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47 Jahre alt, Schuhgröße 35, Mordopfer

Von nachrichten.at/mef, 29. Oktober 2017, 11:20 Uhr
Die Rekonstruktion Ötzis aufgrund aktueller Forschungsergebnisse
Bild: Archäologisches Museum Bozen/mef

SEEWALCHEN AM ATTERSEE/BOZEN. Um mehr über Ötzis Leben vor 5250 Jahren zu erfahren, reisten etwa 40 Mitglieder des Vereins Pfahlbau am Attersee für zwei Tage in die Hauptstadt Südtirols. Dort wird die Mumie seit ihrem Fund am 19. September 1991 im Archäologischen Museum aufbewahrt und erforscht.

Donnerstag, 26. Oktober, sechs Uhr morgens in Seewalchen am Attersee. Dunkelheit und Kälte umgeben das Gewässer. Durch die Stille dringt vereinzeltes, lautes Lachen. Müdigkeit und Tristesse waren bei den Reiseteilnehmern kurz vor Aufbruch nicht zu spüren. Schließlich verbindet die etwa 40 Landwirte, Verfahrenstechniker, Biochemiker und Konsuln neben der Lebensfreude vor allem das gemeinsame Interesse für den Pfahlbau und die Gletschermumie Ötzi.

Die letzten Taschen werden in den Bauch des Busses geschlichtet und der letzte Mitreisende in Mondsee aufgegabelt, sodass die von Vereinsobmann Alfons Egger und Sohn Gerald Egger organisierte Reise gen Süden um kurz vor sieben Uhr endlich beginnen konnte.

"Bewegen uns weg von alten Materialien"

Vorbei an goldgelben Weinreben, durch den Vinschgau und das Schnalstal, erreichte die gut gelaunte Gruppe - begleitet von strahlendem Sonnenschein und Temperaturen von etwa 15 Grad Celsius - am frühen Nachmittag ihre erste Destination: den am Fuße des Tiesenjochs gelegenen archeoPark, der von der 37-jährige Johanna Niederkofler aus Nadurns seit zehn Jahren geleitet wird. Auf drei Etagen werden exakte Nachbildungen von Ötzis Werkzeug, Waffen und Gepäck ausgestellt. "Wir verstehen uns als Ergänzung zum Archäologischen Museum in Bozen", sagt die gebürtige Brixnerin, als sie einen Teil der Museumsbesucher aus Oberösterreich in den Außenbereich führte.

Johanna Niederkofler
Bild: mef

"Ich denke, dass sich die Menschen immer weiter vom Umgang mit alten Materialien und Werkzeugen entfernen. Dementsprechend tut es gut, wenn sich die Besucher zumindest hier für ein bis zwei Stunden damit beschäftigen und selbst Feuer machen und den Umgang mit Pfeil und Bogen erlernen", sagt Niederkofler, die Kunstgeschichte sowie klassische Archäologie studierte.  

Dem zweiten Teil der Gruppe fiel es hörbar leichter, Pfeile auf die Zielscheibe zu schießen, als Niederkofler mit Feuerstein, Pyrit, Zunderschwamm und Stroh ein Feuer zu entfachen. Darauf ließ das ständige, laute Gejubel schließen, während die Museumsleiterin vergeblich in einer exakten Nachbildung eines Hauses aus der Zeit Ötzis darum kämpfte, die Flammen im handflächengroßen Strohballen durch ständiges herumwirbeln zu entfachen.

Einbaumsteg und Holzbau

Beim anschließenden Schlendern über das Gelände, umgeben von der traumhaften Bergkulisse, fallen vor allem acht Holzhäuser auf. "Die wurden weitesgehend detailgetreu nachgebaut. Grundlage waren Funde in Grabungsstätten in der Poebene, Villanders-Plunacker und Alleshausen-Grundwiesen", sagt Niederkofler voller Begeisterung. Zudem wurde in den vergangenen Jahren auch ein Einbaumsteg am Teich des Geländes errichtet, wodurch die Frage ihre Berechtigung findet, ob es eine Verbindung nach Oberösterreich gibt.

