"Die Arbeitslosigkeit ist wie Folter"

Von Herbert Schorn und Gerhild Niedoba   27.April 2017

1000 Bewerbungen, kein Job: So lässt sich die Situation eines 53-jährigen Linzers zusammenfassen, der seit fünf Jahren auf Arbeitssuche ist. "Ich bin frustriert", sagt der Akademiker, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will. Von 90 Prozent der angeschriebenen Firmen hat er nie wieder etwas gehört und die Zahl der Bewerbungsgespräche, zu denen er geladen wurde, lässt sich an drei Händen abzählen.

Der Linzer ist einer von 41.000 Menschen, die derzeit in Oberösterreich ohne Job sind. Am Samstag zeigen mehrere Organisationen beim "Tag der Arbeitslosen" ihre schwierige Situation auf.

1999 verlor der studierte Historiker und Politikwissenschafter seine Arbeit als Uni-Assistent und -Lektor. 13 Jahre lang war er in der IT-Branche leitend tätig. Bis 2012: Da lagerte sein Arbeitgeber die gesamte EDV aus und der Linzer stand erneut ohne Job da.

"Alteisen mit Edelrost"

Die wenigen Bewerbungsgespräche verliefen frustrierend: "Es wurde mir offen kommuniziert, dass in der IT-Branche Beschäftigten ab 40, 45 Jahren nicht mehr die nötige geistige Flexibilität zugemutet werden könne. Ich galt somit als Alteisen mit Edelrost."

Aber auch für Junge ist die Jobsuche desillusionierend. So sucht Egzon Ajeti seit vier Jahren nach einer Lehrstelle, nachdem er bei einem Mopedunfall schwer verletzt wurde. Seither ist ein Bein gelähmt und sein Traumberuf als Metalltechniker Geschichte. "Arbeitslosigkeit ist wie eine Folter", sagt der 19-Jährige aus Arbing (Bezirk Perg). "Man schämt sich und traut sich kaum noch aus dem Haus." Zuzugeben, dass er arbeitslos ist, ist ihm peinlich: "Das kommt so schlecht. Man hat immer weniger Kontakt mit Freunden."

Bei der Lehrstellensuche hagelte es Absagen. "Mit jeder Bewerbung schöpft man Hoffnung, die immer wieder zurückgewiesen wird. Dann beginnt alles wieder von vorne", sagt er. "Das macht einen kaputt." Trotz allem war es ihm wichtig, die Hoffnung nicht zu verlieren. "Man darf einfach nicht aufgeben." Nun ist ein Happy End in Sicht: Der Mühlviertler wird im Herbst eine Lehrstelle als Speditionskaufmann antreten.

Eine Odyssee hat, wie berichtet, auch Andrea Kronsteiner aus Steyr hinter sich. Die 52-Jährige ist seit 2014 arbeitslos. Die Jobsuche verläuft frustrierend, sagt sie: "Ich möchte einfach nur im Büro arbeiten und so viel verdienen dürfen, dass ich davon leben kann."

Video: Bischof Scheuer und ÖGB-Chef Kalliauer wenden sich an die Betroffenen: "Geben Sie nicht auf"

Tag der Arbeitslosen: Mehr Respekt vor den Arbeitslosen fordern Bischof Manfred Scheuer und der Chef des Gewerkschaftsbundes (ÖGB) Johann Kalliauer vor dem Tag der Arbeitslosen. Dieser wird traditionell vor dem Tag der Arbeit (1. Mai) begangen. Arbeit und Erfolg hätten für manche quasi religiösen Status, sagt Scheuer: „Wer daran nicht teilhaben kann, ist weg vom Fenster. Arbeitslosigkeit darf nicht zur Stigmatisierung in der Gesellschaft führen.“

Kalliauer fordert, dass sich das AMS in Richtung einer Weiterbildungs-Agentur entwickelt. Denn: „Stellen sollen nicht unbedingt schnell, sondern nachhaltig vermittelt werden.“ Am Samstag weist ein Verbund von kirchlichen und gewerkschaftlichen Organisationen bei einer Aktion auf der Linzer Landstraße auf die Lage der Arbeitslosen hin.