"Eder sollte aus den eigenen Reihen nachbesetzt werden"

Von Sigrid Brandstätter und Dietmar Mascher   27.Februar 2018

Die voestalpine schwimmt derzeit wirtschaftlich auf einer Erfolgswelle. Hans Karl Schaller, Chef des Konzernbetriebsrats und gleichzeitig auch Vertreter eines der wichtigsten Aktionäre (der Mitarbeiterstiftung), macht sich im Gespräch mit den OÖNachrichten aber Gedanken über den Nachwuchs im Konzern. Das betrifft die Fachkräfte genauso wie die Führungskräfte und den Betriebsrat.
 

Dem Unternehmen geht es gut, Auslastung, Zahlen sind in Ordnung. Alles paletti?

Schaller: Ja, das muss man sagen, derzeit ist alles gut. Menge passt, Preis passt, die Margen auch. Gut motivierte Mitarbeiter. Gewaltig.

Und keine Sorgen?

Natürlich habe ich Sorgen.

Welche?

Die größte Sorge ist für mich der Fachkräftemangel.

Man sollte glauben, dass das einer voest nicht passiert, weil fast jeder da arbeiten oder hier eine Lehre machen will.

Da hat sich viel verändert. Mir fällt auf, dass die Eltern ihre Kinder erst einmal in die Schule schicken, und erst wenn sie dort scheitern, machen sie eine Lehre. Das trifft mich wie ein Messerstich. Wir suchen händeringend Elektriker, Elektroniker, Prozessleittechniker. Der größte Konkurrent sind die Schulen. Dazu kommt, der Fachkräftemangel trifft ja nicht nur uns. Mittlerweile fällt mir auf, dass nach dem Lehrabschluss unsere Leute kräftig abgeworben werden.

Es forderte unlängst der Chef eines großen Lehrbetriebs, dass abwerbende Firmen dem Ausbildungsbetrieb eine Entschädigung zahlen sollen.

All jene, die die Möglichkeit haben, Lehrlinge auszubilden, es aber nicht tun, die sollen einen Beitrag leisten. Ich habe lange davon nichts gehalten. Aber es wurmt mich, wir brauchen die Spitzenleute und die erhalten alle möglichen Angebote. Ich bin dafür, dass wir als voestalpine einen gesellschaftspolitischen Auftrag erfüllen und Burschen und Mädchen ausbilden. Aber ein Lehrling kostet die voestalpine 70.000 Euro.

Wie lange wird sich der Standort Linz halten?

Heuer wird der Hochofen A auf den neuesten Stand gebracht. Damit sind bis 2026 die Investitionen getätigt, damit ist auch die Stahlerzeugung hier gesichert. Wenn die Entwicklung der Stahlerzeugung mit Wasserstoff klappt, mache ich mir um den Standort keine Sorgen. Es wäre aber toll, wenn das vor 2035 passiert. Wichtig ist, dass wir die Qualität der Mitarbeiter und der Forschung halten und dass die Führungsqualität passt. Bei letzterem meine ich, dass man aufpassen muss, dass den Führungskräften nicht das Gespür für die Leute verlorengeht.

Sowohl in der Konzernführung als auch im Betriebsrat zeichnet sich ein Generationenwechsel ab. Wie bereiten Sie sich darauf vor?

Es muss auch im Betriebsrat ein Umdenken stattfinden. Es ist nicht mehr so einfach, junge Betriebsräte davon zu überzeugen, quasi rund um die Uhr zur Verfügung zu stehen. Da habe ich, ehrlich gesagt, auch noch keine Lösung. Außerdem hat auch der Betrieb selbst ein Auge auf die guten Betriebsräte geworfen und entwickelt sie zu Führungskräften weiter. Ich kann ihnen das nicht verübeln.

Und wie sehen die Mitarbeiter als wichtige Aktionäre die Führungsfrage im Konzern?

Ich denke, es muss bis Sommer endlich eine klare Entscheidung fallen. Ich bin da für eine saubere Lösung. Wolfgang Eder hat bisher einen tollen Job gemacht. Wenn er bleiben will, sollte er das aber auch zeitgerecht sagen.

Und wer wird ihm einmal nachfolgen?

Wenn ich es mir aussuchen dürfte, sollte Eder aus den eigenen Reihen nachbesetzt werden. Wir haben genügend qualifizierte Manager im Vorstand, die das Zeug dazu haben. Ich bin auch der Auffassung, dass der Aufsichtsrat ausgewogen besetzt und international genug ist.

Die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter ist in der voestalpine eine Macht. Sie gewinnen locker sämtliche Betriebsratswahlen. Sie sind seit 2011 auch im Landtag. Blutet Ihnen das Herz, dass Ihnen sonst die Arbeiter davonlaufen, vor allem zur FPÖ?

Natürlich blutet einem das Herz. Aber man muss die geänderten Strukturen betrachten. In der voest-alpine waren viele Arbeiter An- und Ungelernte, wir nahmen Halb-Invalide auf und schufen Beschäftigung. Heute müssen wir mehr auf die betriebswirtschaftlichen Zahlen schauen. Ohne Lehrabschluss in einem metallverarbeitenden Beruf hat man keine Chance mehr, einen Job zu bekommen. Alles hat seine Zeit. Im Betrieb haben wir Erfolg, weil wir Tag und Nacht greifbar sind. Vielleicht sollte man sich das draußen auch mehr zu Herzen nehmen und wieder ein Gefühl dafür entwickeln, welche Bedürfnisse die Menschen haben. Wir sind immer noch die Partei der Arbeit und damit der Arbeitnehmer.

Der Erfolg der 5. Schicht

„Heute dürften wir den Fünf-Schicht-Betrieb nicht mehr streichen“, sagt der Betriebsrat Hans-Karl Schaller über das Modell, das einst in der Kokerei gestartet wurde. „Am Anfang waren nur 56 Prozent für einen Testbetrieb“, erinnert sich Schaller.

Die Arbeitszeit ist reduziert, ein kleiner Teil davon schlägt auf den Lohn durch. Auf je zwei Tage Früh-, Mittags- und Nachtschicht folgen vier freie Tage. Das ergibt 33,6 Wochenstunden Arbeit. Dazu kommen sechs Zusatzschichten im Jahr. In diesen wollen Betroffene inzwischen oft Urlaub. „Wir brauchen diese aber für Weiterbildungen.“

Das Modell ist heute in Kokerei, Hochofen und Stahlwerk – dort, wo die Anlagen nicht abgestellt werden können – realisiert. Das bedeutet längere Freizeitblöcke für die Mitarbeiter. „Seit wir das haben, ist kein einziger Mitarbeiter mehr gekommen und wollte runter von der Schicht, zuvor gab es das laufend“, sagt Schaller.

In Donawitz läuft die Diskussion über die Einführung derzeit.