Bergkulisse Schnalstal
Bild: mef

"Es ist möglich, dass die Menschen damals neben Material auch Wissen über die Alpen hinweg ausgetauscht haben. Das wird vor allem an Pfeil- und Keramikfunden in Italien und Österreich deutlich. Beide Völker arbeiteten damals zum Beispiel mit Birkenpech als Klebstoff", sagt die 37-Jährige etwas abseits des Getümmels bei einer Tasse Kaffee.

Jährlich lockt der im September 2001 eröffnete archeoPark zwischen Ostern und Allerheiligen zwischen 25.000 und 30.000 Besucher an. Erhalten kann sich das Museum großteils selbst. "64 Prozent der benötigten Einnahmen erwirtschaften wir aus dem Verkauf von Tickets. Das ist wichtig, da wir die Gehälter der Angestellten selbst bezahlen wollen." Je nach Saison sind drei bis zwölf Angestellte und bis zu zehn Honorarkräfte im Museum tätig. "In Zukunft soll die Einrichtung weiter ausgebaut und Teile davon neu gestaltet werden. Dementsprechend wollen mein Team und ich bis nächsten Oktober neue didaktische Elemente, wie zum Beispiel kindgerechte Informationen, integrieren. Zusätzlich dazu sollen weitere Nachbauten errichtet und Übernachtungsmöglichkeiten geschaffen werden", sagt Johanna Niederkofler.

Hochwertige Werkzeuge und Tattoos

Nachdem Reisepässe und Personalausweise, die am Vorabend an der provisorischen Rezeption eines Hotels in Leifers abgegeben worden waren, an die ausgeschlafenen Oberösterreicher retourniert worden sind, bricht die gut gelaunte Gruppe frühmorgens gen Bozen auf. Ziel: Das von Angelika Fleckinger geleitete Archäologische Museum. Die studierte Archäologin ist Ötzi-Forscherin der ersten Stunde.

Auf der etwa halbstündigen Fahrt durch den Frühverkehr ist es vor allem eines, worauf sich der Großteil der Reisenden freut. Nämlich durch einen Spion einen Blick auf die Mumie zu ergattern. Ihre Erwartungen sollten nicht enttäuscht werden.

"Ötzi und die Menschen um ihn herum waren keinesfalls primitiv", sagt die Mitarbeiterin Lisa Burger. Mit Wissen und Charme fesselte sie die 20-köpfige Gruppe. "Dafür muss man nur einen Blick auf die hochwertig verarbeiteten Werkzeuge aus Holz, Feuerstein und Bronze, seine Kleidung aus Schaf- und Ziegenfell und die 61 Tattoos links und rechts der Wirbelsäule, am rechten Handgelenk und an den Knöcheln werfen."

Vor allem Letztere zeugen nicht etwa von der Zugehörigkeit einer bestimmten Familie oder Gruppe. "Zu Lebzeiten litt Ötzi - er wurde 47 Jahre alt, hatte etwa 50 Kilo, trug Schuhe in Größe 35 und führte ungefähr 30 Kilogramm Gepäck mit sich - unter einer Herz-Kreislauf-Schwäche, Athritis und Laktoseintoleranz. Diese Unverträglichkeit lässt sich dadurch erklären, dass die Menschen zu dieser Zeit anfingen, gezüchtete Tiere zu essen und deren Milch zu trinken. Forscher gehen daher davon aus, dass nahezu jeder Mensch in der Gegend zu dieser Zeit darunter litt. Um die genannten Beeinträchtigungen und Leiden zu lindern, wurde Ötzi an den tätowierten Stellen akupunktiert", sagt Burger.

