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"Eine Sternstunde der Demokratie"

Von Martin Dunst, 30. November 2015, 00:04 Uhr
"Eine Sternstunde der Demokratie"
Freiheit ist nicht in Marmor gemeißelt. Bild: OÖN

STEYR. In einer von den OÖNachrichten präsentierten Veranstaltung im Museum Arbeitswelt ging es um die Freiheit – wie sie genutzt werden kann, wodurch sie bedroht ist.

Einer der führenden Intellektuellen Deutschlands – Bestseller-Autor und Soziologe Harald Welzer – war kürzlich zu Gast im mit 250 Besuchern ausverkauften Museum Arbeitswelt. Mit den OÖNachrichten sprach Welzer über Freiheit, Handlungsspielräume jedes Einzelnen und "super nette Diktatoren aus dem Silicon Valley".

Die Terroranschläge von Paris und Ausnahmezustand in Brüssel haben drastisch gezeigt, wie fragil unser Begriff von Freiheit ist.

Harald Welzer: Das stimmt. Freiheit ist nicht in Marmor gemeißelt. Freiheit ist ein Privileg. Freiheit besteht auch nicht einfach so. Dafür braucht es das Gewaltmonopol, Rechtsstaatlichkeit und einen gewissen Wohlstand. Die Demokratie erlaubt es den Menschen ferner, Handlungs-spielräume zu nutzen. Ein gutes Beispiel dafür sind die Tausenden Menschen von Linz bis Flensburg, die die Initiative ergriffen und sich auf Bahnhöfen um Flüchtlinge gekümmert haben. Da hat die Zivilgesellschaft die politischen Eliten vor sich hergetrieben. Das war eine Sternstunde der Demokratie. Das wäre so vor 20 Jahren in Deutschland undenkbar gewesen.

Terroristen sabotieren diesen Freiheits-Begriff. Ist die Kriegs-Rhetorik aus Europa und den USA darauf die einzig richtige Antwort?

Ich nehme als Beispiel die in Zusammenhang mit dem Paris-Attentat medial vielfach gebrauchte Metapher vom europäischen "Nine-Eleven". Für mich zeigt das sehr deutlich, dass kein historisches Lernen stattfindet. Der so genannte Krieg gegen den Terror nach den Anschlägen in New York hat den "Islamischen Staat" erst aufgebaut und stark gemacht. Man denke nur an die folgenschweren Interventionen im Irak und in Libyen.

Es ist doch aber nur zu verständlich, dass Menschen Angst haben und von den politischen Entscheidungsträgern konkrete Maßnahmen verlangen.

Aber wenn die Antwort tagelanger Ausnahmezustand lautet, dann wird den Terroristen in die Hände gespielt. Die Sicherheit erhöht sich auf diese Weise keinesfalls. Im Gegenteil. Je freier Gesellschaften sind, desto sicherer sind sie auch. Das heißt aber auch, dass die Politik es nicht zulässt, dass ganze Stadtvierteln zu Ghettos werden, mit Menschen, die in Parallelgesellschaften leben, vom System ausgeschlossen und damit anfällig für radikale Propaganda sind.

Viele Menschen sehen einen direkten Zusammenhang zwischen den vielen Flüchtlingen und der steigenden Terrorgefahr.

Auch beim Thema Migration hilft ein Blick in die Vergangenheit. Das ist bei Weitem nicht die erste Flüchtlingswelle, die Länder wie Deutschland und Österreich zu bewältigen haben. Die genannten Länder können eine erfolgreiche Zuwanderungsgeschichte vorweisen. Da müssen Sie nur einmal die Türschilder in einer Stadt wie Wien lesen. Das Thema Migration wird uns noch lange beschäftigen, daher ist auch das Wort Krise nicht angebracht.

Sie sagen, Demokratie fußt auf der Trennung zwischen privat und öffentlich. Warum sind diese zwei Ebenen wichtig?

Die Privatheit verschwindet zusehends. Oder mit dem Zitat eines Kollegen ausgedrückt: Das Selbst ist das erste besetzte Gebiet. In totalitären Systemen, ob Nationalsozialismus, Stalinismus oder IS, ist kein Platz für selbstständiges Denken für das Individuum. Die Gestapo oder die Stasi musste sich viele Informationen noch mit Gewalt holen. Heute geben wir den privaten Raum ganz von selbst preis.

Mit dem Unterschied, dass wir nicht in einem totalitären System leben.

Die Gefahr für die Demokratie besteht heute auch nicht darin, dass morgen braun uniformierte SA-Truppen aufmarschieren und die Diktatur ausrufen. Die Gefahr geht von der Zerstörung von Privatheit aus. Es ist heute so, dass zum Beispiel die großen Firmen aus dem amerikanischen Silicon Valley die freundlichste Erscheinungsform einer Diktatur darstellen. Die Firmenchefs sind super nett, sie tragen keine Uniform und versprechen, die Welt mit ihren Produkten zu einem besseren Ort zu machen. Nur das System, das Google, Amazon und Co etablieren wollen, verträgt sich nicht mit Demokratie.

 

Zur Person

Harald Welzer, Jahrgang 1958, lebt in Berlin, ist Soziologe und Autor des Bestsellers „Selbst denken. Eine Anleitung zum Widerstand“. Er analysiert darin die digitalisierte Gegenwart, wirft einen kritischen Blick auf die Zukunft und zeigt auf, wie die Freiheit verteidigt werden kann.
Welzer ist zudem Leiter der gemeinnützigen Stiftung „FuturZwei“. Mit diesem Projekt zeigt er, wie eine zukunftsfähige Gesellschaft aussehen könnte.

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1  Kommentar
1  Kommentar
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rotkraut (4.030 Kommentare)
am 30.11.2015 07:13

Sterne sieht man auch, wenn die Faust aufs Auge knallt und das geschieht gerade. Rückgratlose Politiker dreschen mit ihren beispielosen Entscheidungen auf die Köpfe der Staatsbürger dieses Landes, supernette Diktatoren, demokratisch legitimiert. Sie finden auch nichts dabei, unverhohlene Förderer des IS Terrors zu unterstützen im Namen der Menschlichkeit.

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