Ein kühles Bier
"Das Bier bringt uns Genuss, die Bücher nur Verdruss", reimte einst Johann Wolfgang von Goethe. Was den größten Bücherschreiber der deutschen Geschichte so pessimistisch über seine Profession urteilen ließ, ist nicht bekannt.
Auch wenn Goethes Lebensmittelpunkt nördlich des bayerisch-österreichischen Bier- und Weißwurstäquators lag, so ist seine Freude am Bier dennoch verständlich. Es war seine Zeit, das späte 18. und frühe 19. Jahrhundert, als Bier zum Modegetränk der Intelligenz wurde, der Beamten, Studenten und Künstler. Die geistige Elite traf sich nicht mehr in den Weinkellern, sondern in den Bierstuben, die revolutionäre Avantgarde holte sich den Mut beim kühlen Bier und die Studenten feierten ihre Kommerse nicht mehr mit Wein, sondern mit Bier.
Bier wurde im Vormärz zum Ausweis männlicher Stärke und "urdeutscher" Tugend. Bier gibt es zwar bereits seit mehreren Jahrtausenden, doch erst seit dem 19. Jahrhundert wurde es zum heute weltweit führenden alkoholischen Getränk. Etwa 36 Prozent des weltweiten Konsums an reinem Alkohol entfallen inzwischen laut WHO auf Bier. Wegen des gegenüber Wein oder Spirituosen deutlich niedrigeren Alkoholgehalts ist es daher mengenmäßig das weitaus wichtigste alkoholische Getränk der Welt.
Mit einer großen Landesausstellung im grenznahen Aldersbach feiern die Bayern ihr fünftes Element: An 500 Jahre Reinheitsgebot wird erinnert, mit Anzapfen und Anbandeln, mit Bierkrawall und Freibier, Zwickl und Weißbier, Pfiff und Maß, Brezen und Weißwurst. Bayern feiert sich als Bierland, mit schlecht gefüllten Maßkrügen und deftigen Ritualen. Doch die weltweite Bierrevolution ging in Wahrheit weniger von Bayern als von der Habsburgermonarchie aus. Was den Bayern ihr Reinheitsgebot ist, ist den Österreichern ihr Lagerbier. Die Bierkultur der Habsburgermonarchie müsste eigentlich zum Weltkulturerbe erklärt werden. Der Wiener Bierbaron Anton Dreher war der Schöpfer der heute weltweit vorherrschenden hellen und untergärigen Lagerbiere. Er verband die englische Mälzereitechnik mit dem aus Bayern kommenden untergärigen Brauverfahren und der von ihm entwickelten Kühl- und Lagertechnik. Das so erzeugte Bier war haltbarer – das Lagerbier war erfunden. Sein Unternehmen, einst der größte Brauereikonzern der Welt, ist zerfallen, sein sagenhafter Reichtum zerstoben.
Doch das österreichische Bier ist ein Qualitätsbegriff geblieben, auch wenn bei "Lager", "Pils" oder "Bud" kaum einem der amerikanischen, südafrikanischen oder auch deutschen Biertrinker die alte Habsburgermonarchie in den Sinn kommen wird.
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