"Es wird gelogen und gelogen": Die kranke Psyche des Doppelmörders
LINZ. Mohamed H. hat im Juni 2017 ein älteres Ehepaar in Linz-Urfahr getötet. Gestern wurde der gebürtige Tunesier wegen Mordes - nicht rechtskräftig - zu lebenslanger Haft verurteilt.
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Montag, 8.45 Uhr: Eskortiert von Justizwachebeamten, wird der Angeklagte hereingeführt. Ihre Gesichter sind von Sturmhauben verhüllt, in den Halftern stecken Pistolen. Sie lassen ihn nicht aus den Augen.
Der großgewachsene Angeklagte umklammert eine Schachtel, die er vor sich auf die Knie gelegt hat. Acht Klopapierrollen zieht er heraus, dann hält er im Blitzlichtgewitter ein Papptaferl hoch: „Es wird gelogen und gelogen und alle wissen, dass sie lügen“, steht darauf in Blockbuchstaben. Für die Wachebeamten hat er eine abfällige Bemerkung übrig: „Sie trauen sich ihr Gesicht nicht zu zeigen.“
Mohamed H., 55 Jahre, gebürtiger Tunesier: Er muss sich für ein abscheuliches Gewaltverbrechen verantworten. Ihm wird der Doppelmord an einem betagten Ehepaar vorgeworfen, begangen am 30. Juni 2017 in dessen Reihenhaus in St. Magdalena. Nach der Tat soll er Feuer gelegt haben. Eine Nachbarin bemerkte den Rauch und alarmierte die Feuerwehr.
Als die Staatsanwältin die Anklage vorträgt, wippt Mohamed H. unruhig auf seinem Sessel, streicht sich mit der Hand über den schwarzen Vollbart. Auf Facebook soll er ab Mai 2017 die Ideologie des IS verherrlicht und der Terrororganisation Treue geschworen haben. IS ist für ihn ein Reizwort, auf das er im Gerichtssaal mit inbrünstigen „Allahu akbar“-Rufen reagiert. „Die machen die richtige Politik, dazu stehe ich“, sagt er trotzig.
Doch mehr als ein Lippenbekenntnis, um Frust loszuwerden, sei das nie gewesen, sagt Gerichtspsychiaterin Heidi Kastner: „Er ist nicht teamfähig, weder für den IS noch für eine Fußballmannschaft“.
Sein Gehabe ist forsch und aggressiv. Die Tat selbst schildert er wie eine Nebensache. Die toten Opfer – sie sind für ihn ein Kollateralschaden, gerechtfertigt durch die „höhere“ Absicht, an der Gesellschaft ein Exempel zu statuieren. Einer Gesellschaft, die ihn immer nur abgelehnt habe. Gezielt suchte er sich betagte Leute aus, deren Gewohnheiten er kannte – zweimal pro Woche belieferte er das Ehepaar mit Bio-Gemüse aus dem Laden seiner Lebensgefährtin in Dornach. Bei den Hinterbliebenen der Opfer entschuldigt er sich, „aber ich kann es nicht rückgängig machen“.
„Schuld sind immer die andern“
Mohamed H. verteidigt sich selbst, denn sein Pflichtverteidiger habe „nichts als Lügen“ verbreitet. Lüge – dieses Wort zieht sich wie ein roter Faden durch seine Ausführungen. Heidi Kastner nennt er eine „verlogene Madame“. Zwanzig Stunden hat sie mit ihm gesprochen, um sich ein Bild von seiner Persönlichkeit zu machen (siehe rechts). Der Angeklagte sei ein „krankhafter Querulant“, der die Schuld immer nur bei anderen suche. An seiner Zurechnungsfähigkeit bestehe kein Zweifel. Auch künftig gehe von ihm große Gefahr aus, deshalb empfahl Kastner die Einweisung in eine Anstalt.
Nach dreistündiger Beratung schlossen sich die Geschworenen am späten Abend der Anklage an: Mohamed H. erhielt – nicht rechtskräftig – lebenslange Haft und wird in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
So reifte in Mohamed H. der Plan zum Mord
„Es waren Kränkungserfahrungen, auf die Mohamed H. mit wachsender Wut reagierte“, sagte Gerichtspsychiaterin Heidi Kastner. Er entstammt einer gutsituierten Familie, machte in Paris ein Architektur-Diplom. Doch das erhoffte Erbe blieb ihm versagt.
In Ägypten versuchte er sich als Surf-Lehrer, dann „blieb er in Österreich hängen“, wo er sporadisch als Tischler arbeitete, den Job aber oft aus nichtigem Anlass kündigte. Er zog zu seiner Lebensgefährtin nach Niederthalheim (Bez. Vöcklabruck), stritt häufig mit den Nachbarn. Schließlich wurde er wegen Tierquälerei zu einer Geldstrafe verurteilt – er soll Nachbars Katze zweimal in einem Kippfenster eingeklemmt haben.
Immer wieder Konflikte
Er zahlte nicht, kam ersatzweise ins Gefängnis. Als er auch noch 107 Euro Gerichtskosten zahlen sollte, beschloss er, sich an der Gesellschaft zu rächen. Mit seiner Partnerin übersiedelte er nach Linz, sie eröffneten einen Bio-Laden, immer wieder gab es Konflikte mit Handwerkern und Kunden. Er wollte nach Tunesien auswandern, dort eine Tischlerwerkstatt aufmachen. Doch der Lkw mit dem ganzen Material blieb verschollen. Das brachte das Fass zum Überlaufen.
Kurz nach der Tat hieß es, Mohamed H. habe das betagte Ehepaar auch deshalb als Opfer „ausgewählt“, weil er sie für Sympathisanten der FPÖ gehalten habe – jener Partei, die er als hauptverantwortlich für den Hass auf Ausländer und Muslime ansah. Die Familie hat freilich kein Naheverhältnis zur FPÖ. Ein Sohn des Paares ist nur Beamter in einem Ressort, das in den Aufgabenbereich von FP-Chef Manfred Haimbuchner fällt.
Diese ursprünglich geäußerten Spekulationen kamen beim Prozess gestern nicht zur Sprache.
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