"Erforschen Blutspuren"

Trotz all dieser Erkenntnisse ist die Arbeit von Angelika Fleckinger und ihrem 34-köpfigen Team noch nicht abgeschlossen. "Derzeit erforschen und untersuchen wir die Blutspuren an Ötzis Kleidung", sagt die 46-Jährige, während sie in einem rustikalen Lokal in der Bozener Innenstadt etwas abseits der Touristenpfade immer wieder an ihrem Kaffee nippt.

Angelika Fleckinger
Bild: mef

Wie mittlerweile bekannt ist, hatte Ötzi wenige Tage bevor er mit einem Pfeil erschossen wurde, einen Kampf. Dabei zog er sich eine Wunde am rechten Handgelenk zu. "Wir glauben, dass wir Blutrückstände von Tieren, Ötzi selbst und möglicherweise den Kontrahenten finden werden. Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis uns die richtigen Instrumente zur Verfügung stehen um weiterforschen können", sagt die Südtirolerin. Ob die Forschungen an der Gletschermumie jemals abgeschlossen werden? "Vermutlich nicht, nein. Denn wir werden wahrscheinlich niemals sagen können, warum Ötzi umgebracht wurde und warum was er genau am Tiesenjoch gemacht hat."

Doch wer entscheidet eigentlich darüber, ob Forschungen durchgeführt werden dürfen oder nicht? "Darüber bestimmt eine Kommission aus Wissenschaftlern aus Österreich, Südtirol, der Schweiz und Deutschland. Wenn also die Forschung okay ist und die Mumie nur minimalen Schaden nimmt, wird der Eingriff genehmigt." 

Das Archäologische Museum in Bozen zählt jährlich etwa 280.000 Besucher und beschäftigt 14 von der Provinz bezahlte Mitarbeiter in der Verwaltung und 17 Angestellte. "Als Landesmuseum bekommen wir keine Förderung. Die ist auch nicht nötig, da wir uns selbst tragen können. Wir befinden uns in der glücklichen Lage, dass sich die Welt für den Fund interessiert und die internationalen Forscher selbst für die Eingriffe aufkommen", sagt Fleckinger. 

Der Notfallplan

Für den Fall, dass im Museumsgebäude der Strom ausfallen sollte, versorgen zwei Dieselaggregate das gesamte erste Stockwerk - hier befinden sich die Originalfundstücke und die Kühlkammer für die Mumie - innerhalb von zwölf Sekunden mit Strom. Sollte im Museum ein Feuer ausbrechen, wird die Mumie mit all ihren Ausrüstungsgegenständen nach einem genauen Ablauf in Sicherheit gebracht. Für den Notfall wurde im Zentralkrankenhaus Bozen eine eigene Kühlzelle für Ötzi eingerichtet.

Am frühen Nachmittag tritt die Gruppe ihre Heimreise an und erreicht nach etwa fünf Stunden Fahrt das Salzkammergut, wo sich die gemeinsamen Wege wieder trennen. "Ich bin froh, dass ich mitgefahren bin. Die medizinischen Details über Ötzi haben mich wirklich fasziniert. Außerdem war ich noch nie zuvor in Bozen", sagt der Verfahrenstechniker Martin Madera aus Schörfling. Ähnlicher Meinung ist auch seine Partnerin Maria Raidl: "Vor allem der Besuch im archeoPark und die Informationen zu Ötzis Krankheiten und Leiden waren wirklich interessant. Wir werden die Stadt und das Museum sicher bald wieder besuchen", sagt die Biochemikerin. 

 

 

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2  Kommentare
2  Kommentare
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Harbachoed-Karl (17.883 Kommentare)
am 29.10.2017 13:43

„Wir werden die Stadt und das Museum sicher bald wieder besuchen“---

Sag’ ich auch immer, wenns mir irgendwo gefallen hat.

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Harbachoed-Karl (17.883 Kommentare)
am 29.10.2017 13:42

[i]„Wir werden die Stadt und das Museum sicher bald wieder besuchen“[/i|---

Sag’ ich auch immer, wenns mir irgendwo gefallen hat.

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