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Der Mensch ist nicht nur, was er isst, sondern er isst auch, was er ist

Von Klaus Buttinger, 27. August 2016, 00:04 Uhr
Der Mensch ist nicht nur, was er isst, sondern er isst auch, was er ist
Biologe Kurt Kotrschal lädt wieder ins Almtal – und nicht nur zu Mineralwasser und Brot. Bild: Alexander Schwarzl

GRÜNAU. "Fressen und gefressen werden" lautet das Thema des 3. Biologicums Almtal. Es beleuchtet die komplexen Formen von Konkurrenz und Kooperation – bei Mensch und Tier.

Unsere Beziehung zur Nahrung stellt der wissenschaftliche Leiter des Biologicums Almtal, Kurt Kotrschal, in den Mittelpunkt der heurigen, dritten Auflage. Für den Biologen und Verhaltensforscher an der Universität Wien, Leiter der Konrad-Lorenz Forschungsstelle in Grünau und Mitbegründer des Wolf Science Centers in Ernstbrunn ist das Essen symbolisch hoch aufgeladen und mehr denn je Gegenstand des wissenschaftlichen Diskurses. Ein Gespräch über das vielleicht wichtigste Thema des Seins.

 

OÖN: Stimmt aus Ihrer Sicht die Behauptung des Philosophen Ludwig Feuerbach, dass man ist, was man isst?

Kotrschal: Immer schon. Bereits vor 650 Millionen Jahren wurden die wurmförmigen, kieferlosen Vorfahren der Wirbeltiere durch ihre filtrierende Lebensweise geprägt. Seit es echte Kiefer gibt, gestalten die Räuber-Beute-Beziehungen Körperbau, Verhalten und Gehirnleistungen der Tiere. Und beim Symboltier Mensch steht Essen nicht nur mit der reinen Ernährung in Zusammenhang, sondern wurde zum sozialen Ritual, in dem Traditionen, Spiritualität, Gruppenzugehörigkeit, Status, Gesundheit, political correctness, Nachhaltigkeit und so weiter wichtige Rollen spielen.

Das heißt, der individuelle Zugang zur Ernährung ist Ausdruck persönlicher Einstellung, oder?

Ja, man ist also nicht nur, was man isst, wie einst Feuerbach meinte, man isst vielmehr auch, was man ist.

Warum haben Sie das heurige Biologicum mit "Fressen und gefressen werden" übertitelt?

In der Stammesgeschichte ging es vor allem darum, Nahrung zu finden und dabei selber nicht erbeutet zu werden. Dies setzte Selektionsmechanismen in Gang, die letztlich alle Organismen auf dieser Welt bis ins Detail formten. Das gemeinsame Jagen und die gemeinsame Verteidigung gegen Fressfeinde führten schließlich zu jenen komplexen Formen der Kooperation und Konkurrenz, wie wir sie etwa von Wölfen und Menschen kennen, wie sie in Gesellschaft und Wirtschaft allgegenwärtig sind. Schließlich wurde Nahrung und Essen symbolisch hoch aufgeladen, erlangte spirituelle und soziale Bedeutung und ist heute mehr denn je – und in einer Vielzahl von Facetten – Gegenstand des gesellschaftlichen Diskurses.

Würden Sie uns ein Beispiel dafür geben?

Verhaltensmuster und mentale Einstellung, entwickelt im Zusammenhang mit der Kooperation und Konkurrenz um Nahrung, wirken in allen zwischenmenschlichen Unternehmungen. Schon lange ist klar, dass sogar die Wirtschaft nicht nur nach den kühl-rationalen Prinzipien von Spieltheorie und Gewinnmaximierung funktioniert. Selbst wenn Menschen miteinander Handel treiben, zählen jene Werte, welche auch die Kooperationen beim gemeinsamen Jagen bestimmten: Verlässlichkeit, wechselseitige Toleranz und Respekt, Fairness und Freude an der geglückten Kooperation.

Inwieweit hatte die Evolution die Finger drin in Sachen Kooperation von Menschen?

