinnert sich der Frankinger, der keinen Tag verstreichen lässt, ohne im Moos gewesen zu sein. Nicht nur, um die Natur beim Wachsen, Gedeihen und Sterben zu beobachten, sondern um Kraft zu tanken. Beim Torfstich.

Entspannen beim Torfstechen

"Des muss ma si jo vergönnen. Er foad zum Arbeitn ins Moos, damit er si entspannen kann", erzählt Maria Rohmstötter mit argwöhnischem Blick auf ihren Mann. Der stimmt mit einem Grinsen nickend zu. "Der G’ruch, d’Landschaft und de Stille. Des Moos entschleunigt wirklich", sagt Fritz Rohmstötter, packt das frisch gewetzte Stichmesser, verabschiedet sich von seiner Maria und macht sich mit seinem Maurersax auf den Weg. Natürlich. Ins Moos.

Torf, Moos und Moor

Ibmer Moor
Das Moor ist nach der Ortschaft Ibm, Gemeinde Eggelsberg, benannt und ist mit einer Größe von etwa 2000 Hektar die größte zusammenhängende Moorlandschaft Österreichs. Es liegt in den Gemeinden Eggelsberg, Moosdorf und Franking im Bezirk Braunau sowie in Bürmoos und Weidmoos auf Salzburger Seite. Der Moorkomplex ist etwa 12.000 Jahre alt.

Torf
Torf ist ein organisches Material, das aus unvollständig zersetzten Pflanzen in Feuchtgebieten entsteht. Der Grund dafür ist im Ibmer Moor der Lehm im Boden, der das Wasser nicht abrinnen lässt. Durch den Wasserzufluss und den Sauerstoff von den Pflanzen an der Oberfläche werden Gräser, Sträucher und Bäume zu Torf.

Torfstich
Als Torfstich wird der Abbau von Torf bezeichnet. Diese jahrhundertealte Tradition hat sich, wie die Entwässerung,
unter anderem negativ auf den Zustand des Ibmer Moors ausgewirkt. Daher wurde der Torfstich – mit Ausnahme von Fritz Rohmstötter – eingestellt.

Moortypen
Grundsätzlich wird im Ibmer Moor zwischen drei Gattungen von Moor unterschieden. Das Niedermoor, das aus Grundwasser gespeist wird, das Hochmoor, das durch Niederschlag entsteht, sowie das Übergangsmoor, das die
Grenze zwischen den beiden ersten Moortypen markiert.

Frankinger Moos
Ein Teil des Ibmer Moors ist Natur- sowie Vogelschutzgebiet, unter anderem auch das Frankinger Moos. Dort ist auch Torfstecher Fritz aktiv. Die Schutzgebiete sind im Besitz des Landes Oberösterreich.

Wanderungen
Eine waschechte Expertin auf dem Gebiet des Ibmer Moors ist Naturführerin Maria Wimmer aus Eggelsberg. Ausflüge und Expeditionen in das malerische Gebiet können entweder unter 0650 5604123 oder ausflug@aon.at gebucht werden.

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2  Kommentare
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Superheld (13.118 Kommentare)
am 12.06.2016 23:31

Dorfstecher kenne ich, Torfstecher war mir neu.

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Sauwaldbuchmann (66 Kommentare)
am 12.06.2016 23:19

Auch aus diesen wunderbaren Dingen besteht die Welt, und hauptsächlich daraus !!!

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