Es scheint, dass vor allem beim Menschen ein gut abgestimmtes Gruppenleben zu einem derart großen Selektionsvorteil wurde, dass eine Auslese auf immer nettere, kooperativere Individuen entstand, bei immer stärkerer Hemmung der Aggression gegen Gruppenmitglieder. Eine starke Begründung übrigens, warum das Gastmahl, das gemeinsame Essen – vom individuellen Date bis zum Staatsempfang – zur Anbahnung und Pflege guter Beziehungen eine derart überragende Bedeutung erlangte.

Essen, das Schmiermittel des sozialen Seins?

Und es war identitätsstiftendes Ritual. Genauso war es auch schon früh ein Symbol der Abgrenzung. Mit dem Sesshaftwerden und dem damit zusammenhängenden Entstehen von Herrschaft traten auch die Unterschiede in der Ernährungsweise der Oberen und der Unteren auf. Nicht nur, weil sich die Herrscher eine andere Ernährung als ihre Untergebenen leisten konnten, sondern weil sie und die Priesterkasten sich wohl auch aus sozialen und spirituellen Gründen anders ernähren mussten, um sich abzugrenzen und zu erhöhen.

Während das Volk in der Geschichte oft hungerte ...

Über Zehntausende von Jahren wurden Kriege um Ressourcen geführt, und man hungerte sich teils in großer Zahl zu Tode. Heute dagegen ist ein Gutteil der Menschen vor allem damit beschäftigt, sich mittels Messer und Gabel zu Tode zu bringen.

Tendenz steigend, wenn man nach China oder Indien schaut, nicht wahr?

Von der Übererfüllung trophischer Bedürfnisse lebt mittlerweile eine große Industrie, die durchaus daran beteiligt ist, dass immer weniger Menschen hungern müssen. Allerdings zum Preis eines Raubbaus an den letzten natürlichen Lebensräumen und katastrophaler ökologischer Fußabdrücke. Denn ein großer Teil der pflanzlichen Nahrungsmittel wird unter hohen Energieverlusten an intensiv gehaltene Tiere verfüttert oder gar in Bio-Treibstoff umgesetzt, um wohlhabenden Konsumenten billiges Fleisch bieten zu können, wovon aufgrund der Handelsmechanismen etwa ein Drittel weggeworfen wird – ökologisch verbrämte Mobilität.

Kann man angesichts dessen noch ein wenig Glück im Ernährungsstil finden?

Essen und soziale Identität bilden bei Menschen eine biokulturelle Einheit. Daher sind die Einstellungen der Leute zur Ernährung, der Stellenwert von Essen, Genuss und Gesundheit, und was sie tatsächlich zu sich nehmen, untrügliche Indikatoren für die Verfasstheit von Gesellschaften. Die meisten jüngeren Leute machen sich freudig unter dem Schlagwort convenience zu Komplizen der eigenen Entmündigung. Umgekehrt proportional zum Kochen-Können und -Wollen verhalten sich die Einschaltquoten der Kochsendungen und der Verkaufserfolg von Kochbüchern. In der Post-Aufklärung ersetzt Gutgläubigkeit Wissen und den Hausverstand; auch und gerade in der Ernährung.

 

Prominente Vortragende beim Biologicum

Noch sind nicht alle Plätze zum allgemein zugänglichen Biologicum, das von 6. bis 9. Oktober im Grünauer Pfarrhof stattfindet, vergeben (Anmeldung unter: www.biologicum-almtal.at).

Vortragen werden neben Kurt Kotrschal Univ.-Prof. Walter Arnold (Biologe und Wildtierkundler, Vetmed Wien, Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung), Univ.-Prof. Hannelore Daniel (Ernährungsphysiologin, TU München), Univ.-Prof. Herwig Grimm (Philosoph, Leiter der Abteilung Ethik der Mensch-Tier-Beziehung Uni Wien), Univ.- Prof. Robert Pfaller (Philosoph, Kunstuni Linz) und Univ.-Prof. Karl Sigmund (Biomathematiker, Uni Wien).

Rahmenprogramm: Exkursionen, Kabarett (Ludwig W. Müller „Gruß vom Ende der Nahrungskette“), Verkostung „Schmecktakuläres Almtal“ mit OÖN- Kulinariker und Slow-Food-OÖ-Chef Philipp Braun.

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1  Kommentar
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mitreden (28.669 Kommentare)
am 27.08.2016 08:53

auch nichts neues, was uns der herr biologe hier vorsetzt....

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